Barry Eichengreen, ein Wirtschaftsprofessor der renommierten amerikanischen Universität Berkeley, ist der Meinung, dass die geplante Facebooks Kryptowährung Libra vor zu vielen „unlösbaren“ Problemen steht und zu viel Gegenwind von den Regierungen bekommt, um jemals auf den Markt zu kommen.

„Libra ist eine interessante Idee, die niemals das Licht der Welt erblicken wird“, wie er dementsprechend am 10. Juli im Rahmen der Unitize Online-Konferenz prognostizierte.

Eichengreen begründet seine Skepsis mit der Feststellung, dass die Herausgeber sogenannter Stablecoins, also von Kryptowährungen, die durch die Anbindung an eine Landeswährung die namensgebende (Wert-)Stabilität erhalten, nur begrenzte Kenntnisse im Bereich der Geldökonomie haben. Seine eigene Expertise habe deshalb „zu einer Reihe von Mittagessen in noblen Restaurants in San Francisco“ geführt, bei denen er mit den Gründern und Geldgebern geplanter Stablecoin-Projekte zusammensaß.

„Meine Schlussfolgerung war, dass meine Tischnachbarn zwar alles über Blockchain wussten, aber nicht viel über Geldwirtschaft“, so Eichengreen. Dabei betont er, dass ihnen deshalb unklar war, dass es in der Vergangenheit spekulative Attacken auf Währungen gab, die an fixe Wechselkurse angebunden sind.

So erklärt Eichengreen:

„Stablecoins sind entweder zerbrechlich und anfällig für Angriffe, wenn sie nur zum Teil an Währungen wie den US-Dollar angebunden bzw. von diesen gedeckt sind, oder sie sind viel zu teuer in der Skalierung, wenn sie tatsächlich vollumfänglich durch Vermögen in Form einer Währung gedeckt sind.“

Sind Libra-Fans naiv?

Während viele Experten Libra gar das Potenzial attestieren, das bestehende Finanzsystem revolutionieren zu können, ist Eichengreen hingegen völlig anderer Meinung und betont, dass der Facebooks Stablecoin trotz der am Projektentwurf in diesem Jahr getätigten Änderungen noch von zahlreichen „unlösbaren“ Problemen geplagt ist.

Darüber hinaus sieht der Experte massive Bedenken auf Seiten von Regierungen, die befürchten müssen, dass Libra die Wirksamkeit ihrer nationalen Geldpolitik unterwandert. Dies drohe allen voran in Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen die Bevölkerungen ihren volatilen Landeswährungen abschwören und stattdessen auf den globalen Libra Dollar umsteigen würden.

Zudem vermutet Eichengreen, dass die Abdeckung von Libra über die Transaktionsgebühren refinanziert wird. Da hohe Transaktionsgebühren allerdings die Adoption der Kryptowährung erschweren würden, „werden die Transaktionsgebühren niedrig gehalten, was allerdings fraglich macht, ob der Kapitalpuffer zur Abdeckung ausreicht“.

Eigene Zentralbank?

„Libra wird eine Art Zentralbank brauchen, wenn die Märkte, in denen sie gehandelt wird, stabil sein sollen“, wie der Ökonom in Anspielung auf mögliche Derivate des Stablecoins meint.

„Die Regierungen der verschiedenen Länder werden die Gründung einer Facebook-eigenen Zentralbank jedoch nicht gutheißen“, so Eichengreen weiter.

Dementsprechend kommt er zu dem Schluss:

„Es gibt also viele große Fragezeichen, die zunächst noch beantwortet werden müssen, damit dieses Projekt überhaupt an den Start gehen kann. Letztendlich denke ich aber, dass einige dieser Probleme unlösbar sind.“