Facebook hat sein mit Spannung erwartetes Whitepaper für die Kryptowährung Libra veröffentlicht. Die ersten Bewertungen des hochgeheimen Mega-Projekts sind, gelinde gesagt, gemischt.
Bevor wir einen Blick auf die Reaktionen der Kryptobranche werfen, wollen wir das Facebook-Projekt kurz zusammenfassen.
Das Projekt Libra Coin
Libra ist als Weltwährung konzipiert und soll grenzüberschreitende Mikrozahlungen und Überweisungen vereinfachen, die über die eigene Blockchain namens Libra Blockchain laufen. Im Whitepaper heißt es:
"So wie die Menschen heute mit ihren Telefonen Freunde überall auf der Welt ansprechen können, kann man mit Libra als Geld das Gleiche tun - sofort, sicher und kostengünstig."
Tatsächlich wird es zwei Coins geben: Libra und der Libra Investment Token.
Libra ist als Stablecoin konzipiert, der durch eine Reserve von Vermögenswerten mit geringem Risiko gestützt wird. Der Kurs wird durch den Wert des Vermögenswertes im Verhältnis zum zirkulierenden Angebot bestimmt.
Das Geld aus dem Verkauf des Libra Investment Token wird in noch risikoärmerere Anlagen investiert und die erzielten Einnahmen werden zur Unterstützung der Libra Association verwendet.
Die Libra Association setzt sich aus Technologieunternehmen, Zahlungs-Gateways und Risikokapitalfirmen zusammensetzen, die das Netzwerk sichern und eine hohe Gebühr (die in den Libra Investment Token umgewandelt wird) dafür zahlen, um das tun zu können.
Die Vermögenswerte werden in der Calibra Wallet gespeichert, die entweder als eigenständige App oder als Teil von Facebook Messenger oder WhatsApp verfügbar sein wird.
Die Libra Association veröffentlichte eine Mitteilung, die die Richtung und Philosophie des Governance-Modells mit einer Reihe von Zitaten von teilnehmenden Konstituenten der Organisation beschreibt. Sie enthielt auch einen Kommentar von David Marcus, dem ehemaligen Präsidenten von PayPal, der jetzt Calibra für Facebook leitet:
"Libra hat das Potenzial, Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt einen Zugang zu einem umfassenderen, offeneren Finanzökosystem zu verschaffen. Wir wissen, dass die Reise gerade erst beginnt, aber gemeinsam können wir die Mission von Libra erfüllen, eine einfache globale Währungs- und Finanzinfrastruktur zu schaffen, die Milliarden von Menschen stärken wird."
In diesem Zusammenhang: Projekt Libra: Was wir über die geplante Kryptowährung von Facebook wissen
Wie wurde sie aufgenommen?
Die Krypto-Community insgesamt ist von Natur aus vorsichtig. Die Reaktion auf Twitter fiel auch dementsprechend aus.
Zunächst wollen wir mit einem positiven Kommentar beginnen. Justin Sun, der Gründer von Tron, der kürzlich 4,20 Mio. Euro bezahlt hat und sich damit ein Mittagessen mit Warren Buffet sicherte, denkt, dass das eine großartige Sache für die Branche sei:
"Facebook und #LIBRA. Ich glaube, den Kryptowährungen steht eine riesige #FOMO-Welle und ein Bullenlauf bevor."
Andere prominente Stimmen aus der Branche, wie das Bitcoin Orakel Andreas Antonopolous, waren in ihren ersten Einschätzungen etwas zurückhaltender:
"Facebooks Libra steht zwar nicht mit offenen, öffentlichen, nicht auf Zugriffsberechtigungen basierenden, grenzenlosen, neutralen, zensurresistenten Blockchains in Konkurrenz, aber er *wird* mit Banken und Zentralbanken konkurrieren. Es wird lustig, das zu sehen."
Andere Leute wiederum, wie etwa Larry Cermak, zeigten sich aufgrund der Mehrdeutigkeiten und den fehlenden Einzelheiten zum Projekt weniger beeindruckt:
"Nur damit das klar ist - Libra ist:
- nicht dezentralisiert
- nicht zensurresistent
- nicht mit Sicherheit technologisch funktionsfähig
- nicht mit Sicherheit von den Regulierungsbehörden zugelassen
- nicht deutlich genug beschrieben, wenn es um die steuerlichen Auswirkungen geht".
Der Binance-CEO Changpeng Zhao (alias CZ) war in seiner Einschätzung wie üblich diplomatisch - und kommentierte mit einem Augenzwinkern:
"Der Facebook Libra Coin braucht keine Identitätsprüfungen. Sie haben so viel mehr Informationen über diese 2 Milliarden Menschen. Nicht nur den Namen, Ausweis, Adresse, Telefonnummer. Sie kennen Ihre Familie, Freunde, Echtzeit-Standort, Standortverlauf, was Sie mögen... Sie kennen Sie mehr als Sie sich selbst kennen. Und jetzt auch noch Ihre Geldbörse. Die beste Geldwäschebekämpfung!"
Andere gingen tiefer auf die Angelegenheit ein. Ryan Taylor hat das Projekt etwa mit dem Merchant Customer Exchange (MCX) von Walmart verglichen. In mehreren Tweets erklärte er:
"Offensichtlich ist es noch sehr früh, aber mein erster Eindruck von Libra ist, dass er ein weiterer MCX ist. Noch nie davon gehört? Genau. Das war es ein Smartphone-basiertes Zahlungssystem von Walmart, das bereits im Jahr 2012 mit großem Erfolg auf den Markt kam und eine beeindruckende Liste von Einzelhändlern umfasste. Das Problem?"
Ein weiterer ausführlicher Gedanke dazu kam vom Twitter-Nutzer "FCC", der unter anderem die Stabilitätsfunktion der Währung kommentierte:
"Sie mögen mich vielleicht für zu optimistisch oder wahnhaft halten, aber ich bin überzeugt, dass die Krypto-Community, wenn sie weiter wächst und ihr Engagement für die finanziellen Freiheiten deutlich zeigt, stärker ist und sein wird als jede Liste von Partnern, die ein Netzwerk, das die Community-Werte untergräbt, vorweisen könnte."
Meinungen aus der Politik und von Institutionen
Außerhalb der Kryptosphäre stößt Libra bereits auf heftigen Widerstand seitens der europäischen Regulierungsbehörden. Diese argumentieren, dass die Einführung einer eigenen souveränen Währung Facebook effektiv dazu in die Lage versetzen würde, eine "Schattenbank" zu werden, wie der deutsche Politiker Markus Ferber erklärte. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sagte gegenüber dem Radiosender Europa 1:
"Es steht außer Frage, dass Libra zu einer souveränen Währung wird. Das kann und darf nicht passieren."
Es gab auch Reaktionen von US-Regierungsmitarbeitern, wie etwa der Abgeordneten Maxine Waters, die die Entwicklung des Projekts vorläufig auf Eis legen will. Sie sagte in einer Erklärung:
"Facebook hat Daten über Milliarden von Menschen und hat wiederholt gezeigt, dass das Netzwerk den Schutz und den sorgfältigen Umgang mit diesen Daten missachtet. Mit der Ankündigung, eine Kryptowährung einzuführen, setzt Facebook seine ungebremste Expansion fort und baut seine Reichweite auf das Leben seiner Nutzer aus."
Waters ging einen Schritt weiter und hat zu Regierungsanhörungen aufgerufen, um das Projekt zu stoppen.
Der Spitzendemokrat im Bankenausschuss des Senats, Senator Sherrod Brown, betonte auf Twitter die Notwendigkeit einer strengen Regulierungsaufsicht:
"Facebook ist bereits jetzt schon zu groß und zu mächtig und hat diese Macht genutzt, um die Daten der Nutzer zu verwenden, ohne deren Privatsphäre zu schützen. Wir können nicht zulassen, dass Facebook ohne Aufsicht eine riskante neue Kryptowährung von einem Schweizer Bankkonto aus betreibt."
Der Vorsitzende des russischen Staatsduma-Ausschusses für den Finanzmarkt Anatoli Aksakov hat gesagt, dass Libra in Russland nicht legalisiert werden wird. Aksakov hat gesagt, dass diese Entscheidung getroffen wurde, weil Libra eine Bedrohung für das Finanzsystem des Landes darstellen könnte.
Eine positivere Perspektive hat Sheila Warren, die Leiterin der Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologie auf dem Weltwirtschaftsforum geäußert. Gegenüber Cointelegraph sagte sie, dass die internationale Markenbekanntheit von Facebook und seine 2,3 Milliarden globalen Nutzer die Technologie fest in unseren Alltag integrieren werden:
"Blockchain ist eine Teamsportart und die Gründung der Libra Association durch Facebook demonstriert dieses Prinzip. Der Erfolg von Libra wird zu einem großen Teil davon abhängen, wie gut der Verband beim Aufbau des Netzwerks funktioniert und inwiefern er sich an die Grundprinzipien hält."
Ende letzten Jahres hat Senator Mike Crapo bei einer Anhörung über das Krypto-Ökosystem einen Entwicklungsplan vorgeschlagen, wie man am besten an die Gesetzgebung von Kryptowährungen herangehen sollte, auch wenn das nicht direkt im Zusammenhang mit der Libra-Ankündigung steht:
"Um produktiv voranzukommen und diesen Innovationen Raum zu geben, sich zu entfalten und sich sicher und gesund zu entwickeln, müssen wir das Durcheinander ordnen und ein besseres Verständnis dafür entwickeln, was genau die Chancen und Herausforderungen für dieses Ökosystem sind."
Was bedeutet das alles in der Praxis?
Es ist noch viel zu früh, als dass jemand wirklich einen fundierten Überblick über den nächsten Kryptowährungstitanen haben könnte. Aber man kann nicht behaupten, dass das kein bedeutender Meilenstein für Befürworter digitaler Währungen ist.
Ein paar der Einzelheiten, die einige vermissen, sind etwa die Tatsache, dass WeChat und Alipay bereits Billionen von Dollar an Transaktionsvolumen über ihre Messaging-Apps im sogenannten "Krieg der grenzüberschreitenden Zahlungen" getätigt haben. Außerdem war Tencent (die Firma, die WeChat gegründet hat) die Partei war, die Mark Zuckerberg überboten hatte, als er im Jahr 2014 WhatsApp für umgerechnet 12,3 Mrd. Euro kaufte.
Obwohl weder WeChat noch Alipay eine Blockchain verwenden oder eigene Kryptowährungen entwickelt haben, könnte das der Grund sein, warum Zuckerberg so entschlossen war, sich die verschlüsselte Messaging-Software damals schon zu sichern.
Man kann darüber streiten, ob Libra wirklich dezentral oder gar eine Krypto ist. Aber wie sich dieser als firmeneigener Token des größten digitalen Ökosystems der Welt auswirken wird, lassen viele Vermutungen zu, was dies für die Anreizmechanismen von Facebook und anderen Social-Media-Plattformen bedeutet.
Es ist möglich, dass dies dazu führen könnte, dass Facebook die Daten seiner Nutzer besser schützt, anstatt die Verhaltensmuster weiter zu kommerzialisieren. Denn Facebook hat nun einen Anreiz dafür, dafür zu sorgen, dass seine Nutzer weiterhin Libra kaufen und verkaufen. Der Schutz der Metadaten seiner Nutzer ist entscheidend für das Vertrauen ist.
Durch das Hinzufügen einer monetären Ebene wird die Rückkopplungsschleife zwischen dem Benutzer und dem Netzwerk viel schneller. Wenn das Netzwerk sich nicht um die Interessen derjenigen kümmert, die die Währung verwenden, werden die Benutzer einfach aufhören, die Währung zu verwenden. Auf diese Weise kann die Währung tatsächlich dazu beitragen, das Netzwerk in die Verantwortung zu nehmen und mit seinen Benutzern auf eine Wellenlänge zu bringen.
Eine weitere mögliche Schlussfolgerung ist, dass Facebook in der Lage sein wird, echte Konten von gefälschten (oder Troll-)Konten zu unterscheiden, die derzeit Facebook-Newsfeeds füllen und zur Verbreitung gefälschter Nachrichten beitragen.
Facebook könnte Botnets basierend auf dem Handelsverlauf identifizieren und dieser Aktivität dann für echte Nutzer eine geringere Priorität geben - gewichtete Analyse der "Weisheit der Menge", wenn man so will.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Meinungen vielfältig und unterschiedlich sind, wie man es bei einem Projekt dieser Größenordnung erwarten würde. Einige Befürworter von Kryptowährungen glauben, dass es die Akzeptanz zumindest unterstützen wird. Andere glauben, dass es sich hierbei um den Gegensatz zum ursprünglichen Bitcoin-Manifest handelt. Sie sind besorgt über die Machtkonzentration, die Facebook dadurch ermöglicht wird, und darüber, dass das unter unklaren regulatorischen Bedingungen abläuft. Auf jeden Fall ist Libra nun da und hat sich der Welt mehr als angemessen angekündigt. Was das in der Praxis bedeutet, kann man an dieser Stelle nur mutmaßen.
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