Dies ist der dritte Teil des Projekts "Krypto-Winter". Lesen Sie auch den ersten Teil über die Ursachen des aktuellen Krypto-Winters und den zweiten Teil über Unterschiede zwischen den Bärenmärkten 2018 und 2022.

Die gesamte Finanzmärkte durchleben gerade schwierige Zeiten. Der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, Lieferengpässe und Inflation sorgen immer noch für heftige Einbrüche an den Aktien- und auch an den Kryptomärkten.

Im Mai trug der Crash von Terra (LUNA) mit einem Gesamtverlust von über 1,5 Mrd. US-Dollar zur Verunsicherung unter den Anlegern bei. Zahlreiche Insolvenzen wie die des Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital (3AC) oder Celsius sowie die Kündigungen von Mitarbeitern bei großen Kryptobörsen wie Coinbase, Gemini oder Bitpanda verstärkten die negative Stimmung auf dem Markt noch zusätzlich. Auch Elon Musk, in der Regel ein Krypto-Befürworter, verlor die Nerven: seine Firma Tesla verkaufte Mitte Juli drei Viertel seiner Bitcoin-Bestände mit heftigem Verlust. 

Ein weiterer Schock für die Krypto-Community war der Rücktritt des Bitcoin-Maximalisten Michael Saylor als CEO des großen Softwareherstellers MicroStrategy, der inzwischen knapp 0,62 Prozent aller jemals verfügbaren Bitcoin (BTC) besitzt. Saylor stellte sich damit in eine Reihe mit vielen anderen prominenten Köpfen der Kryptobranche, die im Zuge der marktweiten Krise ihre Posten geräumt haben, darunter der Chef der Kryptobörse Kraken Jesse Powell, der Präsident von FTX.US Brett Harrison und der Direktor von Genesis Matthew Ballensweig. Derartige Negativschlagzeilen und die erhöhte Marktvolatilität machen es den Anlegern schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der Kryptomarkt niemals erholen wird. Alles hat sein Ende – und der aktuelle Abschwung wird keine Ausnahme sein. Aber wann wird der Krypto-Winter vorbei sein und die Kryptowährungskurse wieder Richtung Norden klettern? Diese Frage hat Cointelegraph auf Deutsch lokalen Experten aus der deutschsprachigen Blockchain-Branche gestellt. 

Dennis Austinat, Deutschlandchef von eToro

Es gibt viele Kennzahlen, sowohl on-chain als auch in der technischen Analyse, die darauf hindeuten, dass der Bitcoin-Kurs überverkauft sein oder einen Tiefpunkt erreicht haben könnte. Das könnte für Anleger also eine Gelegenheit sein, einzusteigen.

Der makroökonomische Gegenwind (der uns überhaupt erst hierher gebracht hat), die hohe Inflation und die zunehmenden Rezessionsrisiken könnten jedoch die Aktienmärkte und angesichts ihrer hohen Korrelation in letzter Zeit auch die Kryptomärkte weiter nach unten drücken, wenn die Anleger weiter auf "Risikoabbau" setzen.

Darüber hinaus befinden sich einige Kryptounternehmen in einer Phase des Schuldenabbaus, in der Verkäufe von Vermögenswerten (entweder freiwillig oder durch Liquidation) ebenfalls Druck auf die Preise ausüben könnten. Das Gleiche gilt für Bitcoin-Miner, deren Margen aufgrund der fallenden Preise, höherer Stromkosten und des zunehmenden Schwierigkeitsgrads unter Druck geraten sind.

Weltweit gibt es Hunderte von Billionen US-Dollar an liquiden, investierbaren Vermögenswerten, die von institutionellen Anlegern verwaltet werden. Die globale Kryptomarkt-Kapitalisierung beträgt derzeit weniger als 1 Billion US-Dollar [aktuell 933 Mrd. US-Dollar – Stand am 18.Oktober], so dass selbst ein kleiner Prozentsatz dieser liquiden Mittel, die in Kryptowährungen fließen, dazu führen könnte, dass die gesamte Kryptomarktkapitalisierung (und Bitcoin) wieder Allzeithochs erreicht und diese sogar übertrifft.

Zunehmende Rezessionsrisiken, schlechte Gewinne und Prognosen von Unternehmen könnten die Börsenkurse weiter beeinflussen. Angesichts der jüngsten Korrelationen könnten auch die Kryptopreise betroffen sein.

Entscheidend für Anleger ist jetzt ihre langfristige Sicht auf Bitcoin und andere Kryptoassets. Es ist wichtig, eine langfristige Investitionsentscheidung zu treffen und dabei nicht Opfer von Marktpaniken zu werden. Die Investition in einen sorgfältig durchdachten, diversifizierten Korb von Vermögenswerten ist der Schlüssel zu nachhaltigem und langfristigem Vermögenswachstum.

Olga Feldmeier, Vorstandsvorsitzende & Co-Founderin von Smart Valor

Seit 2018 hat sich so viel verändert, dass wir uns praktisch auf unbekanntem Terrain bewegen. Das macht es schwierig, einen festen Ausblick darauf zu geben, was den aktuellen Krypto-Winter beenden könnte. Nichtsdestotrotz gibt es zwei Szenarien, die ich für wahrscheinlicher halte als andere. 

Das erste und wahrscheinlichste Szenario ist, dass sich das makroökonomische Klima nicht rechtzeitig für die nächste Rallye verbessert und wir einen weniger ausgeprägten Kursanstieg gegenüber dem Allzeithoch von 2021 erleben. Damit dieses Szenario eintritt, müssen zwei Annahmen erfüllt sein: Da die Anwendungsfälle und die Akzeptanz von Kryptowährungen ständig zunehmen, ähneln digitale Vermögenswerte immer mehr den frühen Tech-Aktien, so dass die Korrelation mit dem Tech-Markt anhalten wird. Darüber hinaus könnte sich Bitcoin leicht von anderen Krypto-Assets abkoppeln. Der Ausgleich zwischen diesen beiden Trends könnte zur Entstehung eines Aufwärtstrends führen, allerdings mit einer weniger intensiven Kursbewegung als in früheren Zyklen. Sollte dieses Szenario eintreten, könnten wir eine Hausse mit einem Multiplikator von etwa 2 erleben, die den Bitcoin-Kurs auf etwa 150.000 US-Dollar bringt.

Im zweiten Szenario verbessert sich das makroökonomische Klima nicht, bevor die nächste Hausse einsetzt, und die Kursrallye könnte sich verzögern. Die Annahme für diese Situation ist, dass die Korrelation mit den Aktienmärkten noch stärker wird und Bitcoin als digitales Gold und Wertaufbewahrungsmittel nur schwer an Bedeutung gewinnen wird. Ich halte dieses Szenario für weniger wahrscheinlich, aber immer noch für möglich.

Sollten sich die makroökonomischen Bedingungen rechtzeitig für den geplanten Bullenlauf des Bitcoin-Zyklus verbessern, könnten wir ein noch größeres Vielfaches des Allzeithochs von 2021 sehen. Das letztjährige Hoch übertraf das von 2017 um ein Vielfaches von 3,2. Unter idealen Bedingungen könnten wir in der nächsten Hausse ein Vielfaches des Vierfachen sehen, was den Bitcoin-Kurs auf 280.000 US-Dollar treiben würde. Aber wir sollten uns darüber nicht zu sehr freuen, da die Auflösung einer 12-jährigen Hausse bei Aktien wahrscheinlich länger dauern wird, als die meisten erwarten.

Daniel Diemers, Mitgründer der SNGLR Group und Board Member bei Kryptofirmen und Banken

Aufgrund der engen Korrelation mit den traditionellen Märkten braucht es wohl nur 2-3 Monate starke Aufwärtsbewegungen an den Leitindizes, erste Lösungen für die europäische Energiekrise und mehr geopolitische Ruhe, und dann kommt auch wieder schnell Schwung in die digitalen Vermögenswerte. Die sogenannten “Fundamentals” sind meines Erachtens immer noch positiv und vorhanden.

Im Startup-Umfeld haben nach meiner Erfahrung Krypto-Winter jeweils auch eine positive Wirkung: schwache, unrealistische Ideen verschwinden quasi über Nacht, und die qualitativ guten Projekte kommen gestärkt aus dem Winter heraus.

Ulli Spankowski, CDO der Gruppe Börse Stuttgart, CEO und Mitgründer der Bison App 

Um diese Frage sinnvoll zu beantworten, fehlt mir leider – wie vielen anderen auch – die Glaskugel.

Ich fürchte, dass der DeFi-Sektor noch länger zu kämpfen hat. Ich bin jedoch optimistisch, dass trotz der aktuellen Situation in den kommenden Jahren immer mehr institutionelle Investoren am Kryptomarkt ankommen. Im Krypto-Bereich findet aktuell eine Marktbereinigung statt, dennoch glaube ich, dass große Protokolle wie Bitcoin und Ethereum sich schneller erholen werden als andere, auch wenn kleinere Protokolle sicherlich mehr Kurspotenzial in der langen Frist besitzen könnten.

Patrick Hansen, Crypto Venture Advisor bei Presight Capital und EU Policy Director bei Circle

Das ist schwer vorherzusagen und hängt insbesondere von zwei Faktoren ab. Erstens wird der Kryptomarkt natürlich insbesondere dann wieder Fahrt aufnehmen, wenn die US-Notenbank Fed und andere Zentralbanken ihre Geldpolitik lockern. Und zweitens wird der Markt erst dann massentauglich, wenn Anwendungen vermehrt mit der Realwirtschaft verknüpft werden und die Nutzbarkeit dieser Anwendungen für die breite Masse einfacher wird.

Arno Pernthaler, Vorstandsmitglied und CEO von DEC Institute

Welcher Krypto-Winter? Wenn man den Kryptomarkt-Analysten glaubt, dann gibt es natürlich nach jeder Korrektur eine Erholungsphase, die nach einer Stagnationszeit durch externe Entwicklungen wieder stimuliert werden kann. Die globale Inflation, Energiekrise und geopolitisch motivierte Unsicherheit können aber kapitalintensive und komplexe Entwicklungen – wie jene der dezentralen Blockchain-Technologie – verlangsamen.

Philipp Sandner, Wirtschaftswissenschaftler und Leiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) 

Es gibt die unterschiedlichsten Prognosen, was die Entwicklung des Bitcoin und des gesamten Marktes angeht. Beim aktuellen Krypto-Winter ist der Bitcoin von vormals 38.000 US-Dollar auf 18.000 US-Dollar gefallen. Nunmehr bewegt sich der Bitcoin-Kurs aber mittlerweile wieder rund um 20.000 US-Dollar. Man spürt langsam, dass die Faszination für die Technologie wieder zunimmt und man spürt auch die “Not” der Anleger, dass sie nicht wissen, wo sie noch investieren sollen – und das bei einer schon zweistelligen Inflation. All das wird in einigen Monaten vorüber sein. Dann dürfte eine neue kräftige Aufwärtsbewegung einsetzen.

Die Kursentwicklung von Bitcoin hat jedoch nichts mit der zugrunde liegenden technischen – und meiner Meinung nach genialen – Idee der Krypto-Assets zu tun. Vor allem mit der Inflation werden Anleger knappe Vermögenswerte zunehmend wertschätzen und die Kurse werden wieder steigen. Wie hoch der Kurs nun genau sein wird, kann niemand vorhersagen. Wenn man jedoch die kurzfristige Volatilität „herauszoomt“ und die Entwicklung von Bitcoin über mehrere Jahre beobachtet, ist der Trend klar zu sehen. Letztlich sind wir auch in einer Kapitalisierungsphase des Bitcoin, die sehr langfristig ist und noch werden wird.

Robert Schwertner (aka Crypto Robby), Blockchain-Influencer und Geschäftsführer des Consulting-Unternehmens Innomagic 

In solchen Abschwungphasen versuche ich, einen ruhigen Kopf zu bewahren: neben negativen Schlagzeilen gibt es auch positive Nachrichten aus dem Krypto-Bereich, die derzeit kaum in Kursen reflektiert werden: Spotify interessiert sich für Krypto und NFTs, Instagram plant die Integration von Ethereum, Solana, Polygon und Flow-NFTs. Die Vision eines Web3 und des Metaverse bietet Möglichkeiten für neue Business-Modelle, Marken wie Nike oder Adidas, aber auch NGOs nutzen jetzt schon die Möglichkeiten der Blockchain und NFTs. Aber wenn Marktteilnehmer voller Angst sind, gehen positive Meldungen unter. Ein klassisches Zeichen für einen jungen, volatilen Markt: Entweder total überhitzt und von Influencern hochgepumpt, oder – wie jetzt – überverkauft, trotz ausgezeichneten langfristigen Aussichten und durchaus auch guten Meldungen. 

Krypto-Wale und Großinvestoren kaufen übrigens gerade jetzt sehr selektiv ein. Man muss sich nun fragen, welche Projekte bestehen bleiben. Ich sehe mir zum Beispiel derzeit Smart-Contract-Blockchains genau an, denn sie helfen, das Web3 mit aufzubauen, das in 3-5 Jahren umgesetzt wird.

Eric Demuth, CEO von Bitpanda

Wir befinden uns derzeit definitiv mitten in einem Krypto-Winter, dies ist jedoch ein normaler Teil des Investitionszyklus und nichts, worüber man sich übermäßig Sorgen machen sollte. Daher lautet meine Botschaft an alle Anleger: Habt keine Angst vor Abschwüngen. Zwar mag sich das Spiel verändert haben, aber wenn ihr eure Hausaufgaben gemacht habt, dann werden jene Anlagen, an die ihr vor einigen Monaten geglaubt habt, wahrscheinlich auch im nächsten Jahr noch die sein, hinter denen ihr noch immer steht – und sie sind gerade mit einem Abschlag erhältlich. 

Ich bin immer noch sehr zuversichtlich, was die Zukunft angeht, und es gibt einige Schlüsselfaktoren, die dieses Vertrauen untermauern: Die Regulierung der Branche wird immer stärker formalisiert, und Europa ist mit der MiCA [die EU reguliert mithilfe der Verordnung "Markets in Crypto Assets", kurz MiCA, den Umgang mit Krypotwerten – CT] führend auf diesem Gebiet. Regulierung schafft Vertrauen, und mit diesem Vertrauen kommen institutionelle Investitionen. Wir sehen allmählich, dass mehr TradFi-Akteure in den Raum eintreten, und auch das bedeutet mehr Stabilität.