Das Recht tut sich schwer mit einer globalen Technologie wie Blockchain - das weiß Dr. Nina-Luisa Siedler, Rechtsanwältin und Expertin im Finanzbereich, aus erster Hand. Und wie das Recht mit der Blockchain mithalten kann, hat “Cointelegraph auf Deutsch” mit der Rechtsanwältin auf der BlockShow in Berlin diskutiert.

Seit Anfang 2016 beschäftigt sich Dr. Nina-Luisa Siedler intensiv mit der Blockchain und leitet die internationale Blockchain Competence Group bei der Kanzlei DWF in Berlin. Außerdem ist sie Gründungsgesellschafterin des Blockchain Bundesverbandes, bei dem sie die Ausschüsse Finance und Tokens/ICO leitet. Ferner ist sie in der internationalen Blockchain & Law Working Group des BlockchainHub aktiv.

Cointelegraph auf Deutsch: Wie kamen Sie auf das Thema Blockchain?

Nina-Luisa Siedler: Ich war Ende 2015 in meiner damaligen Kanzlei für das Thema Fintech zuständig (Dr. Nina Luisa-Siedler leitete bis März 2017 die deutsche FinTech Working Group von DLA Piper. - Cointelegraph) und bin zufällig über das R3-Konsortium gestolpert. Das ist ein großes Konsortium von Banken, die auf Basis der Blockchain-Technologie die Übertragung insbesondere von Wertpapieren organisieren wollen. Und ich habe mich dann näher damit auseinandersetzt. Dann hatte ich zu diesem Zeitpunkt einen persönlichen Bekannten, also den Vater von einer Freundin meiner Tochter, der selbst Entwickler war, den ich gefragt habe, ob er mir erklären kann, was diese Blockchain ist. Dann ging es los: mein Bekannter ist wirklich tief in der Blockchain-Technologie verankert und hat mir über Bitcoin und Ur-Ideen der Community erzählt.

Und dann habe ich in meinem Juristen-Hirn im Hintergrund alles bewertet: es funktioniert nicht, es geht nicht, alles ist unwirksam. Und irgendwann sagte mein Bekannter mir: “Nina, dein Recht ist einfach nicht attraktiv”. Obwohl ich weder mein Recht noch das Attribut attraktiv beim Recht zu verwenden ungewöhnlich fand, bin ich neugierig geworden. Ich habe mir gedacht: Also, damit musst du dich jetzt näher auseinandersetzen.

CT: Brauchten Sie viel technisches Verständnis, um sich als Anwältin mit diesem Thema zu beschäftigen?

NS: Man braucht eine kleine Portion Neugier und man darf auch keine Angst haben vor technischen Themen - und dann, mit gesunden Menschenverstand und wenn man ausreichend nachbohrt, versteht man, worum es geht.

CT: Die Blockchain ist - wie jede Technologie -  eher international und beschränkt sich nicht nur auf das Recht eines Landes. Wie schafft man dann, die Blockchain innerhalb des nationalen, also in unserem Fall deutschen, Rechts zu regulieren?

NS: Blockchain ist schon reguliert. Es geht nicht darum, ob wir es regulieren wollen, weil alles ohnehin reguliert ist - es gibt kein rechtsfreien Raum. Die Frage ist es, wie wenden wir die existierende Regulierung auf die Anwendungsfälle der Blockchain an. Wir schaffen keine neue Regulierung, sondern gucken, wie man die schon bestehende Rechtsrahmen an diesem Bereich anpassen kann.

CT: Wie müssen wir regulieren, damit wir nicht der Blockchain den Atem abdrücken, sondern diese Technologie fördern?

NS: Man muss sich ganz grundsätzliche Fragen stellen, die noch nicht mal notwendigerweise auf Blockchain bezogen sind, sondern mehr auf die Gesellschaftsnatur. Dann fängt man an, über bestimmte Mechanismen im Grundsatz nachzudenken. Zum Beispiel, warum darf man in den Vereinigten Staaten von Amerika nur dann als Investor im Sinne des US-Börsenrechts akkreditiert werden, wenn man ein Vermögen von mindestens 1 Million US-Dollar besitzt? In Europa gibt es auch eine hohe Mindestzeichensumme. Im Prinzip muss man zwingend ein- bis zweihunderttausend Euro in ein Investment stecken können, um mitmachen zu dürfen. Klar, das alles ist dazu gedacht, um kleine Leute zu schützen, aber ist es überhaupt das richtige Instrument? Müssen Leute vielleicht an einem Investment-Kurs teilnehmen und danach einen sogenannten Krypto-Investment-Führerschein nachweisen, um als Investor akkreditiert sein zu können? Dann ist es Menschen schon bewusst, mit welchen Risiken die Investitionen in Kryptowährungen und ICOs verbunden sind und worauf sie achten müssen. Und dann öffnet man diese Sphäre für alle, es wird jemandem erlaubt, an einer Investition teilzuhaben.

CT: Bislang halten sich die BaFin und andere Regulatoren noch auffällig zurück. Woran liegt das?

NS: Ihre Beobachtung stimmt nicht ganz, die BaFin hat sehr kompetente Mitarbeiter, die wirklich verstehen, worum es hier geht. Man kann nur kritisieren, dass die BaFin wenig mit Unternehmen kommuniziert. Es reicht nicht aus, allgemeine Richtlinien herauszugeben und die Entscheidungen über Einzelfälle auf der Webseite zu veröffentlichen. Sie müssen erklären, warum diese eine oder andere Entscheidung gefällt und nach welchen Kriterien sie getroffen wurde - im Notfall anonym -  damit wir alle gemeinsam lernen können, wie sich die Dinge weiterentwickeln.

CT:  Arbeitet Bundesverband Blockchain mit der BaFin zusammen, um die Blockchain in Deutschland voranzutreiben?

NS: Also es bestehen ganz viele Quer-Beziehungen, zum Beispiel, wir haben in Zusammenarbeit mit der BaFin unsere “Token Regulation Paper” Anfang Februar auf Englisch und dann im April eine erweiterte Version auf Deutsch veröffentlicht. Die BaFin lädt uns auch ein, an Podien und Diskussionen teilzunehmen, wo bestimmte Frage besprochen werden können.

CT: Welche Probleme oder Schwachstellen gibt es bei der Rechtslage um die Blockchain herum in Deutschland?

NS: Wir gewinnen jeden Tag ein bisschen mehr Klarheit - alles entwickelt sich in einem rasanten Tempo. Es gibt noch viele offene Fragen, zum Beispiel, ob Kryptowährungen als Zahlungsmittel zu betrachten sind oder ein Teil der Utility Token sind - wie Gutscheine, die auch eine gewisse Zahlungsfunktion haben, aber eher für den Erhalt einer Dienstleistung oder einer Ware stehen. Es ist nicht klar, ob es sich bei dem Token um ein Finanzinstrument bzw. der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente oder um ein Wertpapier oder Vermögensanlagen handelt - das macht einen riesigen Unterschied. Wir brauchen eine einheitliche Regulierung solcher Fragen nicht nur bundesweit, sondern international oder mindestens auf europäischer Ebene.

CT:  Welche Stimmung herrscht in der deutschen Krypto-Community? Begrüßt sie die Schritte zur Regulierung?

NS: Ich kann nur für mich selbst antworten: ich bin überzeugt, dass es einer gewissen Regulierung bedarf, und ich bin durchaus auch Freund davon, dass der Staat die geltenden Regeln mehr anwendet und auch durchsetzt. Der Staat hat das Gewaltmonopol und ist dafür verantwortlich, uns vor kriminellen - auch mit Kryptowährungen verbundenen - Übergriffen zu schützen. Außerdem bin ich mir sicher, dass eine taktvolle Regulierung diese Technologie zugänglicher und kompatibler mit der Welt macht, in der wir leben. Eine vernünftige Regulierung und größere Transparenz können und werden die Volatilität verringern, sicheren Handel erleichtern und Anlegern ermöglichen, diesen aufregenden Markt gewinnbringend zu nutzen.

CT: Eine persönliche Frage: wenn Sie die Möglichkeit hätten, Ihr Gehalt in Kryptowährung zu bekommen, würden Sie das machen?

NS: Nicht hundertprozentig.

CT: Warum nicht?

NS: Zum einen, schlicht und ergreifend deshalb, weil ich nicht alles mit Kryptowährungen bezahlen kann, zum anderen, weil die Kursschwankungen so stark sind. Es ist momentan ziemlich anstrengend, wenn man seinen Lebensunterhalt, den man tatsächlich braucht, in Krypto verfügbar hätte.