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Die Ansichten und Interpretationen in diesem Artikel sind die des Autors und spiegeln nicht zwangsläufig die Meinungen von Cointelegraph wieder. Jedes Investment birgt Risiken und Sie sollten eigene Recherchen anstellen, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Der Text sollte nicht als Rechts- oder Anlageberatung betrachtet werden.

Transaktionen mit Kryptowährungen werfen interessante Fragen und Bedenken im Steuerbereich auf. Das Angebot an elektronischen Waren und Dienstleistungen hat Auswirkungen auf den Bereich der Verbrauchersteuer, die in der Europäischen Union durch die Einführung des Mehrwertsteuersystems harmonisiert wurde. Nach der vor kurzem von der portugiesischen Steuerbehörde (PTA) erlassenen Steuervorschrift werden in diesem Artikel die Auswirkungen von Kryptowährungen, Token und Initial Coin Offerings (ICO) auf die Mehrwertsteuer erörtert.

Über die Natur von Token und das Mehrwertsteuersystem

Token spielen eine essentielle Rolle für ICOs, wo Token als ein Tauschmedium mit ähnlichen Funktionen wie treuhänderische Währung verwendet werden, wie z.B. Bitcoin (Währung oder Werttoken). Allerdings können Token auch in diversen anderen Kontexten verwendet werden und die von Smart Contracts definierten Funktionalitäten ausüben. Insofern können sie diverse Funktionen verkörpern und charakterisieren sich nach den spezifischen Umständen ihrer Umgebung. Token können beispielsweise als Smart Contracts mit einem Bezug zu Finanzinstrumenten und Wertanlagen genutzt werden, einschließlich Aktien, Kredite und Derivate (Wertpapiere und Eigenkapitaltoken). Darüber hinaus können sie Zugriff auf ein Produkt oder eine Leistung geben oder einen Beitrag oder die Teilnahme an einem bestimmten Job (Anwendungs- oder Arbeitstoken; Nutzungstoken) ermöglichen und korrespondieren eventuell auf eine zugrunde liegende, physisches Wertanlage wie etwa Gold oder Immobilien (Wertanlagetoken).

Gemäß den Mehrwertsteuergesetzen hängen die Anwendbarkeit der Mehrwertsteuer (MwSt.), die Haftung und die Mehrwertsteuerbefreiung von der Art der Waren oder der zu liefernden Dienstleistungen sowie bestimmten anderen Umständen ab, z. den involvierten Parteien bei der Transaktion. Da Token für verschiedene Zwecke verwendet werden können, unterscheiden sich die Implikation der Mehrwertsteuer je nach Merkmalen, Funktionalitäten und endgültiger Verwendung des Token. Darüber hinaus sind die MwSt.-Implikationen für virtuelle Produkte wie elektronische Güter und Leistungen bisher zu einem gewissen Grad uneindeutig und lassen Raum für Interpretationen. Aufgrund dieser Rechtsunsicherheit hat die PTA kürzlich eine verbindliche Steuerentscheidung (nur in portugiesischer Sprache) erlassen, die sich mit der Mehrwertsteuerpflicht eines Token im Rahmen eines ICOs befasst.

Steuervorbescheid der portugiesischen Steuerbehörde

Der Antrag auf Steuererklärung stammt sogar von einem ICO und der fragliche Token, der auf Ethereum-Basis erbaut worden war, wurde als "Bitcoin-ähnlich" beschrieben. Die wenigen bereitgestellten Informationen deuten darauf hin, dass er am ehesten einem Nutzungstoken ähnelt. Die essentielle Frage, die der Antrag aufgeworfen hat, ist, ob die Mehrwertsteuerbefreiung auf den Token zutrifft, wenn die vorhergesehene Befreiung für Transaktionen mit Währungen, Banknoten und Münzen als legale Tender angewendet wird. Weitere offene Fragen im Bezug auf die Mehrwertsteuer betrafen die Erbringung von Leistungen über eine elektronische Plattform sowie die Registrierung im Mini-One-Stop-Shop ("MOSS").

Die PTA kam zu dem Schluss, dass Transaktionen, die einen Token involvieren, grundsätzlich als belastende Warenübertragung von Waren angesehen werden können und somit der Mehrwertsteuer unterliegen. Ungeachtet dessen bestätigte die Steuerbehörde, dass der Transfer von Token von der Mehrwertsteuer befreit werden kann, wenn dieser als eine Transaktionen mit Bargeld, Banknoten und Münzen, die als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet werden, vorgesehen ist. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass die Mehrwertsteuerbefreiung nur zutrifft, wenn der Token-Transfer eine alternative Zahlungsform darstellt. Anders gesagt, man sollte sein Augenmerk auf die Charakteristiken und Funktionen der betroffenen Token richten, was in der Regel eine Einzel-Fallanalyse erfordert. Zuletzt überlegt die PTA, ob eine Mehrwertsteuerbefreiung auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten anwendbar ist, da die Mehrwertsteuer ein harmonisiertes System bildet.

Die von der PTA vertretene Auffassung steht im Einklang mit der früheren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Hedqvist-Fall (C-264/14), in welchem der EuGH befand, der Austausch von traditionellen Währung für Bitcoins und vice versa bilde ein Leistungsangebot nach dem Mehrwertsteuergesetz. Die fraglichen Dienstleistungen wurden als eine Ausnahme von der Mehrwertsteuer angesehen, mit Ausnahme legaler Tender. Es sollte angemerkt werden, dass der EuGH seine Entscheidung auf den allgemeinen Rechtsgrund stützt (im speziellen Anwendungsfall), dass die "virtuelle 'Bitcoin'-Währung" keinen anderen Zweck hat, als als Zahlungsmittel zu dienen", was ebenfalls auf die Notwendigkeit einer Einzelfallanalyse hindeutet.

Im Bezug auf das Angebot elektronischer Services sagt die PTA im Einklang mit dem portugiesischen Mehrwertsteuergesetz, dass die elektronische Darbietung von Leistungen steuerpflichtig im Land des Erhaltenden ist, egal ob dieser einen Einzelkonsumenten (B2C) oder ein Unternehmen (B2B) repräsentiert und egal, in welchem Land der Verkäufer sitzt. Folglich muss der Lieferant die Mehrwertsteuer auch dann ermitteln, wenn der Erwerber in einem anderen Staat ansässig ist. Abgesehen von der Möglichkeit, sich in jedem Staat registrieren zu lassen, den ein Dienstleister bedient, kann sich der Lieferant auch bei MOSS registrieren, wodurch alle Umsatzsteuerpflichten in einem EU-Mitgliedstaat erfüllt werden können.

Weitere Steueraspekte: Einkommensteuerbefreiung beim Verkauf von Kryptowährungen

Zusätzlich zu den oben diskutierten Problemen bei der Mehrwertsteuer haben Kryptowährungen in Portugal weitere steuerliche Fragen aufgeworfen. Die PTA hat bereits früher eine Steuerentscheidung (nur in portugiesischer Sprache) über die Besteuerung von den Gewinnen beim Verkauf und Kauf von Kryptowährungen veröffentlicht. Cointelegraph berichtete, dass gemäß dieser Entscheidung die portugiesische Einkommensteuer nicht auf Verkaufsgewinne von Kryptowährungen angewendet werden kann, sofern der Verkauf nicht im Rahmen einer geschäftlichen Tätigkeit erfolgt, da keine Einkommenskategorie abgedeckt wird. So gab es damals keine legale Basis in Portugal für die Einkommenssteuer auf Kryptogewinne unter solchen Umständen. Allerdings ist die Einkommenssteuer anders als die Verbrauchersteuer nicht überall in der EU harmonisiert. Insofern haben die veröffentlichten Angaben der PTA in Bezug auf Einkommensbesteuerungen und Kryptowährungen hauptsächlich nationale Auswirkungen.

Rogério M. Fernandes Ferreira, Gründungspartner bei RFF & Associados - Steuer- und Wirtschaftskanzlei, ehemaliger Staatssekretär für Steuerangelegenheiten in Portugal

Jorge S. Lopes de Sousa adv. adv.LL.M. im internationalen Steuerrecht, Master in Steuerrecht, Gastdozent an der Universität Porto