Nachdem der Hype um Initial Coin Offerings (ICOs) und vergleichbare Formen des Token-Verkaufs nachlässt, drängen klassische Wagniskapitalgeber immer mehr als Geldgeber in den Kryptomarkt. Cointelegraph hat sich mit Michael Anderson, dem Mitgründer von Framework Ventures, getroffen, um mit ihm über seine Investitionsabsichten und seine Hoffnungen in der Kryptobranche zu sprechen.
Zu den wichtigsten bisherigen Investitionen von Anderson gehören zum Beispiel die Projekte Chainlink (LINK) und Synthetix, die 2019 beträchtlich wachsen konnten. Dementsprechend ist er auch sehr zuversichtlich, was den Sektor der Dezentralisierten Finanzdienstleistungen (DeFi) angeht. Bevor wir dieses Thema mit ihm anschneiden, haben wir ihn zunächst zu Risikokapitalinvestitionen in der Kryptobranche befragt.
Warum die Kryptobranche?
Bevor Anderson Wagniskapitalgeber wurde, war in der Technologiebranche tätig. So erklärt er zu Beginn unseres Interviews:
„Ich komme eigentlich aus der Technologiebranche. Zunächst habe ich vier Jahre lang bei Dropbox gearbeitet und bin dann zu Snapchat gewechselt. Bei beiden Unternehmen war ich als Produktmanager beschäftigt, wobei ich mich hauptsächlich um das Geschäftliche gekümmert habe […]. Tagsüber habe ich also den klassischen Geschäftsbetrieb mitbekommen und nachts habe ich gelernt, geforscht und mit verschiedenen neuen Technologien herumexperimentiert.“
Gemeinsam mit Vance Spencer hat er anschließend das Unternehmen Hashletes gegründet, das auf die Herausgabe von sogenannten Non-Fungible Krypto-Tokens spezialisiert ist. Nachdem die Firma verkauft wurde, haben die beiden Partner wiederum zusammen das Investitionsunternehmen Framework Ventures ins Leben gerufen.
Die Entscheidung des Duos, einen Investmentfonds zu gründen, erklärt Anderson dabei folgendermaßen:
„Als wir unser Unternehmen gegründet haben, ist uns aufgefallen, dass es eine große Marktlücke für Investitionen in Blockchain-Protokolle gibt. Klassische Wagniskapitalgeber waren zumeist nur daran interessiert, sich Firmenanteile zu sichern. Technologieunternehmen haben Blockchain-Protokolle tatsächlich genutzt oder selbst welche entwickelt, während Hedgefonds diese lediglich aus der Sicht der Gewinnmaximierung betrachtet haben.“
Dementsprechend sind die Framework Gründer der Meinung, dass es für Investitionen in Blockchain-Protokolle einen gänzlich anderen Ansatz braucht. Aus diesem Grund haben sie ihren Hedgefonds „Network Capital“ genannt, um auf die gezielte Investition in Blockchain-Netzwerke hinzuweisen.
Der Hedgefonds tätigt dabei in erster Linie Token-basierte Investitionen, da „hier am meisten Wertschöpfung entsteht“. Allerdings investiert er auch ganz klassisch in Firmenanteile bzw. stellt Investitionskapital zur Verfügung und entwickelt Tools für diejenigen Blockchains, mit denen er zusammenarbeitet.
Krypto braucht alternativen Ansatz
Sowohl Spencer als auch Anderson waren „Unternehmensengel“, ehe sie sich letztendlich zur Gründung von Framework entschlossen haben. Dementsprechend ist ihr Investitionsansatz ähnlich dem von sogenannten Business Angels.
Laut Anderson bedeutet dies unter anderem, dass Framework mit langfristigen Absichten in Projekte investiert, selbst wenn es kurzfristig oder mittelfristig sogar rentablere Zeitpunkte für einen Ausstieg gibt. Deshalb arbeitet das Investmentunternehmen zum Beispiel weiterhin eng mit Chainlink und Synthetix zusammen, obwohl beide Projekte im vergangenen Jahr eine beträchtliche Wertsteigerung erzielen konnten.
Auf die Frage, warum Framework sich dazu entscheidet, in eine Branche zu investieren, in der Unternehmen oftmals wenig bis gar keinen Umsatz erzielen, antwortet Anderson, dass es dafür „eine völlig andere Einstellung“ braucht.
Natürlich investiert der Investmentfonds auch in klassische Unternehmen, die ein etabliertes Geschäftsmodell und ein geregeltes Einkommen haben, aber nichtsdestotrotz ist Anderson davon überzeugt, dass Investitionen in Blockchain-Netzwerke sich später in einer Wertsteigerung des jeweils zugehörigen Krypto-Tokens widerspiegeln.
Da für Blockchain-Unternehmen aber keine der üblichen wirtschaftlichen Kennzahlen zutreffend sind, muss sich entsprechend auch die Grundlage zur Bewertung von Investitionsprojekten anpassen. So meint Anderson:
„Generell richtet sich unsere Bewertungsgrundlage nicht nur nach dem Wert, sondern vielmehr nach vergleichbaren Preisen oder ähnlichen Projekten. Was uns letztendlich aber viel wichtiger ist, ist eine qualitative Bewertung.“
So fließt zum Beispiel die weitere Planung eines Unternehmens in diese Bewertung mit ein, wodurch die Investoren das Potenzial eines Investitionsprojekts abschätzen können. Die jeweilige Wettbewerbssituation ist ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt.
Die Investitionsentscheidung hängt jedoch zum großen Teil auch von den Personen ab, die an einem Krypto-Projekt beteiligt sind. Dies wird besonders deutlich, als Anderson erklärt, weshalb sein Investmentfonds bei Chainlink und Synthetix eingestiegen ist:
„Wir wussten, dass Sergey Nazarov [der Gründer von Chainlink] schon seit 2013 in der Kryptobranche ist. Er hatte sich schon in der Vergangenheit an Smart Contract Plattformen probiert, wobei ihm Ethereum natürlich zuvorgekommen ist, aber immerhin hatte er das Ganze schonmal mitgemacht. Zudem hat die implizite Unterstützung der Cornell Universität uns zusätzlich darin bestärkt, dass Chainlink die richtige Wahl ist.“
Im Fall von Synthetix hatte Anderson schon mit Gründer Kain Warwick gesprochen, noch bevor eine Investition überhaupt zur Diskussion stand:
„Bei einem Chainlink Geschäftsessen auf der ETHBerlin letzten Sommer saß ich zufällig neben Kain und habe ihn und seine Ambitionen so genauer kennengelernt.“
Im Großen und Ganzen richtet sich die Investmentstrategie von Framework allerdings nach der Vision des Unternehmens für die Kryptobranche.
Das Potenzial der DeFi
Dabei konzentriert sich Framework Ventures momentan auf den Bereich der Dezentralisierten Finanzdienstleistungen, der seit 2019 deutlich an Beliebtheit gewinnt. So hatte Anderson zuletzt geschrieben:
„Wenn wir uns überlegen, was die grundlegende Funktion der Blockchain ist, dann ist das Werttransfer ohne einen Gläubiger. Wenn man das in ein Computerprogramm überträgt, dann kommen dabei die Dezentralisierten Finanzdienstleistungen heraus.“
Obwohl er auch davon überzeugt ist, dass es in der Zukunft ein Web 3.0 geben wird, sind die Dezentralisierten Finanzdienstleistungen (DeFi), also Finanzdienstleistungen auf Basis von Blockchain, der momentane Hauptfokus seines Investmentfonds. Zurzeit beschränken sich die DeFi allerdings noch überwiegend auf den Handel von Kryptowährungen. So erklärt Anderson in dieser Hinsicht:
„Viele Projekte in diesem Bereich sind schon fast altbacken […], besonders Maker. Übermäßig durch Pfand besicherte Kredite sind einfach ein ineffizientes Geschäftsmodell.“
Auf die Frage, ob Dezentralisierte Finanzdienstleistungen bald auch außerhalb des Krypto-Handels Anwendung finden, antwortet Anderson:
„Kurz gesagt, Ja! Die Frage ist nur, wann.“
In diesem Zusammenhang ließ er auch durchsickern, dass Framework zum Beispiel an Kreditvergabe mit möglichst wenig Besicherung durch Pfand arbeitet.
Dezentralisierte Versicherung
Das größte Potenzial für die DeFi sieht Anderson jedoch in der Versicherungsbranche:
„In der Versicherungsbranche könnte es ein großes Ding werden. Fünfzig Prozent der Kosten einer Versicherung, die normalerweise eine ein bis zwei prozentige Gewinnspanne haben, entstehen im Abwicklungsprozess von Versicherungsfällen. Selbst wenn nur ein kleiner Teil dieser 50% optimiert werden kann, wird ein Versicherungsunternehmen dadurch plötzlich sehr rentabel.“
Dezentralisierte Versicherungsdienstleistungen sind ein Anwendungsbereich mit sehr großem Potenzial, was nicht nur Framework, sondern auch Chainlink durchaus bewusst ist, wie Anderson angibt.
Dies verdeutlicht er an einem Beispiel, in dem die Sensoren an einem Auto alle wichtigen Informationen über einen Unfall automatisch erfassen und an einen Smart Contract auf einer Blockchain senden würden, was wiederum den Abwicklungsprozess der entsprechenden Versicherungsleistung bedeutend optimieren würde. Allerdings sei diese Vorstellung noch Zukunftsmusik, wie er gleichsam einräumt.
Als wir ihn abschließend fragen, ob die Blockchain-Technologie hierfür wirklich zwingend notwendig wäre, entgegnet Anderson, dass offene Blockchain-Netzwerke große Vorteile gegenüber den traditionellen Versicherungsanstalten hätten, was er am Beispiel von Geico verdeutlicht:
„Ich denke einer der großen Vorteile eines offenen Netzwerks ist es, dass man sich ganz einfach einen großen Pool an Pfandgebern aufbauen kann, die als Kontrahent fungieren würden. […] Die Geico gibt es bereits seit mehr als 100 Jahren, wodurch sie sich einen großen Schatz an Pfand und Pfandgebern aufbauen konnte. […] Wenn wir das gleiche Resultat auch in kürzester Zeit mit einem Blockchain-Netzwerk erzielen können, dann ist das ein großer Vorteil.“
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