Venezuela, Türkei, Iran und Simbabwe: diese Länder sind alle mit anhaltenden Wirtschaftskrisen konfrontiert. Sie leiden unter einer hohen Inflation, so dass die Menschen, die in ihnen leben, sich zunehmend Kryptowährungen als Wertspeicher und Tauschmittel zuwenden. Ihre aktuellen Probleme haben die entfernte Möglichkeit erhöht, dass irgendwann in der Zukunft eine Hyperbitcoinisierung stattfinden wird. Dabei könnte Bitcoin (oder ein anderer Coin) den Bolívar, die Lira, den Rial und andere nationale strauchelnde Währungen ersetzen und vielleicht sogar zur weltweit dominierenden Geldform werden, wie es von Leuten wie Steve Wozniak und Jack Dorsey prophezeit wird.

So ermutigend solche Entwicklungen auch für Bitcoins Ruf als Wertspeicher auch sind, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die Annäherungen von türkischen, venezolanischen und simbabwischen Bürgern an ihn und andere Kryptowährungen eine unmittelbare Vorstufe zu den von Daniel Krawisz in seinem im Artikel aus dem Jahr 2014 mit dem Titel "Hyperbitcoisierung" skizzierten Arten von pauschalen Akzeptanzprozessen sind.  Obwohl es auffallend wächst, ist das in den betroffenen Ländern gehandelte BTC-Volumen im Verhältnis zu den globalen Volumina nicht signifikant genug. Auch die isolierte Haltung der meisten dieser Länder bedeutet, dass die Akzeptanz sich wohl kaum nach außen verbreiten könnte.

Hinzu kommt, dass, solange globale Reservewährungen wie der US-Dollar, der Euro und der japanische Yen stabil bleiben, die Krypto-Akzeptanz wohl nicht durch eine hohe Inflation in Ländern, in denen die Bevölkerung Zugang zu solchen Währungen hat - und ganz zu schweigen von Gold - gefördert wird.

Venezuela

Das Paradebeispiel für krisengetriebene Krypto-Akzeptanz ist Venezuela. Der erste Bericht darüber, dass Venezuelaner sich in Richtung Bitcoin wenden, wurde im Oktober 2014 öffentlich. Laut Reuters wurden die Venezuelaner von den Kapitalkontrollen, die Präsident Hugo Chávez 2003 auferlegte, zu Kryptowährungen gedrängt. Diese Kontrolle machten es ihnen nämlich unerträglich schwer, an US-Dollar zu kommen. Da schon damals in Venezuela eine Hyperinflation im Gange war (bei 68,5 Prozent), begannen die Einheimischen mit dem Kauf - und dem Mining - von Bitcoin, der Anfang Oktober bei umgerechnet 334,06 Euro lag, obwohl er seit Jahresbeginn um rund 49 Prozent gefallen war.

Während Daten über die tatsächliche Anzahl der Personen, die Bitcoin zu diesem Zeitpunkt verwendeten, nicht verfügbar sind, heißt es im Reuters-Artikel, dass Venezuela "bereits mehrere hundert Bitcoin-Enthusiasten hatte". Coin Dance verzeichnete, was etwas weniger vage ist, dass in der Woche vom 12. Dezember 2014 625.573 venezolanische Bolívar (VEF) an der LocalBitcoins Peer-to-Peer-Kryptobörse gegen Bitcoin gehandelt wurden. Das sind ungefähr 86.000 Euro, wenn man vom Wechselkurs zu der damaligen Zeit ausgeht. Auch CryptoCompare weist ein Hoch für das Jahr 2014 (24. Dezember) auf. 553.633,30 VEF, etwa 76.000 Euro,zeigen, dass die gehandelten Volumina nicht massiv waren - insbesondere für eine Nation mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von umgerechnet 415 Mrd. Euro. Dennoch wuchsen sie aufgrund des wirtschaftlichen Drucks.

VEF- und BTC-Marktvolumen

Seit 2014 hat sich die Lage allmählich verbessert. In der Woche bis zum 17. Dezember 2016 wurden Bitcoin im Wert von insgesamt 527.945.763 VEF gehandelt, was aufgrund der Inflation von etwa 275 Prozent im Jahr 2015 etwa 91.000 Euro nach den den damaligen Umrechnungskursen entsprach. Dieses Jahr hatten Personen, die an der venezolanischen Krypto-Ökonomie beteiligt waren, begonnen, sich zugunsten von Bitcoin und anderen Kryptos als echte Alternativen zum Bolívar und sogar zum US-Dollar zu äußern. Der Gründer von Bitcoin Venezuela Randy Brito erklärte dabei gegenüber Cointelegraph im Januar 2016, dass BTC "ein echter Retter der venezolanischen Wirtschaft" sein könnte.

"Der Bitcoin-Markt in Venezuela ist in der Tat groß und wächst schnell. Das Fehlen von Börsen ist scheinbar unbemerkt geblieben, da die meisten Bitcoin-Miner innerhalb des Landes informell mit Menschen Geschäfte machen, denen sie vertrauen können - hauptsächlich aus Datenschutzgründen. Sie versuchen nämlich, die Quelle ihres Reichtums vor der Öffentlichkeit zu verbergen".

In Verbindung mit der Tatsache, dass Bitcoin den Venezolanern den Widerstand gegen eine Regierung ermöglicht, die die Menschen durch ein inflationäres Regime effektiv ihres Reichtums beraubt hat,brachte ihm sein wachsender Wert im Laufe der Jahre 2015 und 2016 Popularität. Tatsächlich hat die lokale Börse Surbitcoin gegenüber der Washington Post im März 2017 erklärt, dass die Zahl der Bitcoin-Nutzer von rund 450 im Jahr 2014 auf 85.000 im Jahr 2016 gestiegen sei.

Wieder einmal sind solche Zahlen für ein Land mit etwa 31,5 Millionen Einwohnern nicht massiv, aber die sich verschlechternde Situation in Venezuela hat dazu geführt, dass sie lediglich im Jahr 2017 und 2018 weiter zugenommen haben. In der Woche bis zum 24. Juni 2017 hatte laut Coin Dance allein der VEF/BTC-Markt auf LocalBitcoins ein Volumen von 9.210.450.540 VEF erreicht. Diese Summe entsprach damals etwa 991.000 Euro, während in der Woche vom 30. Dezember 2017 ein Handelsvolumen von 281.525.042.307 VEF auf LocalBitcoins - oder 2,43 Mio. Euro entsprechend den damals aktuellen Schwarzmarktkursen - verzeichnet wurde.

Dieses Jahr, selbst mit dem Aufkommen der staatlich kontrollierten und durch Öl gedeckten Kryptowährung Petro, hat die Bitcoin- und Kryptowährungsnutzung im Allgemeinen weiterhin eine starke Zunahme verzeichnet. Reuters vor kurzem sogar berichtet, dass keine Kryptobörse mit dem Petro handelt und dass kein venezolanisches Geschäft ihn derzeit akzeptiert, während Bitcoin und andere weiter wachsen. Wenn man davon ausgeht, dass Ende 2016 die gleiche Menge an Bitcoin (im Wert von etwa 91.000 Euro von rund 85.000 Nutzern) gehandelt wurde, gab es in der Woche vom 18. August 2018, als 673 Bitcoins gegen 27,28 Billionen venezolanische Bolívar auf LocalBitcoins gehandelt wurden, rund 926.500 Bitcoins. Zum Schwarzmarkt-Kurs (d.h. 1 VEF = 5,1 Mio. Euro), der noch galt, bevor die venezolanische Regierung den Bolívar offiziell um 95 Prozent abwertete, entsprach dies etwa 3,96 Mio. Euro.

Es ist unklar, inwieweit das Handelsvolumen weiter wachsen wird, nachdem die Regierung den Bolívar nun abgewertet hat. Doch der wirtschaftliche Druck, dem Venezuela ausgesetzt ist, hat seine Bevölkerung dazu veranlasst, Bitcoin schneller als andere Länder mit vergleichbarem BIP zu akzeptieren. In Neuseeland und Rumänien zum Beispiel - zwei Länder, die der Internationale Währungsfonds (IMF) in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt auf eine Stufe mit Venezuela stellt - ist der LocalBitcoins BTC-Markt seit 2013 um 875 Prozent bzw. 2400 Prozent gewachsen. Im Gegensatz dazu ist der LocalBitcoins BTC/VEF-Markt seit 2013 um erstaunliche 67.300 Prozent gewachsen, wobei in der Woche bis zum 25. August 536 Bitcoin gehandelt wurden. Das zeigt deutlich, wie stark Hyperinflationen die Kryptowährungs-Akzeptanz fördern können. Und da der IWF vorausgesagt hat, dass die Inflation bis Ende 2018 1.000.000 Prozent erreichen könnte, dürfte der Schub in den kommenden Monaten noch größer sein.

Nicht nur Bitcoin hat die Früchte der wirtschaftlichen Katastrophe Venezuelas genossen, auch andere Kryptowährungen sind in der südamerikanischen Nation angekommen. Seit mindestens September 2016 sind die Venezolaner auch begeisterte Nutzer von Dash, dessen schnellere Bestätigungszeiten und niedrigere Transaktionsgebühren ihn als Zahlungsmittel generell bequemer machen. Aufgrund der aktiven Werbung die Dash betrieben hat, um seinen Coin unter den Venezolanern als Alternative zum Bolívar - und zu Bitcoin - zu popularisieren, ist dieser Berichten zufolge die beliebteste Kryptowährung unter lokalen Händlern. Zumindest laut Dash selbst, denn vom Unternehmen heißt es, dass mehr als 540 Händler im Land ihn jetzt als Zahlungsmittel akzeptieren.

Iran

Der Iran ist ein weiteres Land, das in den letzten Jahren unter der US-Sanktionen gelitten hat, und wie in Venezuela auch leidet seine nationale Währung - der Rial (IRR) - unter einer hohen Inflation, obwohl die derzeitige Rate von 18 Prozent nicht ganz an die 82.766 Prozent in Venezuela herankommen.

Erst im April dieses Jahres betrug die Inflationsrate des Rial nur 7,9 Prozent, doch diese stieg auf 9,7 Prozent, 13,7 Prozent und dann 18 Prozent jeweils im Mai, Juni und Juli. Ähnlich wie Venezuela reagierte die iranische Regierung auf diesen steilen Anstieg mit  und kündigte Ende Juli Pläne für eine staatliche Kryptowährung an, während die iranische Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt bereits Krypto im Wert von 2,15 Mrd. Euro gehandelt hatte, so ein Bericht von Forbes vom Mai. Und das, obwohl die Regierung im April ein Verbot für Banken eingeführt hatte, die mit Kryptowährungen handeln.

Und seit April und Mai hat der IRR/BTC-Markt bei LocalBitcoins einen spürbaren Aufschwung verzeichnet. So stieg das Volumen dieses Marktes zwischen dem 7. und 28. Juli um 109,1 Prozent von 9,467 Mrd. IRR auf 19,796 Mrd. IRR (d.h. auf rund 152.000 Euro nach Schwarzmarktumrechnungskursen).

Volumen des IRR- & BTC-Marktes

Ein Land mit einem ähnlich großen BIP, nämlich Thailand, verzeichnete dagegen lediglich einen Anstieg um 27,6 Prozent von 12,2 Millionen thailändischen Baht (THB) auf 15,6 Millionen THB im gleichen Zeitraum. Diese Summe entspricht 410.000 Euro, was bedeutet, dass der BTC-Markt in Thailand absolut betrachtet größer ist. Wichtiger noch, es bedeutet auch, dass eine Inflationskrise allein nicht ausreicht, um eine weit verbreitete Krypto-Akzeptanz über Nacht herbeizuführen, da es klar ist, dass der iranische Markt für Krypto nicht nur klein ist, sondern durch Gesetze behindert wird, die diese illegal machen. Diese wurde auch durch die anhaltende Popularität von Gold untergraben, das in den drei Monaten vor Juni um 300 Prozent gegenüber dem IRR gestiegen ist. es hat auch Berichten zufolge den US-Dollar auf den lokalen iranischen Märkten ersetzt, wie die Iran Gold & Jewelry Association erklärte.

Simbabwe

Ein weiteres Land, das seine eigenen wirtschaftlichen Probleme hat, ist Simbabwe. Im Jahr 2009 hat es seine eigene Landeswährung (den simbabwischen Dollar) aufgegeben, nachdem es eine Billionen-Dollar-Note eingeführt hatte und nachdem die Währung 10 Jahre Hyperinflation überstanden hatte. Die Rate dieser Hyperinflation betrug im Juli 2008 bis zu 231.000.000 Prozent.

Seitdem hat die Regierung die Verwendung einer Vielzahl von Währungen - einschließlich des US-Dollars, des südafrikanischen Rand und des Euro - erlaubt, doch diese drastische Maßnahme bringt wiederum Probleme mit sich, wie zum Beispiel akute Knappheit an ausländischem Bargeld. Um diese zu bekämpfen, hat die simbabwische Regierung Kapitalkontrollen eingeführt und die jüngste im Mai dieses Jahres durchgeführt, als die Zentralbank die Summe an USD, die Leute an Geldautomaten abheben und aus dem Land schicken können, auf 1.000 Dollar begrenzte.

Angesichts solcher Einschränkungen hat Bitcoin Ende 2017 einen Kursanstieg über dem globalen Durchschnitt an der simbabwischen Golix-Börse verzeichnet, wobei sich der Kurs im November sogar verdoppelte, als die Einheimischen versuchten, eine Währung zu erhalten, die nicht von der Regierung kontrolliert oder eingeschränkt wurde. Es war auch im November, als Golix eine Vervierfachung seiner monatlichen Transaktionen feierte, ungefähr zu der Zeit, als das Land durch eine erneute Dollarknappheit destabilisiert worden war, 50 Prozent Inflation - was die neuen Anleihen beeinflusste, die die Regierung im November 2016 einführte - und einen Militärputsch. Infolgedessen konnte Golix sein monatliches Handelsvolumen auf etwa 860.000 Euro steigern, was eine beeindruckende Leistung war, wenn man bedenkt, dass es im gesamten Verlauf des Jahres 2016 insgesamt 86.000 Euro handelt.

Türkei

Ein ähnliches Bild war in der jüngeren türkischen Geschichte zu sehen. Dort haben Inflationsprobleme einen vergleichbaren - wenn auch nicht ganz so dramatischen - Schwung in Richtung Krypto verursacht. Diese Probleme wurden erst akut, als die Inflationsrate der türkischen Lira (TRY) im Oktober 2017 auf 11,9 Prozent stieg, als die Banken des Landes risikoreiche Niveaus in Bezug auf private Verschuldungen erreichten, als ausländische Investoren sich aus dem Land zurückzogen und als Präsident Tayyip Erdogan sich weigerte, als Reaktion darauf die Zinssätze zu erhöhen.

Daraufhin begannen die Türken, sich in Richtung Krypto zu orientieren, obwohl die Volumina damals nicht wesentlich größer waren als in Ländern mit ähnlichem BIP-Niveau. Zum Beispiel wurden in der Woche bis zum 4. November 2017 41 Bitcoins über die LocalBitcoins-Börse gegen türkische Lira gehandelt, während in Mexiko - mit einem ähnlichen BIP, aber einer Inflationsrate von rund 4,5 Prozent - 38 Bitcoins gegen mexikanische Pesos gehandelt wurden. Mit anderen Worten, eine relativ hohe Inflation kann der Krypto-Akzeptanz einen leichten Schub geben, aber ohne Hyperinflation führt sie nicht zu einem dramatischen Anstieg (z.B. wurden 303 Bitcoin in der Woche bis zum 4. November gegen venezolanische Bolívar gehandelt).

In diesem Jahr drohte jedoch zumindest eine Hyperinflation, da die Türkei Anfang Juli in eine aufkeimende Krise geriet, in der die Inflation auf 15,39 Prozent anstieg. So stieg das Volumen an der LocalBitcoins-Börse zwischen Anfang Juli und Anfang August um 131,9 Prozent, wobei das BTC-Handelsvolumen in türkischer Lira zwischen dem 7. Juli und dem 11. August von 327.295 auf 759.026 stieg.

Volumen des TRY- und BTC-Marktes

Zwischen diesen beiden Zeitpunkten sank der BTC-Kurs tatsächlich von 5.742 Euro auf 5.290 Euro (-7,87 Prozent), was bedeutet, dass dieser Anstieg nicht auf einen starken Bullenmarkt in der Türkei zurückzuführen ist. Ähnlich zeigen  Zahlen von CryptoCompare, die aus den Börsen BTCTurk und LocalBitcoins stammen, dass es am 10. August einen Bitcoin-Handel im Wert von 31,592,628 türkischen Lira gab, was einer Steigerung von 424,3 Prozent gegenüber dem 24-Stunden-Volumen vom 10. Juli entspricht, das bei 6.026.033 TRY lag.

Apropos türkische Inflationskrise und ihre positiven Auswirkungen auf die Nachfrage nach Krypto: Der ShapeShift-CEO Erik Voorhees erklärte auf Twitter, dass Bitcoins aktuelle Widerstandsfähigkeit angesichts der Kryptomarktturbulenzen seinen Bestand als Wertaufbewahrungsmittel erhöht und ihn zu einer realistischen Alternative zur türkischen Lira gemacht habe.

Es scheint, dass immer mehr Türken ihm zustimmen, wenn man bedenkt, dass eine Umfrage der ING Bank vom Juni ergab, dass die Türkei die höchste Kryptowährungsbesitzquote der Welt hat. Oder besser gesagt, unter 15 Ländern, einschließlich der USA, Australien, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. 18 Prozent der Türken besitzen eine Kryptowährung, verglichen mit 12 Prozent in Rumänien - das auch die höchste Inflationsrate unter den 14 anderen Ländern hat - und acht Prozent in den Vereinigten Staaten.

Kryptowährungsbesitz

Eine Inflationsrate von rund 15 Prozent allein reicht jedoch nicht aus, um die Akzeptanz von Kryptowährungen weitreichend voranzutreiben. Diese reich auch nicht aus, um den Prozess einer Hyperbitcoinisierung auszulösen. Zum einen sind die absoluten Zahlen, auch wenn der TRY/BTC-Markt in den letzten Wochen und Monaten ein Wachstum verzeichnet hat, immer noch vergleichsweise niedrig, wobei der Markt laut CryptoCompare derzeit auf Platz 16 der größten für Bitcoin ist. Dies entspricht einem 24-Stunden-Volumen von 226,09 BTC, was nur 0,08 Prozent des gesamten Handelsvolumens an einem Tag und nur 0,48 Prozent bzw. 0,68 Prozent des Handelsvolumens gegenüber dem US-Dollar bzw. dem japanischen Yen entspricht.

Wenn man sich außerdem die TRY/BTC-Charts für LocalBitcoins ansieht, ist der jüngste inflationsbedingte Anstieg gegenüber Juli-August nicht so groß und wird durch die Handelsvolumina in türkische Lira, wie sie im April und Anfang Juni und besonders während des Ansturms Ende 2017 beobachtet wurden, in den Schatten gestellt. Und wenn man sogar die TRY/BTC-Zahlen für die Woche bis zum 11. August mit denen für die Woche bis zum 18. August vergleicht - in der die Krise ihren Höhepunkt erreichte und die Lira um bis zu 10 Prozent zurückging - gibt es eher einen Rückgang als einen Anstieg. 759.026 TRY wurden für die Woche bis zum 11. August gehandelt, während nur 573.626 TRY in den sieben Tagen bis zum 18. August gehandelt wurden.

Im Gegensatz zu dem in Venezuela und Simbabwe sichtbaren Wachstum von Krypto deutet dieser fehlende ausgeprägte Aufschwung auf den Zugang zum US-Dollar, neben anderen Fiatwährungen und Wertspeichern, hin. Im Gegensatz zu Venezuela und Simbabwe hat sich die türkische Regierung dafür entschieden, keine Kapitalkontrollen durchzuführen, so dass die Menschen so viel Devisen kaufen und verkaufen können, wie sie wollen. Infolgedessen haben türkische Investoren und das türkische Volk begonnen, US-Dollar und Gold zu kaufen, wie die Tatsache zeigt, dass beide deutlich gegen die Lira gestiegen sind. Und andererseits hat weder Bitcoin noch irgendeine andere Kryptowährung in letzter Zeit einen großen Sprung beim Handelsvolumen erlebt, obwohl die längerfristige Schwäche der Lira dazu beigetragen hat, der Türkei eine der höchsten Krypto-Besitzraten in der entwickelten Welt einzubringen.

Argentinien und R­eservewährungen

Die gleiche Geschichte sieht man in Argentinien. Mit 31,2 Prozent hat Argentinien derzeit die höchste Inflationsrate aller mittelgroßen Volkswirtschaften - die der IWF auf Platz 21 in Bezug auf das BIP einstuft - und, wie man aus einer solchen Statistik schließen könnte, daher sollten Kryptowährungen in der südamerikanischen Nation eine starke Anhängerschaft haben.

Trotz der frühen Erwartung, dass Argentinien reif für die Bitcoin-Akzeptanz war, scheint es, dass die Bevölkerung derzeit Kryptowährung nicht in beeindruckender Zahl handelt. Auf der LocalBitcoins Börse, lag die höchste Anzahl an mit argentinischen Pesos gekauften Bitcoin im Jahr 2018 in einer einzigen Woche bei 31, und zwar in der Woche bis zum 7. Juli. Und zum Vergleich: Schweden ist laut IWF auf Platz 23 der größten BIP, doch in der Woche bis zum 7. Juli wurden noch viel mehr Bitcoin - 112, um genau zu sein - gegen schwedische Kronen gehandelt.

Volumen des ARS- und BTC-Marktes

Laut CryptoCompare ist Argentinien nur auf Platz 45 der größten Bitcoin-Märkte der Welt (Schweden ist auf Platz 31), obwohl das Land die sechsthöchste Inflationsrate der Welt hat. Und wie in der Türkei ist die überwiegende Erklärung dafür, dass Argentinien seit 2015 keine strengen Kapitalkontrollen mehr hatte, als der neue Präsident Mauricio Macri die Kontrollen aufhob, die von seiner Vorgängerin Cristina Fernandez de Kirchner im Jahr 2011 implementiert wurden.

Dadurch haben die Argentinier Zugang zum US-Dollar und anderen Währungen, was die Notwendigkeit von Kryptowährungen als Wertspeicher umgeht.

Dennoch ist Bitcoin auch ohne einen kürzlichen Sprung im Krypto-Handel oder -Eigentum immer noch spürbar in Argentinien präsent. Es war nicht nur so, dass eine argentinische Bank vor kurzem begonnen hat, Bitcoin für grenzüberschreitende Zahlungen anstelle des SWIFT-Netzes zu nutzen, sondern das Land war auch einer der ersten Anwender von Bitcoin im Zeitraum zwischen 2011 und 2015 - obwohl es Kapitalkontrollen gab. Wie Tom Jeffreys Anfang 2016 meldete, wurde Bitcoin bereits von 145 Händlern allein in Buenos Aires akzeptiert (jetzt wird er von 194 akzeptiert), was bedeutet, dass die Kryptowährung nicht nur ein Wertspeicher, sondern auch eine Zahlungsmethode war:

"Für viele sind die praktischen, alltäglichen Anwendungen von Bitcoin in einem Land wie Argentinien die ersten Labortests einer radikalen Finanzreform, die weitere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben könnten."

Dunkle Szenarien

Die Lektion, die aus allen obigen Beispielen gelernt werden kann, ist diese: Kryptowährungen haben ein großes Potenzial als alternative Zahlungsmittel und Wertspeicher in Finanzkrisen. Solange jedoch die Weltreservewährungen - wie der US-Dollar und der Euro - stabil bleiben und solange Menschen einer instabilen Nation Zugang zu solchen Reserven haben, dürfte keine Kryptowährung in diesem Land eine breite Akzeptanz und Verwendung finden - zumindest nicht infolge einer Inflation. Einfacher gesagt: Es wird keine Hyperbitcoinisierung geben, solange der US-Dollar stark bleibt.

Wie die Zahlen von Coin Dance für die Märkte auf LocalBitcoins zeigen, sind die Handelsvolumina in Ländern mit sehr schlechtem Zugang zu einer zuverlässigen Fiatwährung am höchsten - und steigen am schnellsten. Folglich ist es nicht nur die Inflation, sondern auch der Mangel an US-Dollar und anderen standhaften Fremdwährungen, die die Massenakzeptanz von Krypto in einem Land vorantreiben.

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