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Seit 1971 und dem Ende des Goldstandards beherrschen Fiatwährungen die Welt. Wirtschaften haben gelernt, wie man das Lokalwährungssystem effektiv nutzen und ausnutzen kann und Zentralbanken scheuen sich nicht davor, unerlässlich die Druckmaschinen laufen zu lassen. Vor 1971 mussten Zentralbanken enorme Goldreserven halten - beziehungsweise ein nächstbestes Äquivalent wie zum Beispiel den US-Dollar, da die meisten Währungen an einen Goldstandard gebunden waren. Dieser wurde unter anderem mit dem Argument abgeschafft, dass Banken dadurch nicht in der Lage waren, die Geldmenge anzuheben und Kredite zu kreieren um wirtschaftliches Wachstum anzukurbeln. Von daher wurde der Goldstandard aufgegeben,

auch wenn in den Zentralbanken der Welt weiterhin große Mengen Gold zu finden sind. Insgesamt sollen Zentralbanken weltweit zusammen rund 33.000 Tonnen Gold mit einem Gegenwert von rund 1,34 Bio. Euro besitzen. Die Banken benutzen Gold als Mittel zur Wertspeicherung, falls die eigene Währung angegriffen wird. Ironischerweise haben die meisten Zentralbanken in diesem Fall keinen direkten Zugriff auf die Anlagen. Tatsächlich werden die meisten Goldreserven der Zentralbanken in den USA oder Großbritannien aufbewahrt, hauptsächlich mit historischen Gründen oder weil der Transport schlicht kompliziert ist. Interessanterweise haben die Zentralbanken in den letzten 5 Jahren eine Tendenz gezeigt, ihre Goldreserven in die rechtmäßigen Heimatländer zurückzuführen, um die Kontrolle über ihr Eigentum wiederzuerlangen.

Globale Fremdwährungsreserven

In den letzten zehn Jahren haben Zentralbanken die Bandbreite an möglichen Wertanlagen über Gold und Fiatwährungen hinaus ausgedehnt. Durch das Einführen von Quantitive-Easing-Maßnahmen zur Stimulierung der Wirtschaft haben Zentralbanken Staatsanleihen, Industrie- und Unternehmensanleihen und andere eher überraschende Wertanlagen in Billionen-Höhe erworben. Im Namen einer solchen Bilanz-Erweiterung wurde die Bank of Japan zum Hauptanteilseigner diverser japanischer Unternehmen und Nationalbank der Schweiz verzeichnete 2017 Profite im Wert von knapp 46 Mrd. Euro aufgrund global steigender Aktienpreise.

Eine Kategorie, die die Banken ihrem Portfolio an Wertanlagen noch nicht beigefügt haben, sind Kryptowährungen. Es ist unwahrscheinlich, dass Regierungen Fiatwährungen und ihre Macht über diese aufgeben werden. Auf der anderen Seite überschneiden sich Fiat- und Kryptowährungen bereits durch den Kauf von Kryptowährungen wie Bitcoin mit Fiat. Zentralbanken könnten Kryptowährungen ebenso gut wie Gold als Wertaufbewahrungsmittel nutzen, allerdings ist das Leistungsversprechen von Krypto ein komplett anderes.

Ein transparentes System

Will man die Reserven einer Zentralbank einschätzen, muss man sich auf das verlassen, was die Zentralbank als ihre Reserven angibt. Die Zentralbanken selbst müssen darauf vertrauen, dass ihr Geld in einem Tresorraum in New York oder London existiert und sie im Notfall darauf zuzugreifen können. So gesehen muss man einer Menge Anteilseigner Vertrauen schenken, wenn man die Reserven einer Zentralbank überprüfen will. Auf der anderen Seite gibt es eine relativ neue Wertanlagenkategorie, die perfekte Besitzverhältnisse verzeichnet indem sie Anteilseignungen auf eine transparente Art und Weise klärt, die kein blindes Vertrauen erfordern: Kryptowährungen.

Wenn sich eine Zentralbank dazu entscheiden sollte, beispielsweise in Bitcoin zu investieren, könnte sie einfach ihre Wallet-Adresse publik machen und jeder könnte einsehen, wie viele BTC die Bank besitzt. Jene BTC könnten anschließend dazu genutzt werden, die eigene Währung zu stabilisieren, ebenso wie es Zentralbanken mit Gold und anderen Fiatwährungen machen. Die Fiatwährung der Zentralbank wäre so im Endeffekt teilweise durch Kryptowährungen abgesichert.

Eine solche Menge an Bitcoin zu halten, bedeutet unweigerlich, dass die Person, die den privaten Schlüssel zur Wallet kontrolliert, zur Zielscheibe für Kriminelle werden kann, allerdings gibt es Sicherheitsmöglichkeiten. Ein außenstehendes Unternehmen könnte zwar als Depotbank für die BTC der Zentralbank auftreten, allerdings würde dies bedeuten, dass wir praktisch zum alten System zurückkehren, in welchem einer Drittpartei vertraut werden muss, welche die Wertanlagen aufbewahrt. Eine Möglichkeit, um sicherzustellen, dass niemand eigenständig die BTC der Zentralbank stehlen kann, ist deren Verwahrung in einer MultiSig-Wallet. Jede ausgehende Transaktion müsste von einem Gouverneur der Zentralbank, dem Finanzminister sowie potenziell einer externen Partei wie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich oder dem Internationalen Währungsfonds unterschrieben werden. Um zu beweisen, dass die Zentralbank Zugriff und Kontrolle über die BTC in dem angegeben Wallet hat, könnte sie in bestimmten Abständen kleinere Überweisungen einleiten oder eine unterschriebene Nachricht an die Bitcoin-Blockchain senden. So könnte jeder 1) die Menge an BTC in der Wallet der Zentralbank einsehen und es wäre 2) bestätigt, dass die Zentralbank die besagte Wallet kontrolliert.

Eine Wette auf die Zukunft

Kryptowährungen sind weiterhin sehr unbeständig, obwohl sie eine deutliche Wertsteigerung in den letzten 12 Monaten verzeichnen. Sie sind volatil, da sie sich noch immer in der Anfangsphase befinden und Investoren konstant damit beschäftigt sind, die Wahrscheinlichkeiten auf Erfolg abzuwägen. Angenommen, dass Bitcoin vergleichbar mit Gold und dem US-Dollar ist, dann stünden seine Gewinnchancen aktuell zwischen ein und zwei Prozent (Bitcoins Marktkapitalisierung geteilt durch den absoluten Goldwert oder durch die M2-Geldmenge an US-Dollar.

Angenommen, dass Bitcoin eine einprozentige Chance hat, zu einer globalen Währung oder einem globalen Wertaufbewahrungsmittel zu werden, wäre es nicht absurd, in Betracht zu ziehen, ein Prozent der Devisenreserven einer Zentralbank hinein zu investieren, wie ein prominenter Bänker aus Ghana vor einigen Monaten vorschlug.

Es ist unwahrscheinlich, dass Kryptowährungen Fiatwährungen komplett ersetzen werden, ähnlich wie E-Mails nicht alle regulären Mails ersetzt haben - aber die beiden Währungsformen werden lernen müssen, nebeneinander und zusammen zu existieren. Der Krypto-Geist ist aus der Flasche und kann nicht wieder zurückgeschickt werden. Die Tatsache, dass Zentralbanken in Krypto investieren, könnte der erste Baustein für eine Brücke zwischen den beiden Systemen sein.

Die Ansichten und Interpretationen in diesem Artikel sind die des Autors und spiegeln nicht zwangsläufig die Meinungen von Cointelegraph und der Weltbank wieder.

Vincent Launay ist ein Finanzspezialist bei der Weltbankgruppe in Washington DC. Er hat einen MSc in Finance von der HEC Paris und eine Charta der CFA.