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Der Großteil der weltweiten Finanzmärkte ist heute streng reguliert und aus diesem Grund wird Betrug immer seltener. Unternehmerische Betrüger wenden sich einer Fintech-Innovation zu, die aktuell nicht reguliert ist - den Kryptowährungen.

Im Wesentlichen hat ein Krypto-Betrüger das Ziel, "nichtsahnende Investoren" davon zu überzeugen, gefälschte Coins zu kaufen, indem sie Fiat-Währungen oder Kryptowährungen überweisen. In dieser Kolumne konzentrieren wir uns nur auf den sogenannten "ICO-Exit"-Betrug und nicht auf Diebstähle, Hackangriffe oder Schneeballsysteme.

Wir bezeichnen ein Projekt nur dann als Betrug, wenn das Geld, das während eines Pre-ICO oder ICO gesammelt wurde, nachweislich gestohlen wurde und das Team verschwunden ist. Das bedeutet, dass der Betrug von vornherein geplant war und der Diebstahl von Investoren-Geldern beabsichtigt war.

PlexCoin (12,1 Mio. Euro)

Die PlexCoin-ICO wurde im Dezember 2017 von der US-Wertpapier- und Börsenkommission (SEC) gestoppt. Dies war die Reaktion auf eine offizielle Beschwerde, dass der Gründer Dominic Lacroix amerikanische und kanadische Investoren betrügt. In dieser Beschwerde hieß es, dass Lacroix eine astronomisch hohe Rendite von 1.354% (die von der SEC als nicht umsetzbar eingestuft wurde) ankündigte und eine Gruppe gefälschter Experten präsentierte, um sein Projekt echt aussehen zu lassen. Zusätzlich versuchte er, früheren Finanzverbrechen zu vertuschen. Unter diesen Verbrechen findet sich auch die Täuschung von Investoren durch Mikrokreditgeschäfte.

Die SEC hat die gesamten 12,1 Mio. Euro eingefroren, die mit dem ICO seit dem Start im August 2017 gesammelt wurden. Lacroix kam in Untersuchungshaft und die Muttergesellschaft von PlexCoin wurden zu einem Bußgeld von 100.000 US-Dollar (ca. 81.000 Euro) verurteilt. Etwa 658.000 Euro lagen noch beim Zahlungsverarbeitungsunternehmen Stripe. Der Rest des Geldes wurde in verschiedenen Krypto-Wallets von Lacroix gefunden. Es ist unklar, welche Straftaten Lacroix genau vorgeworfen werden und was mit dem Geld aus seinen Wallets passiert. PlexCoin war jedoch einer der größten versuchten ICO-Exit-Betrügereien in der Geschichte. Doch dieser wurde glücklicherweise im Keim erstickt.

Benebit (2,1 Mio. Euro - 3,2 Mio. Euro)

Benebit behauptete, ein Blockchain-Token-System zu verwenden, um Kundenbindungsprogramme, wie zum Beispiel Vielfliegermeilen, an einen gemeinsamen Ort zu bringen. Dieser ICO hat alle Möglichkeiten genutzt, um sich als legitim darzustellen. Darunter waren ein moderierter Telegram-Kanal mit über 9.000 Mitgliedern, ein Marketingbudget von über 400.000 Euro und Werbeveranstaltungen für den Token-Vorverkauf. Mit einem neuartigen Konzept, einem seriös klingenden Weißbuch und einigen gut angelegten Marketing-Budget konnte das Benebit-Team einen großen Hype erzeugen. Investoren begannen dann auch zu kaufen.

Die Dinge nahmen jedoch eine negative Wendung, als jemand bemerkte, dass die Fotos des Teams von einer britischen Jungenschule gestohlen worden waren. Die Passangaben der "Gründer" waren allesamt falsch. Nach dieser Enthüllung begann das Team hinter dem Betrug damit, alles, was mit Benebit zu tun hatte, herunterzunehmen. Darunter waren auch die Website, das Weißbuch und das Social-Media-Konto. Es gibt unterschiedliche Schätzungen. Doch man geht davon aus, dass die Betrüger mit mindestens 2,1 Millionen Euro beziehungsweise mit bis zu 4 Mio. Euro davongekommen sind.

Opair und Ebitz (2,3 Mio. Euro)

Eine motivierte Gemeinschaft von Kleininvestoren, die Geld in Opair und Ebitz investiert haben, versuchen einen mysteriösen Entwickler aufzuspüren, der nur als Wasserman bekannt ist. Dieser steckt offenbar hinter zwei ICO-Betrügereien, die insgesamt 388 BTC erzielten.

Opair hat ein dezentrales Debitkartensystem mit seinem eigenen Token XPO beworben. Als die Nutzer feststellten, dass die LinkedIn-Profile von einigen Leuten aus dem Team falsch waren und Opair daraufhin schnell von der Bildfläche verschwand, hatte dieser ICO im Sommer 2016 bereits knapp 190 BTC gesammelt.

Amateur-Ermittlungen, die von betrogenen Anlegern durchgeführt wurden, ergaben, dass die Mail-Server für Ebitz in die Domain von Opair umgeleitet wurden. Dieser entpuppte sich mit einigen kleinen Änderungen als Klon von ZCash. Das Team war eine selbsternannte "Gruppe von ethischen Hackern", die hoffte, 500 BTC durch ihren ICO zu sammeln, der am 28. November 2016 begann. In zwei Tagen entdeckten Nutzer von BitcoinTalk die zwielichtige Verbindung der MX-Datensätze von Ebitz mit Opair.

Die Ebitz-Website wurde zwar bald darauf heruntergenommen, doch der ICO schaffte es, etwa 200 BTC zu sammeln, bevor er verschwand; doch viele Benutzer mutmaßen, dass die BTC hauptsächlich von den Entwicklern stammten, um ein "gefälschtes Volumen" zu präsentieren. Oder um den Eindruck zu vermitteln, dass viele Leute bereits in das Projekt investiert hatten, um das Vertrauen zu erhöhen und andere Investoren dazu zu bringen, ihren Token zu kaufen.

REcoin and DRC (243.000 Euro)

Auf den ersten Blick haben der REcoin (Real Estate Coin) und der DRC (Diamond Reserve Club) versucht, etwas Ehrgeiziges und Wagemutiges zu tun - eine Kryptowährung zu schaffen, die durch reale Vermögenswerte - nämlich Immobilien und Diamanten - gedeckt ist. Ihr Gründer Maksim Zaslavskiy behauptete, dass beide Start-Ups voll mit Personal besetzt seien, eine Rechtsanwaltskanzlei zur Seite hätten und bereits Beziehungen zu Einzelhändlern und Investoren pflegen würden - nichts davon stimmte.

Die SEC behauptet, dass weder REcoin noch DRC "echte Betriebe" hätten, dass beide Start-Ups ihr Gesamtinvestitionsvolumen falsch dargestellt hätten und keines der vorgeschlagenen Projekte irgendwelche Token oder auch nur irgendetwas mit Blockchain zu tun hätten. Die SEC entschied, dass REcoin und DRC keine ICOs sondern in Wahrheit Wertpapiere waren, was am 29. September 2017 zu Zaslavskiys Verhaftung führte. Nach Angaben der SEC gelang es Zaslavskiy, etwa 243.000 Euro zusammen zu kriegen, bevor er erwischt wurde. Und das obwohl er anfänglich behauptete, dass die beiden ICOs insgesamt über 1,6 Millionen Euro eingebracht hätten.

PonziCoin (203.000 Euro)

Ja, PonziCoin ist tatsächlich eine Kryptowährung. Und ja, ein paar sehr naive Leute haben ihr Geld verloren, nachdem sie in diese investiert hatten. Noch erstaunlicher ist, dass der jüngste PonziCoin, der sich selbst als "das erste legitime Ponzi-Schema der Welt" bezeichnet, eigentlich der zweite PonziCoin ist. Der erste kam 2014 heraus und machte sich mit etwa 5.700 Euro an Kryptowährung davon. Nach Schätzungen könnte diese heute mehr als 1,6 Mio. Euro wert sein.

Ein weiteres PonziCoin-Projekt erschien 2017 unter Verwendung derselben Webadresse.

Ursprünglich als Gag gedacht, wurde auf der Website öffentlich und offen zugegeben, dass es sich um einen Betrug handelte. Das hat jedoch ein paar Investoren nicht davon abgehalten, Geld in das "Produkt" zu investieren. Insgesamt hat dieses Projekt, das offen zugegeben hat, ein Betrug zu sein, über 202.000 Euro gesammelt. Und daraufhin ist der "Gründer", ganz "überraschend", mit dem Geld davongelaufen (wobei er verblüfft war, dass irgendjemand überhaupt investieren würde, angesichts der Offenheit und Ehrlichkeit).

Sechs Fragen, die Sie sich stellen sollten

ICO-Exit-Betrügereien profitieren in der aktuellen Umgebung auf unglaubliche Weise. Dazu tragen riesige Gewinne, ein überwältigender Hype und die Zeitbeschränkung von ICOs bei. Diese geben Investoren das Gefühl, dass sie schnell investieren müssen, um ein gutes Geschäft nicht zu verpassen. Egal ob Sie gerade erst anfangen oder ein erfahrener Investor sind. Jede einzelne Entscheidung muss gründlich analysiert werden - nichts ersetzt die Sorgfaltspflicht. Wenn Sie in einen ICO investieren möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Schritte:

  1. Lesen Sie das Weißbuch gründlich. Macht das Konzept in ihren Augen Sinn?
  2. Welches Problem löst dieses Produkt? Macht es als Geschäft Sinn?
  3. Schauen Sie sich das Team und deren Erfahrung genau an. Kontaktieren Sie die Vertreter und stellen Sie schwierige Fragen. Haken Sie bei deren Hintergrund nach und sehen Sie sich LinkedIn-Profile und vorherige Tätigkeiten an. Hilfreicher Tipp: Betrüger nutzen manchmal falsche Bilder. Die Bildersuche bei Google wirkt in so einem Fall Wunder.
  4. Schauen Sie in Foren nach, um einen Einblick darüber zu bekommen, was die Kryptowährungs-Community über das Projekt sagt. Viele Leute dort waren bereits Opfer von ICO-Betrügereien und haben deshalb ein besser geschultes Auge für Warnsignale.
  5. Stellen Sie sicher, dass der ICO einen bewährten Treuhänder beauftragt, der sich um die Gelder aus dem ICO kümmert. Ein Treuhänder wäre eine zusätzliche Schutzschicht und stellt sicher, dass Sie zumindest die versprochenen Token vom ICO bekommen, bevor Sie sich von Ihrem hart verdienten Kapital trennen.
  6. Sehen Sie sich an, was Bewertungsunternehmen über den ICO sagen. Wenn das neue Projekt noch keine Bewertung hat, ist es höchstwahrscheinlich ein Betrug. Sehen Sie sich auch die Risiko-Bewertungen an und vergleichen Sie diese.

Wir glauben, dass Kryptowährungen die Zukunft sind und dass die aktuelle Phase der Unsicherheit nur vorübergehend ist. Es wäre dennoch empfehlenswert, Vorsicht und Aufmerksamkeit walten zu lassen, bevor man sein hart verdientes Fiatgeld oder Kryptowährungen in neue riskante Projekte steckt.

Die Ansichten und Interpretationen in diesem Artikel sind die des Autors und stellen nicht zwangsläufig die Ansichten von Cointelegraph dar.

Brian Kean ist der Leiter des Büros für Geschäftsentwicklung bei der Investment-Bewertungsagentur ICORatin. Er hat eine breitgefächerte Erfahrung mit Investmentfinanzierung und Kommunikation im Einzelhandel weltweit.