Deutschland etabliert sich immer mehr als Krypto-Standort mit klarer Regulatorik. Zuerst hat das Land der Sparbücher und Sparkonten den Bitcoin (BTC) schon 2013 als “Rechnungseinheit” anerkannt und damit zugleich als eine Art “privates Geld” legitimiert. Deutschland war auch das erste Land weltweit, das eine umfassende Blockchain-Strategie eingeführt hat. Zudem haben die Maßnahmen der Bundesfinanzaufsicht (BaFin) wie die Genehmigung von Krypto-Verwahrlizenzen und Bitcoin-basierte Wertpapier-Token noch weitere kryptofreundliche Zeichen gesetzt, die die großen Player aus dem Krypto-Bereich anlocken.

Auch die Coinbase ist diesen vielversprechenden Reizen erlegen. Seit 2020 baut die amerikanische Kryptobörse ihr Geschäft in Deutschland unter dem Namen Coinbase Germany GmbH auf und konnte sich als erstes Unternehmen die Krypto-Lizenz der BaFin im Juni 2021 sichern. Die Expansion wird federführend von Sascha Rangoonwala geleitet, der 10 Jahre als Manager bei der Deutschen Börse tätig war, bevor er zur Management-Beratung Ritzenhöfer wechselte. 

Rangoonwala erklärt im Interview mit Cointelegraph auf Deutsch die noch vorhandene Skepsis der deutschen Anleger gegenüber Krypto und das nichtsdestotrotz große Potential des deutschen Krypto-Markts, und schildert uns seine Sicht der Dinge auf die jüngsten Abstimmungen über die MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-Assets).

Cointelegraph auf Deutsch: Sie haben in Ihrer Keynote auf der Crypto Assets Conference in Frankfurt erwähnt, dass die Menschen in Deutschland und Frankreich noch relativ skeptisch gegenüber Krypto-Assets sind. Was denken Sie, warum?

Sascha Rangoonwala: Es hat kulturelle Gründe, dass die Deutschen nicht so aktiv wie zum Beispiel Amerikaner investieren. Das starke Sozialsystem erklärt teilweise die generelle Skepsis der Deutschen zum Kapitalmarkt: hier hat man die gesetzliche Rentenversicherung, in Amerika dagegen sind Aktien und Fonds schon lange fest in der Altersvorsorge verankert. 

Darüber hinaus gibt es noch nicht viele Angebote für deutsche Retail-Kunden. In der USA, wenn man sich allein das Maklerunternehmen Charles Schwab ansieht, gibt es eine große Bandbreite an Investmentmöglichkeiten. Hier muss Deutschland noch etwas nachholen, aber es tut sich schon was. 

CT: Erschwert diese Skepsis gegenüber Krypto die Expansion von Coinbase in Deutschland?

Sascha Rangoonwala: Nein, Deutschland ist sicherlich ein wichtiger internationaler Markt für uns als Gruppe. Wir haben hier die Krypto-Asset-Verwahrlizenz von der BaFin beantragt und bekommen. Wenn wir nicht überzeugt wären, dass sich dieses Investment lohnt, dann hätten wir es nicht getan. 

Ich finde den deutsche Markt interessant und vielversprechend. Trotz dieser Skepsis gibt es hier viel Interesse an Krypto-Assets.

CT: Da wir gerade davon sprechen, wie beschreiben Sie das Verfahren mit der BaFin um die Verwahrlizenz? 

Sascha Rangoonwala: Wir haben im ersten Halbjahr 2020 ein ausführliches Dokument vorgelegt, das erklärt, was wir – also die Coinbase Germany GmbH – betreiben wollen. Darin fanden sich viele Information, die für die BaFin notwendig und nützlich waren. Dann lief das Zulassungsverfahren bis Juni, wobei es immer wieder Rückfragen seitens der BaFin gab, die wir nachliefern mussten. Aber alles lief professionell bzw. relativ reibungslos und ich kann nur Gutes über diesen Prozess sagen. 

CT: Wie schätzen Sie das Potential des deutschen Krypto-Markts ein?

Sascha Rangoonwala: Deutschland befindet sich auf dem Weg zu einem etablierten Segment des Kapitalmarktes und das betrifft auch Krypto. Es gibt einen relativ starken Retail-Bereich, und hier findet man schon viele Angebote auf dem Markt. Es gibt eine ganz große Krypto-Community, viele diverse Projekte und Anwendungen. Die Menschen reden darüber, sie verdienen damit Geld, und ich merke, wie der Krypto-Markt auch schon bereit und greifbar für institutionellen Investoren wird. Letztendlich müssen sich sowohl Banken als auch Asset-Manager mit dem Thema auseinandersetzen. Und viele machen das schon – wir spüren dieses Interesse und sehen auch erste Schritte.

Dass schon viele Player angekündigt haben, nach Deutschland zu kommen, spricht eher für den Standort Deutschland. Einer der Gründe ist die Regulierung, die mehr Zuverlässigkeit und Investitionssicherheit gibt. In Deutschland entsteht ein Regime, in dem man arbeiten kann, wobei Krypto-Unternehmen weniger Risiken haben, dass irgendwas Unvorhergesehenes passiert wie in China mit dem Krypto-Verbot

CT: Was halten Sie von der Regulierung auf europäischer Ebene und den Abstimmungsergebnissen über die MiCA und "Transfer of Funds"-Regulierung (TFR)?

Sascha Rangoonwala: Mit der Geldtransferverordnung ist alles nicht so glücklich gelaufen. Aber ich bin optimistisch, dass man eine Lösung findet, die sowohl für die Krypto-Industrie als auch für europäische Konsumenten gut funktionieren wird und mit der der Regulator sozusagen sein Recht kriegt. Lassen Sie uns abwarten, was am Ende tatsächlich dabei herauskommt. 

In Deutschland gibt es schon eine eigene Verordnung über den Transfer von Kryptowerten, die sogenannte KryptowerteTransferVerordnung, in der wir als Industrie mittendrin stecke. Ich finde diese Regulierung gut und vernünftig ausbalanciert. 

Was die MiCA-Verordnung angeht, ist es ein Riesenvorteil, wenn wir in Europa ein einheitliches Regime finden, das allen Playern ermöglicht, leichter europaweit zu agieren. In manchen EU-Ländern gibt es unterschiedliche Gesetze, was Krypto angeht, was für Unternehmen, besonders Startups, Verwaltungsaufwand, hohe Kosten und rechtliche Unsicherheit bedeutet.

Dass mir jeder Punkt aus dieser Verordnung gefällt, kann ich nicht sagen, aber aufs Ganze gesehen ist eine solche europaweite Regulierung ein dickes Plus. Das Thema mit dem Proof-of-Work, also einem faktischen Bitcoin-Verbot, fand ich wie viele unsinnig, aber ich glaube, die Gesetzgeber haben schnell verstanden, dass sie da ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen haben. 

CT: Wenn nun doch die TFR in Kraft tritt, wird es dann nicht zu einer Konzentration auf die großen Unternehmen wie Binance, Bitpanda und auch Coinbase kommen, weil diese die Kosten für solche verschärften Vorschriften zur Identitätsoffenlegung stemmen können? 

Sascha Rangoonwala: Das wäre sehr eng gedacht. Wir wollen letztendlich ökonomische Freiheit in die Welt tragen. Ja, wir sind stark, wir können in einem stark regulierten Umfeld, wo vieles verboten ist und wo hohe Aufwandskosten entstehen, arbeiten. Und ja, durch die Regulierung können wir besser leben. Aber dann ist der Kuchen viel kleiner, und wir wollen eigentlich, dass der Kuchen größer wird und dass wir ein schönes Stück von diesem Kuchen haben. Aber wir sind derzeit in einer Marktphase, wo der Kuchen noch viel größer werden kann. Deswegen ist es wichtig, dass wir als gesamte Krypto-Community jetzt anfangen, diesen Marktanteil auszubauen und zu optimieren. 

CT: Sehen Sie europäische Player wie Bitpanda, Nuri oder die Börse Stuttgart mit der App Bison als Konkurrenz? Was kann Coinbase für deutsche Kunden anbieten?

Sascha Rangoonwala: Ich rede nie über Wettbewerber. Jeder dieser Wettbewerber hat aus gutem Grund seine Kunden. Unsere Angebote sind unterschiedlich, und das ist gut so. 

Bei uns geht es immer wieder um das Thema Vertrauen. Im Wesentlichen ist Vertrauen alles, deswegen investieren wir viel Geld in Sicherheit inklusive Regulation und Compliance. Unsere App ist relativ benutzerfreundlich und bietet sowohl den Einsteigern als auch den Profis viele innovative Produktangebote und neue Funktionalitäten. Wir konzentrieren uns auch auf unseren NFT-Marktplatz, Wallet und Angebote um neue Assets wie Staking oder Krypto-Zinsen herum. 

Wer bei Coinbase mit anfängt, kann mit Coinbase auch mitwachsen. Das gilt sowohl für institutionelle Kunden als auch für den Retail. 

CT: Kooperieren Sie auch mit etablierten Geldinstituten, zum Beispiel mit deutschen Banken? 

Sascha Rangoonwala: Wir sind da durchaus im Dialog. Aber man muss sich immer wieder ansehen, wie eng kann man wirklich zusammenarbeiten und was sind die geeignetsten Formate dieser Zusammenarbeit. Dabei geht es für uns um den beiderseitigen Vorteil und nicht darum, etwas zu verkaufen. 

Banken haben eine große Kundenbasis, die zunehmend Krypto nachfragt. Es ist natürlich für uns attraktiv, da ein Partner zu sein. 

CT: Welche Stimmung herrscht aktuell unter deutschen Anlegern – auch in Hinblick auf Investments in Kryptowährungen?

Sascha Rangoonwala: Die Anleger verstehen, dass sie von Krypto profitieren können, besonders jetzt, wenn sie mit Standardanleihen bzw. Fixed-Income-Anlagen kaum Rendite bekommen können. Zinsen gibt es fast nicht mehr, entsprechend bringen Finanzinstrumente wie Sparbücher für die Anleger fast nichts. Auch die Inflationsangst und die hohen Energiepreise haben dazu geführt, dass sich die Bedeutung der traditionellen Asset-Klassen, die früher bei den deutschen Anlegern im Mittelpunkt standen, inzwischen gewandelt hat. Mehr und mehr Investoren denken um und sind auf der Suche nach Alternativen – auch wenn sie dafür höhere Risiken in Kauf nehmen müssen. 

Allerdings gibt es noch einen weitaus geringeren Wissensstand über Krypto-Assets als über den traditionellen Finanzmarkt, und deswegen brauchen die Anleger uns: Wir als Industrie müssen mehr Engagement in Forschung und Beratung zeigen, um den Kunden die Charakteristika der Digital-Assets-Klasse verständlicher zu machen.