Joachim Schwerin #22

Principal Economist bei der Europäischen Kommisson

Joachim Schwerin  & Principal Economist bei der Europäischen Kommisson & poster
Joachim Schwerin & Principal Economist bei der Europäischen Kommisson

Kategorie

Regulierung

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Unter der Oberfläche brodelt und siedet die Kreativität der Blockchain- und Krypto-Gemeinschaften an allen Ecken und Enden.

Dr. Joachim Schwerin ist in der Europäischen Kommission Leitender Ökonom („Principal Economist“) im Referat Digitale Transformation der Industrie der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU. Er verantwortet die Politikentwicklung in den Bereichen Token-Ökonomie und Distributed-Ledger-Technologien (“Blockchain”) sowie deren Anwendungen in der Realwirtschaft. Nach seinem volkswirtschaftlichen Studium und der Promotion forschte Schwerin als Post-Doc Research Fellow am Economic History Department der London School of Economics, bevor er 2001 nach Brüssel wechselte. Dort arbeitete er in den Bereichen Industrie- und Wettbewerbspolitik, deren Koordination er verantwortete, sowie KMU-Finanzierung. 

Die Mitarbeit an den Bankenrettungen während der Finanzkrise 2007/08 motivierte Schwerin zur Neu- und Mitgestaltung am Regelrahmen für Alternativfinanzierungen bzw. Crowdfunding, Fintechs, Blockchain und Kryptomärkte (einschließlich der MiCA-Verordnung). 2015 schlug Schwerin als zukünftige EU-Innovationspriorität Blockchain-Anwendungen für die Realwirtschaft vor, die er seitdem mitentwickelt. Einen besonderen Schwerpunkt legt er auf die Aus- und Weiterbildung von Blockchain-Spezialisten sowie Forschung und Wissenstransfer im Kryptobereich.

Welche Ereignisse 2022 waren wichtig für die Krypto- und Blockchain-Adoption?

“2022 legte bloß, wie labil die angebliche Stabilität zentraler Machtzentren und -organe im Angesicht stets größerer globaler Krisen sind. Die logische Antwort liegt im verstärkten Ausbau dezentraler Strukturen (im Sinne des englischen „distributed“, also dezentrale und zunehmend autonome verteilte Netzwerke und Akteure) von unten nach oben, kurz im Crowd-Ansatz, der seit einem Dutzend Jahren der Hauptantrieb digitaler Technologien ist. Aktuell wird diese Entwicklung noch überlagert vom inhaltsleeren Geraune über den vermeintlichen Krypto-Winter, in dem Vertreter autokratischer Top-Down-Ansätze das Ende der (von ihnen) unkontrollierten Kryptobewegung sehen. Nichts ist weniger wahr. Tatsächlich hat 2022 eine zunehmende Resilienz und selbstorganisierte Problemlösungsbereitschaft dieser Szene gesehen, die dazu führen werden, dass temporäre Kurseinbrüche führender Kryptowährungen eine Delle auf einem Aufwärtstrend bleiben werden. Die Hauptgründe für diese Delle lagen schließlich in der noch erheblichen Korrelation zwischen abwärtsrauschenden traditionellen Finanz- und Kapitalmärkten sowie im Bereinigen eines von Trittbrettfahrern geschaffenen Hypes. Und all dies ist vorübergehend.

Unter der Oberfläche brodelt und siedet die Kreativität der Blockchain- und Krypto-Gemeinschaften an allen Ecken und Enden, in Europa zudem angeregt durch die Fertigstellung der MiCA-Verordnung sowie den Aufbau von Blockchain-Infrastrukturen in der Realwirtschaft, etwa zur Bekämpfung von Produktfälschungen. 2023 führt dies zu einem zunehmenden Auseinanderdriften von DeFi und TradFi, da zwischen beiden stehende CeFi-Plattformen zunehmend zerbröseln und weder die Erwartungen der einen noch der anderen Seite erfüllen können. Der aktuelle Boom von DAOs, der sich weiter verstärken wird, die Wehrhaftigkeit des Proof-of-Work-basierten Bitcoin und ein vertieftes Interesse an innovativen DeFi-Lösungen sind hierfür Symptome, die auf eine dezentrale Revolution 2.0 hindeuten. Während sich Teile des Mainstreams in unausgegorenen Metaverse-Phantasien ergehen, die eher an Beta-Versionen von Pac-Man erinnern, oder sich an der geistlosen Scheinwelt affiger NFTs abarbeiten, nutzt der intelligente Teil der Kryptoszene die Wintermonate, um verbesserte Lösungen zu erarbeiten. Welche das sind, werden wir 2023 sehen. Dass sie kommen, bin ich mir sicher.”