In unseren Expert Takes äußern Meinungsführer innerhalb und außerhalb der Kryptoindustrie ihre Ansichten, teilen ihre Erfahrungen und geben professionelle Ratschläge. Unsere Expertenmeinungen decken alle Bereiche der Krypto-Industrie ab. Von Blockchain-Technologie und ICO-Finanzierung bis hin zur Versteuerung, Regulierung und Akzeptanz von Kryptowährungen in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft.

Wenn Sie gerne eine Expertenmeinung abgeben möchten, schicken Sie uns Ihre Ideen und Ihren Lebenslauf per Email an a.mcqueen@cointelegraph.com.

Die Schweiz ist seit langem ein globales Zentrum für die Vermögensverwaltungsbranche und beherbergt rund 2 Bio. US-Dollar (1,6 Bio. Euro) oder 27 Prozent des globalen Offshore-Vermögens.  Seit 1934 widersetzen sich Schweizer Banker und Regulierungsbehörden ausländischen Steuerbehörden, darunter auch die US-Steuerbehörde IRS, die Informationen über geheime Schweizer Bankkonten erhalten wollen. Sie behaupteten, dass sie das Schweizer Recht und die Privatsphäre ihrer Kunden nicht verletzen. Denn Schweizer Privatbankiers haben US-Steuergelder von den USA auf vielen Wegen in die Schweiz geschmuggelt. Diese Wege waren wirklich sehr kreativ: Von Geldbündeln, die in Zeitungsrollen versteckt waren, über die Gründung von Briefkastenfirmen bis hin zum Stopfen von Diamanten in Zahnpastatuben. Auf diese Weise halfen Schweizer Banker zehntausenden von wohlhabenden amerikanischen Kunden, US-Steuern durch geheime Offshore-Bankkonten zu umgehen.

Schließlich hat die Schweiz ihr berühmtes Gesetz zum Bankgeheimnis mit ein wenig Nachdruck vom US-Justizministerium (DOJ) und der Strafermittlungsabteilung des IRS (IRS-CI) aufgegeben. Die älteste Privatbank wurde stillgelegt und die größten und bekanntesten Schweizer Banken wurden mit Milliardenstrafen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den USA belegt. Die Schweiz hätte damit beinahe ihren Wettbewerbsvorteil gegenüber den Finanzmärkten der Konkurrenz verloren.  

Aber man sollte die Schweiz dennoch nicht abschreiben.  Laut Oliver Bussmann, dem Gründer der Crypto Valley Association, entwickelt sich die Schweiz zu einer der "weltweit führenden Ökosysteme für Krypto-, Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien". Dies erreiche sie durch den Aufbau eines globalen Hubs für virtuelle Währungen, das sogenannte "Crypto Valley" in Zug, und die Umsetzung einer vorausschauenden Regulierung durch die Schweizer Finanzmarktaufsicht (FINMA). Johann Schneider-Ammann, der Chef des schweizerischen Wirtschaftsministeriums, weist darauf hin, dass sich das Land zu einer "Krypto-Nation" für die digitale Revolution mit einem florierenden Markt für Initial Coin Offerings (ICO) entwickelt.

ICO ist eine neue Art der Kapitalbeschaffung durch digitale Währungen und die Blockchain-Technologie. Dabei legen die Teilnehmer Fiat-Währungen an und bekommen im Gegenzug dafür "Token" oder digitale Anlagegegenstände. Eine kapitalbedürftige Person, Projekt oder Unternehmen schafft einen neuen digitalen Coin und verkauft eine Tranche davon für Fiat-Währungen auf einer digitalen Handelsplattform oder -börse.

Im Jahr 2017 sammelten die in der Schweiz ansässigen ICOs rund 443 Mio. Euro an Finanzmitteln, was rund 14 Prozent des globalen ICO-Marktes im Wert von rund 3,2 Mrd. Euro entspricht. Allein schon der ICO des Unternehmens Tezo aus Zug im Juli hat 186,8 Mio. Euro gebracht. Die Tezos Foundation steht in den USA mindestens einem halben Dutzend Sammelklagen gegenüber. Die Kläger behaupten, sie seien irregeführt und betrogen worden. "Viele ICOs in der Schweiz werden wie Stiftungen strukturiert und beantragen einen gemeinnützigen Steuerstatus. Das Geld, das in diesen ICOs gesammelt wird, wird als eine Spende behandelt, die nicht an ICO-Investoren zurückgegeben werden kann" erklärte Dr. Luka Müller, Partner der Schweizer Anwaltskanzlei MME, die beim Aufbau der Tezos Foundation sowie einiger anderer großer ICOs mitgewirkt hat.

FINMA zeichnet einen Regulierungsansatz für ICOs

Als Reaktion auf die wachsende Anzahl von Schweizer ICOs veröffentlichte die FINMA am 16. Februar 2018 Richtlinien zu ICOs nach dem schweizerischen Gesetz für Anti-Geldwäsche und Wertpapiere.  Nach den erlassenen Regulierungsrichtlinien werden viele ICOs in der Schweiz als Wertpapiere behandelt.

Es gibt einige Ausnahmen, zum Beispiel Token für den Zugriff auf eine bereits laufende Plattform oder für Kryptowährungen, die nur als Zahlungsmittel dienen. Diese beiden Fälle werden laut der FINMA nicht als Wertpapiere behandelt, doch letztere fallen unter die Anti-Geldwäsche-Regulierung.

"Unser ausgewogener Ansatz bei der Abwicklung von ICO-Projekten und -Anfragen ermöglicht legitimen Innovatoren, durch die regulatorische Landschaft zu navigieren. Sie können dadurch ihre Projekte in Übereinstimmung mit unseren Gesetzen zum Schutz der Investoren und der Integrität des Finanzsystems starten", kommentierte der CEO von FINMA Mark Branson.

Die Schweiz gilt "inoffiziell" als Steueroase

Zweifellos ist die Schweiz ein attraktiver Ort für ICOs für Investoren sowie Coin-Ausgebern. Grund dafür sind die günstigen Schweizer Steuergesetze.

Kryptowährungen sind weder Geld noch eine fremde Währung, noch ein Finanzmittel für Güter und Dienstleistungssteuerzwecke.  

Bei der Transaktion von Token, die als Wertpapiere eingestuft sind, kann für inländische Wertpapiere eine Steuer auf die Übertragung von Wertpapieren erhoben werden. Diese beträgt 0,15 Prozent (oder 0,30 Prozent für nicht inländische Wertpapiere), wenn ein Schweizer Wertpapierhändler an der Transaktion beteiligt war.

Kryptowährungen sind ein Anlagegegenstand für Kapitalertragssteuerzwecke. Das gilt nur für jemanden, der als professioneller Händler qualifiziert ist.  Krypto-Anteilnehmer oder -Investoren fallen unter die Vermögenssteuer, deren Satz durch die Steuerbehörden am 31. Dezember des Fiskaljahres bestimmt wird.

Ein Aktien-Token, der durch einen ICO ausgegeben wird, kann unter eine einmalige Kapitalpflicht von einem Prozent fallen. Das gilt nicht für Schuld-Token. Jede Gewinnausschüttung auf Aktien-Token oder Zahlungen auf Schuld-Token unterliegt der Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 35 Prozent.

US-Investoren sollten sich bei Schweizer ICO vor dem IRS-CI in Acht nehmen

Die US-Investoren in Schweizer ICO-Token, die nicht in Sammelklagen involviert sind, sollten sich in Acht nehmen. Denn das IRS-CI, hat ein spezielles Team von Agenten beauftragt, nachdem es US-Vermögenswerte auf Schweizer Banken entdeckt hat. Diese Agenten sollen untersuchen, ob Kryptowährungen verwendet werden, um die Steuerbehörde auszutricksen. "Es ist möglich, Kryptowährungen auf die gleiche Weise wie Schweizer Bankkonten zu verwenden, um Steuerhinterziehung zu erleichtern", erklärte Don Fort, Chef des IRS-CI, gegenüber Bloomberg News.

Die Ansichten und Interpretationen in diesem Artikel sind die des Autors und stellen nicht zwangsläufig die Ansichten von Cointelegraph dar.

Selva Ozelli, Esq., CPA ist eine internationale Steuerrechtsanwältin und Wirtschaftsprüferin, die häufig über Steuer-, Rechts- und Buchführungsfragen für TaxNotes, Bloomberg BNA und andere Publikationen sowie für die OECD schreibt.

Melde dich bei unseren Sozialen Medien an, um nichts zu verpassen: X, YouTube, Instagram und Telegram – aktuelle Nachrichten, Analysen, Expertenmeinungen und Interviews mit Fokus auf die DACH-Region.