Viele YouTuber haben am 23. Dezember eine Nachricht von der Video-Plattform erhalten, in der sie darauf hingewiesen wurden, dass ihre Videos mit Bezug zu Kryptowährungen gelöscht wurden.
Von dieser Löschung waren sowohl viele YouTuber mit einer relativ hohen Anzahl an Abonnenten als auch kleinere YouTuber betroffen. Nach vier Tagen hat die Plattform allerdings damit begonnen, erste Videos wieder freizugeben.
Aus Frust sind mehrere YouTuber bereits auf dezentralisierte (also Blockchain basierte) Video-Plattformen ausgewichen, um ihre Inhalte zu veröffentlichen. Die Erstellung von Videos mit Bezug zu Blockchain und Kryptowährungen ist für einige YouTuber mittlerweile zur festen Einnahmequelle geworden, weshalb sie zwangsläufig darauf vertrauen müssen, eine zuverlässige Plattform zur Veröffentlichung zu haben.
Jeremy Kauffman, der Geschäftsführer und Gründer von LBRY, gibt gegenüber Cointelegraph an, dass seine dezentralisierte Plattform deshalb einen plötzlichen Zuwachs von mehr als 100% festgestellt habe.
LBRY ist eine dezentralisierte Plattform zur Veröffentlichung von medialen Inhalten. Die Plattform, die 2016 ins Leben gerufen wurde, ermöglicht ihren Nutzern auf der Basis von Blockchain-Technologie, mediale Inhalte zu speichern und verfügbar zu machen.
Zudem ist LBRY Open-Source, was bedeutet, dass Entwickler freien Zugriff auf den Programmiercode der Plattform haben. „Freie Meinungsäußerung, freier Willen und Open-Source sind mir sehr wichtig, weshalb LBRY all diese Wertvorstellungen reflektiert“, so Kauffman über sein Projekt.
Des Weiteren hat LBRY im Gegensatz zu YouTube keine strengen Richtlinien bezüglich der veröffentlichten Inhalte, was den Nutzern umso mehr Freiheiten gewährt.
„Das Protokoll von LBRY hat keine wirklichen Beschränkungen für sowas, genau wie HTTP oder SMTP auch keine Beschränkungen haben. Als Unternehmen, das in den USA ansässig ist, haben wir jedoch bestimmte Richtlinien für die Inhalte, die wir auf unseren Servern speichern.“
Kauffman sieht in YouTube allerdings keine Konkurrenz, sondern bezeichnet das große Video-Portal vielmehr als „den stärksten Förderer“ von LBRY, da viele YouTuber mittlerweile auf die dezentralisierte Plattform wechseln, weil YouTube „aus fadenscheinigen Gründen völlig willkürlich Videos demonetarisiert oder anderweitige Sanktionen gegen Nutzer verhängt“. Deshalb meint Kauffman:
„Wenn man sich beruflich auf YouTube einen Kanal aufbaut, dann baut man auf Treibsand. Demm YouTube sperrt regelmäßig völlig willkürlich Videos und Kanäle.”
Der YouTuber Omar Bham stimmt in diesen Tenor mit ein und gibt gegenüber Cointelegraph an, dass er bereits mehreren seiner Kollegen LBRY empfohlen hat, seit es auf der großen Video-Plattform zum plötzlichen „Krypto-Verbot“ kam:
„Was dezentralisierte Plattformen angeht, habe ich schon wiederholt LBRY weiterempfohlen. Der Synchronisierungsprozess ist leicht, für alle möglichen Aktivitäten gibt es Belohnungen und meine Daten werden automatisch gesichert, ohne dass ich etwas tun muss. Das gilt auch für alle zukünftigen Uploads, denn diese werden automatisch auf LBRY als Backup gesichert. Dieser Punkt ist sehr wichtig, da ich mir so keine Sorgen machen muss, dass jemand wie YouTube eines Tages all meine Videos löscht. Sie werden für immer erhalten bleiben.“
Neben den vermeintlichen Vorteilen gibt es allerdings auch Nachteile, denn wie Kauffman eingesteht, hat seine Plattform noch Probleme bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit, was für Blockchain-Systeme typisch ist. Allerdings hat LBRY bereits Tools entwickelt, die das Speichern von Informationen schon deutlich beschleunigen.
Neben LBRY gibt es auch noch Steemit, eine Blockchain-basierte Webseite für Blogging und Social-Media, die im Jahr 2016 an den Start gegangen ist. Steemit wird bei YouTubern ebenfalls zunehmend beliebter. Insgesamt zählt die Plattform bereits 1 Mo. registrierte Nutzer. Als Belohnungsmechanismus für das Teilen von Inhalten dient die hauseigene Kryptowährung STEEM.
Im Gegensatz zu LBRY, das sich auf digitale Medieninhalte spezialisiert hat, funktioniert Steemit mehr wie eine Art Blockchain-basiertes Reddit, das ein ganzes soziales Netzwerk im Hintergrund hat. Zusätzlich gibt es noch die Video-Plattform DTube, die in ihrer Konzeptionierung zwar YouTube ähnelt, jedoch dezentralisiert ist, da sie auf der STEEM Blockchain basiert.
Genau wie andere dezentralisierte Plattformen hat DTube keine zentralen Server, sondern stattdessen sind alle Inhalte über die STEEM Blockchain gespeichert. Dementsprechend ist es nahezu unmöglich, einfach so Videos von DTube zu löschen.
Der auf Internetrecht spezialisierte Anwalt Andrew Rossow meint gegenüber Cointelegraph, dass Plattformen wie DTube und LBRY großes Potenzial haben, gleichsam wäre es jedoch wichtig, auch die rechtlichen Grauzonen zu beachten, die von dezentralisierten Plattformen nicht eindeutig geklärt würden.
„Eine Blockchain-basierte Social-Media Plattform, die widerstandsfähig gegenüber Zensur ist, ist zunächst einmal gut, allerdings gibt es auch Fragen hinsichtlich Geistigem Eigentum, Betrug, Phishing und anderen rechtlichen Grauzonen, die geklärt werden müssen.“
Agiert YouTube wirklich verantwortungsbewusst?
Ironischerweise hatte die YouTube Geschäftsführerin Susan Wojcicki im April noch erklärt, dass es ihr oberstes Ziel sei, dass die Video-Plattform verantwortungsbewusst agiert.
Dieses Ziel muss sich der Social-Media Riese aber scheinbar teuer erkaufen, da YouTube seit Änderungen an den eigenen Richtlinien im Juni bereits mehr als 100.000 Videos und 17.000 Kanäle gelöscht hat.
Laut einem firmeneigenen Blogeintrag würde die Plattform vornehmlich gegen Inhalte vorgehen, die klar gegen die eigenen Richtlinien verstoßen und im Gegenzug vertrauenswürdige YouTuber belohnen, allerdings ist die Beurteilung dieser Verstöße letztendlich der Willkür der Plattformbetreiber überlassen, wodurch Krypto und Blockchain bezogene Inhalte wohl nun auch ins Kreuzfeuer geraten sind.
Löschung von Krypto-Videos rechtmäßig?
Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von plötzlichen Löschungen, ohne einen triftigen Grund für diese anzugeben, mein Roger Royse, Gründer der Kanzlei Royse und Dozent an der Universität Stanford, gegenüber Cointelegraph, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der ausschlaggebende Richtwert sind:
„Was die Rechtmäßigkeit betrifft, hängt das ganz stark davon ab, was die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erlauben und was nicht. Große Plattformen befinden sich in einer regelrechten Zwickmühle, da sie ohnehin schon im Fokus der Aufsichtsbehörden stehen, was durch Kryptowährungen noch verschlimmert wird. Die Börsenaufsicht und auch andere Aufsichtsbehörden haben sich klar gegen Kryptowährungen ausgesprochen, weshalb diese nur noch einen weiteren Grund bieten würden, um den Social-Media Plattformen auf die Finger zu hauen.“
Rossow spricht den Handlungen von YouTube ebenfalls für rechtmäßig, auch wenn er diese nicht befürwortet:
„Letztendlich hat YouTube als Plattform das Recht und die Handhabe, alle Inhalte zu entfernen, die gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen. Dementsprechend ist es auch rechtmäßig Videos zum Thema Kryptowährungen zu löschen.“
Wie Rossow abschließend meint, könnte es jedoch schwierig werden, zu unterscheiden, welche Inhalte zukünftig genehmigt werden und welche nicht, da die Grenzen immer mehr verschwimmen:
„Die Krypto-Videos, die jüngst gelöscht wurden, hatten keine gewalttätigen, politischen oder jugendgefährdenden Inhalte. Selbst wenn die strengen Standards der FTC angelegt werden, sind dagegen keine wirklichen Verstöße zu erkennen. Dieser Vorfall ist zwar nicht die Norm, sollte aber allen YouTubern aufzeigen, mit welcher Willkür YouTube agiert.“
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