Disclaimer: Die Ansichten in diesem Artikel sind die des Autors und spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung von Cointelegraph.com wider.

Heutzutage kann jeder einen Smart Contract auf Basis der Ethereum-Blockchain entwerfen und seine eigenen Token herausgeben. Bis vor kurzem war die Implementation eines bestimmten Coins ausschließlich dem Entwickler des besagten Coins vorbehalten. Der Prozess war eher experimenteller Natur und wurde oft von einer Reihe Problemen begleitet - einschließlich dem Einfrieren von Investorengeldern, Hacker-Angriffen auf Contracts oder unvorhersehbare Netzwerkoperationen.

In dieser "Wilder Westen" - Atmosphäre werden permanent neue Ethereum-Protokolle erschaffen, um die Fehler vorhergegangener Versionen zu korrigieren. Vielleicht wird eine davon Ende des Jahres den ERC20-Standard ersetzen und die Blockchain noch zuverlässiger und einfacher für seine Nutzer machen.

ERC20: Der König der dApps

Nutzerfreundliche Logistik und vereinfachte Strukturen haben Ethereum in ein Rahmenwerk mit hoher Nachfrage verwandelt: beinahe 83 Prozent aller Projekte entscheiden sich für die Ethereum-Blockchain als zugrunde liegende Struktur.

Bildquelle: ICOWatchList

Mehr als ein Dutzend der großen Token basieren auf dem ERC20-Standard und rund 400 neue Coins werden jeden Tag ausgegeben. Auch wenn diese Figuren vielleicht surreal klingen, das Coinmarketcap-Rating und der Ethereum Token-Chart verdeutlichen, dass sich die Gesamtmarktkapitalisierung dieser Token auf knapp 44,67 Mrd. Euro beläuft. Darüber hinaus wirkt der Prozess komplett unkontrolliert, da keine Gesetze existieren, um die Frequenz oder die Initiatoren zu regulieren.

Bildquelle: Ethplorer

Eventuell stolpern Sie häufiger über die Referenz "ERC20", wenn sie Informationen zu Ethereum (ETH) lesen. ERC20 ist ein Standard, der habituell und häufig auf der Ethereum-Plattform verwendet wird. Wikipedia erteilt dem Standard die folgende (übersetze) Definition:

"ERC steht für Ethereum "Request for Comment" (etwa "Anfrage auf Kommentar"), und 20 ist die Nummer, die dieser Anfrage zugewiesen wurde."

Der ERC20-Standard wurde erstmals im Jahr 2015 eingeführt. Auch wenn er aktiv zunächst nur von Programmierers genutzt wurde, ist er in den letzten zwei Jahren weitläufig adaptiert worden. Der Standard beschreibt die Regeln für die Kreation und Operationsweise von Coins, die auf seiner Basis entwickelt werden. Solche Spezifizierungen stellten eine innovative Lösung in der Krypto-Sphäre dar, da es davor keinerlei uniformierte Programmierstandards gab. Außerdem löste er das Hauptproblem, das den Erschaffern neuer Token stets im Weg stand:

Vor der Einführung dieses Standards waren alle Coins vor ihrer Vorstellung absolut einzigartig, was die Arbeit von Tauschbörsen sowie von Wallets und anderen Applikationen, die mit den Token interagieren, deutlich erschwerte. Jedes Mal mussten Entwickler eine Schicht der Software abändern oder hinzufügen, damit der neue Coin zuverlässig arbeiten konnte und mit den eigenen System kompatibel wurde.

2017 fing man an, den ERC20-Standard dank der Uniformität des Codes und der vereinfachten Integration mit diversen Apps und Plattformen überall zu nutzen. Dies trieb das explosionsartige Wachstum von ICO-Startups (Initial Coin Offering) an, da sie nun die nötigen Werkzeuge besaßen, um Börsen zu betreten und Liquiditätsprobleme zu überwinden.

Bildquelle: Smith&Crown

Direkt nach der Implementation stieg die Anzahl an ICO-Startups im Kryptowährung-Markt substantiell mit beinahe 86.000 herausgegebenen Token bis Mai 2018. Dies ist nicht überraschend, da Projekte keine eigenen Spezifizierungen und Regel mehr für die Herausgabe und Operationsweise ihrer Token entwickeln müssen, ganz zu schweigen von der Vereinbarkeit mit anderen Blockchains. All das wurde bereits im ERC20-Standard beschrieben, mit der Einführung von 6 Hauptfunktionen:

  • Gesamtmenge an Coins;
  • Anzahl an Coins in der Bilanz einer spezifischen Adresse;
  • Funktionen für den Transfer von Token von der Primäradresse zu der Adresse eines individuellen Nutzers oder ICO-Teilnehmers;
  • Funktionen für den Transfer von Token zwischen Nutzern;
  • Funktionen für die Überprüfung der Restmenge an Token auf einem Smart Contract mit der Möglichkeit, Fonds abzuheben;
  • Funktionen, die sicherstellen, dass der Sender genug Token besitzt, um die Transaktion am Ende des Sendevorgangs abzuschließen.

Smart Contracts: Die Geburt einer neuen Wirtschaft

Das Geheimnis des Erfolges des ERC20-Standards war die Einführung von Smart Contracts. Auch wenn die Basisprinzipien von Smart Contracts bereits in der Bitcoin-Blockchain implementiert wurden, waren deren Fähigkeiten deutlich limitiert und unzureichend für die Kreation von Token für individuelle dApps. Darum kann Ethereum als die erste Plattform betrachtet werden, die das Konzept von Smart Contracts vollständig entwickelte und implementierte.

Bildquelle: Openxcell.com

Die Hauptidee hinter einem Smart Contract ist folgende: wenn ein Nutzer Token an die Adresse des Empfängers sendet, wird die Adressbilanz des Senders um die Menge reduziert, wie die Adressbilanz des Empfängers steigt. Was ist so besonders daran? Niemand verschickt technisch gesehen irgendwas an irgendwen. Im Grunde wird der Smart Contract über den Bilanzwechsel des Besitzers einer definierten Menge an Token informiert. Als Resultat verschwinden Token auf der Wallet des Senders und tauchen in der Adresse des Empfängers auf. Dank diesem System, müssen Nodes in dem Netzwerk nicht mehr ständig die Datenbank checken. Alles, was sie noch tun müssen, ist die Richtigkeit der Vertragsbedingungen zu verifizieren, da die Parteien - der Sender und der Empfänger - ausschließlich durch Smart Contracts miteinander interagieren.

Ruf nach Veränderung

Da der ERC20-Standard die erste Version des Ethereum-basierten Protokolls darstellt, wurden über die Zeit einige Probleme und Unzulänglichkeiten ersichtlich. Nutzer schickten ihre Token beispielsweise versehentlich an die Adresse eines Smart Contracts und eine Umkehrung der Transaktion war unmöglich, da die Standardimplementation des ERC20-Token zwei Arten des Token-Transfers involviert:

  • Die Transferfunktion, welche es ermöglicht, Token von einer Adresse an eine andere zu schicken;
  • Eine Kombination von Funktionen (approve + transferFrom) für das Senden von Token an einen Smart Contract.

Es sollte angemerkt werden, dass die Ereignisverarbeitung eine bekannte Standardpraxis im Programmieren darstellt. Der Transfer von Geldern in dem Ethereum-Netzwerk funktioniert folgendermaßen: der Transfer wird mit der Möglichkeit auf Fehlererkennung prozessiert. In diesem Fall wird eine Transaktion als vollständig abgesegnet, wenn der Transfer ohne Fehlermeldungen durchgeführt wurde. Ansonsten bricht der Smart Contract die Transaktion ab. Wenn Sie ETH an einen Smart Contract senden, der anders arbeitet, hilft die Ereignisverarbeitung dabei, den Verlust von Geldern zu vermeiden, da die Transaktion von der Empfängerseite her abgelehnt wird.

Laut dem ERC20-Standard werden Token-Transmissionen als Ereignis angesehen, aber die Transferfunktion erlaubt es nicht, die Transaktion zu verarbeiten, da sich die Empfängerbilanz ohne Vorabsicherung erhöht. Das kann Probleme verursachen, wenn der Contract die Transaktion nicht erkennt, da der Empfänger ein Smart Contract ist, aber die Token über die Transferfunktion gesendet wurden. Das führt zu unerwartetem Verhalten der Transferfunktion und unvorhersehbaren Ergebnissen - z.B. können die Token verloren gehen oder permanent eingefroren werden.

Wie haben die Erschaffer von Ethereum dieses Problem beseitigt? Die Antwort war einfach - die Entwickler, die die "approve and transferFrom"-Funktion vorstellten, gaben dem Nutzer das Recht, dem Smart Contract zu ermöglichen, auf die eigene Bilanzposition zuzugreifen, wenn eine Transaktion gesendet wird. Seitdem wurden alle Fehler ausgeschlossen.

Es sollte angemerkt werden, dass die Entwickler selbst, dies nicht als Fehler an sich betrachten.

Das ist kein Bug, sondern ein Nutzerfehler. Es ist kein Bug oder Schwachstelle, es ist ein Feature des Standard-ERC20-Designs.

Doch das Problem existiert weiterhin - mit mehr als 3,4 Mio. Euro, die ICO-Teilnehmer allein im letzten Jahr verloren. Ein bedeutendes Beispiel ist der Smart Contract des EOS-Token-Verkaufes, der über 1,78 Mio. Euro von Nutzern erhielt, die ihre Gelder nicht wiederherstellen konnten.

Zu den Contracten, die Fonds von Investoren in die eigene Tasche steckten, gehört auch Tronix mit 339.700 Euro, Golem und ZRX mit jeweils über 170.000 Euro und OmiseGo, der bis heute mehr als 127.400 Euro eingefroren hat. Es scheint, das neue Nutzer nicht von den alten Fehlern anderer gelernt haben.


ERC223: Behebung von ERC20-Fehlern

Erschaffer: Dexaran

Typus: Standard-Token

Um die Unzulänglichkeiten der Erstversion des Ethereum-Protokolls zu beheben, hat ein Nutzer namens Dexaran den ERC223-Standard entwickelt, der ERC20-Token zwingt, sich so zu verhalten, wie wenn ETH zu Smart Contracts transferiert wird. Wenn jetzt ein Fehler in der Transferfunktion auftritt, wenn der Smart Contract die Kryptowährung nicht unterstützt, wird die Transaktion abgebrochen. Dafür wurden neue Funktionen eingebaut:

  • Die Transferfunktion ersetzte die alten Transfern und transferFrom;
  • die tokenFallBack-Funktion für den Ziel-Smart-Contract, der den Typ des gesendeten Coins bestimmt.

Neue Standards für Token werden des Öfteren vorgeschlagen. Als eine Regel gilt hier, dass diese vorsichtig von der Krypto-Gemeinschaft und Blockchain-Entwicklern untersucht werden. Die meisten sind wenig bekannt, aber einige haben trotzdem das Potenzial ERC20 zu ersetzen.

ERC721: Cryptokitties und andere Kollektionen

Erschaffer: Dieter Shirley

Typus: Sammlertoken

Token, die mit der Hilfe des ERC20-Standards entwickelt wurden, sind miteinander austauschbar. Das heißt, dass jeder Token genau wie der andere ist. Wenn sie als Währung betrachtet werden sollen, ist diese Eigenschaft schlicht nötig, aber aus Sicht eines "Kryptowährung-Sammlers" passt solch ein Token erst recht nicht.

Dank ERC721 wird jeder Token einzigartig. Mike Raitsyn, ein Mitgründer der SnowFox-Plattform, die Projekten mit der Herausgabe von mehr als 30 Token - einschließlich ERC721 - geholfen hat, sieht Potenzial in dieser Art von Protokoll:

"Kombiniert mit Zweitschicht-Skalierungslösungen (sharding, Plazma und State Channels) erzielen wir das ultimative Vehikel, um jede bedeutende Wertanlage auf einer öffentliche (oder meinetwegen Hybrid-artige) Blockchain mit 100-Prozent Unveränderlichkeit und Sicherheit zu platzieren."

Die Entwickler des Onlinespiels CryptoKitties, das auch als "Ethereums Untergang" bekannt ist, waren unter den ersten, die diesen Standard anwandten. Es basiert auf der Nutzung einzigartiger Attribute: Alter, Farbe und Rasse. Einige Kombinationen von Attributen können unfassbar selten werden, was die Katzen extrem teuer macht. Wenig überraschend wurde die Idee von anderen Entertainmentprojekten wie CryptoPuppies, CryptoPets und sogar CryptoPunks übernommen.

ERC827: Der neue ERC20

Erschaffer: Augusto Lemble

Typus: Standard-Token

ERC827 ist eine der neusten Versionen des Ethereum-Protokolls und wurde vom Blockchain-Journalisten Dariusz R Jakubowski als "der neue ERC20" bezeichnet. Anders als seine Vorgänger kann der Standard nicht nur die Kosten transferieren, sondern auch die Transaktionsdaten. Entwicklern gelang es, diese nützliche Funktion in ein relativ kleines Codefragment von weniger als 100 Linien einzubinden. Diese Funktion eröffnet neue Horizonte für die Nutzung des Ethereum-Netzwerken von nationalen Dimensionen und ermöglicht es, Daten innerhalb von Sekunden rund um die Welt zu schicken. Darüber hinaus erlaubt der Standard die Verifizierung einer Transaktion durch eine Drittpartei, beispielsweise einen Broker oder Agenten, ohne Zugriff auf einen Private Key. Die Sicherheit und Verlässlichkeit der Blockchain bleibt unterdessen unverändert.

ERC948: Ein Paradies für "B2C"-Geschäftsmänner

Erschaffer: Kevin Owocki

Typus Token auf Verschreibung

Das "Verschreibungsmodell" ist im letzten Jahr mit über 11 Mio. Kunden in der digitalen Welt extrem beliebt geworden. Laut einer McKinsey-Studie hatten im Jahr 2017 15 Prozent aller Käufer ein E-Handelsabonnement.

Das ERC948-Protokoll gibt Entwicklern die Möglichkeit, eine Plattform zu entwickeln, auf der Unternehmen Wirtschaftsmodelle effektiv umsetzen können, die sich im Einzelhandel und der Softwareindustrie in dem vergangen Jahrzehnt als profitable erwiesen haben- Darüber hinaus wird das Verschreibungsmodell 2018 eventuell weiterverbreitet, indem es Blockchain-Projekte mit deren Kunden vereint.

ERC884: "White List" für Investoren

Erschaffer Dave Sag

Typus: Standard-Token

Basierend auf einem Gesetzesentwurf erlaubt das Allgemeine Aktiengesetz von Delaware (DGCL) offiziell die Nutzung von Blockchains für die Registrierung von Anteilseignern. ERC884 wurde für Wertanlagen erschaffen, die von einer öffentlichen oder privaten Firma in Delaware herausgegeben werden und enthält diverse Zusätze, die über die Fähigkeiten des ERC20 hinausgehen. Dies beinhaltet die Anforderung, die Besitzer von Token als integralen Bestandteil des Tokens zu identifizieren und auf die White List oder "Positivliste" zu setzen.

Evaluation von Protokollen

Der steigende Wettbewerb zwischen führenden Kryptowährungen treibt die evolutionsartige Entwicklung von neuen Protokollen voran. Jeder neue Standard für Ethereum-Token bieten ein neues, weiterentwickeltes Set an Funktionen, das die alten hinter sich lässt. Die Einführung dieser neuen Standards ermöglicht es Entwicklern, den Rückstand von Schwachstellen, Missbrauch oder Ineffizienz zu beheben und immer reifere Blockchain-basierte dApps hervorzubringen. 2018 bietet die Gelegenheit für neue Protokolle und nur die Zeit wird zeigen, ob die Industrie ein ERC20000 oder andere innovative Werkzeuge erleben wird, die als Resultat aus dem Kräftemessen zwischen Ethereum und EOS hervorgehen.