Im jüngsten Urteil im Zusammenhang mit der Sammelklage gegen OneCoin wurde Konstantin Ignatow, einer der Mitbegründer von OneCoin, als Angeklagter entlassen, da er zugestimmt hatte, gegen seine Schwester auszusagen. Ignatow ist der Bruder von Ruja Ignatowa, der berüchtigten Anführerin von OneCoin. Sie ist in der Community auch als "Kryptoqueen" bekannt. Ignatowa verschwand im Jahr 2017 und hat es seither geschafft, sich vor den Behörden und der Öffentlichkeit zu verstecken.

Ignatow ist aus der Klage, die von betrogenen OneCoin-Investoren initiiert wurde, nun ausgenommen worden. Aus Gerichtsdokumenten geht allerdings hervor, dass die Klage bestehen bleibt und sich nun gegen Ignatowa richtet. Beide sind nach wie vor in einer weiteren Klage des Justizministeriums der Vereinigten Staaten als Angeklagte aufgeführt. Dieser Fall könnte bis zu 90 Jahre Gefängnis einbringen.

Ignatow wurde am 6. März 2019 in Los Angeles verhaftet und hat nun offen gegen seine Schwester ausgesagt. Er behauptet, seit ihrem Verschwinden keinen Kontakt zu ihr gehabt zu haben und er habe einen Privatdetektiv beauftragt, sie zu finden. Bisher allerdings war dieses Unterfangen erfolglos. On Yavin, Gründer und CEO der Blockchain-Daten- und Aufklärungswebseite Cointelligence erklärte gegenüber Cointelegraph:

"Die OneCoin-Investoren hatten gehofft, dass sie durch die Klagen gegen Ignatow, der sich in Haft befand, eine Chance hätten, zumindest einen Teil ihres Geldes zurückzubekommen. Aber die Entscheidung, das Verfahren jetzt fallen zu lassen, nachdem das Gericht sie verwarnte, weil sie nicht genügend Informationen geliefert hatten, lässt vermuten, dass sie möglicherweise übereilt gehandelt haben. Ich glaube nicht, dass diese Entscheidung bedeutet, dass Ignatow unschuldig ist. Und ich glaube nicht, dass die Investoren bereit sind, aufzugeben."

Jetzt, da Ignatow als Angeklagter aus einem der Prozesse gegen OneCoin ausgenommen wurde, und Ignatowa immer noch auf der Flucht ist, fragen sich viele nun, wie OneCoin es geschafft hat, so viele Menschen zu betrügen. Eine weitere Frage ist, was die Opfer tun können. Die traurige Geschichte von OneCoin ist mittlerweile so populär geworden, dass sogar eine Fernsehsendung auf Grundlage der Ereignisse geplant ist.

OneCoin: Die Geschichte

Die Geschichte zu OneCoin weißt bereits viele Warnsignale auf. Das Unternehmen wurde im Jahr 2014 gegründet und hat seinen Sitz in Bulgarien. Die Struktur war ein typischen Multi-Level-Marketing-System. Es gab allerdings einen Unterschied. Man musste keine Produkte oder Mitgliedschaften bewerben. Stattdessen gab es eine Kryptowährung, die der OneCoin-Werbung zufolge, der nächste Bitcoin (BTC) sei.

Viele Leute in und außerhalb der Krypto-Community durchschauten diesen Betrug. Diejenigen, die MLM-Modelle kannten, sahen schnell die Ähnlichkeiten in der Funktionsweise und Vermarktung. Und diejenigen, die sich mit Krypto auskannten, konnten klar erkennen, dass es keine Blockchain oder Netzwerk gab. Die Kryptowährung OneCoin war eine große Täuschung. Werbeanzeigen zum milliardenschweren Pyramidensystem wurden bei mehreren Verkaufsstellen veröffentlicht, auch auf Cointelegraph. Wir berichteten bereits im Jahr 2015 darüber. Mehrere Institutionen und Regierungsstellen haben auch alsbald Warnungen vor OneCoin herausgegeben.

Nichtsdestotrotz wurde das Unternehmen im Laufe der Jahre äußerst beliebt und verkaufte Mitgliedschaftspakete, die angeblich OneCoin-Token enthielten und das Mining weiterer Coins ermöglichten. Diese konnten an der privaten Börse Xcoinx in Fiat-Währung umgetauscht werden. Aber die Mitglieder konnten nur eine begrenzte Menge verkaufen, die vom jeweils gekauften Mitgliedschaftspaket bestimmt wurde. Damit konnte das Schneeballsystem Gelder über längere Zeiträume im Umlauf lassen und gleichzeitig Investoren bis zu einem gewissen Grad beruhigen. Yavin kommentierte dazu:

"Sie überzeugten die Investoren, dass all diese Warnungen "Hassnachrichten" seien, und schufen damit eine Mentalität des Zusammenhalts, in der es hieß: Wir Investoren gegen die anderen. OneCoin funktioniert weiterhin, weil die Aufsichtsbehörden nicht genug tun. Die britische Aufsichtsbehörde FCA tut etwa nicht genug, um Menschen davon abzuhalten, OneCoin zu verkaufen. Vor ein paar Monaten habe ich nachgesehen, und das war damals immer noch der Fall!"

OneCoin war bekannt für seine rücksichtslosen und übertriebenen Marketing-Taktiken, wie etwa extravagante Produktionen, bei denen die charismatische OneCoin-Chefin Ignatowa und andere Veranstalter die Kryptowährung bei ahnungslosen Opfern bewarben. Ein Beispiel dafür ist das dramatische Spektakel "Coin Rush" in der SSE Arena in London. Dort bezeichnete Ignatowa in typischer OneCoin-Manier den Token als "Bitcoin-Killer". Und jeder, der dagegen sei, sei ein "Hater".

Pyramide beginnt zu bröckeln

Im oben genannten Fall erklärte Ignatowa, OneCoin würde eine neue und verbesserte Blockchain erhalten und das OneCoin-Angebot würde sich verdoppeln. Das würde den Wert ebenfalls verdoppeln. Zwei Wochen später wurde jedoch Bjorn Bjercke, einem Prominenten aus der Bitcoin-Entwicklung, angeboten, technischer Leiter von OneCoin zu werden und eine tatsächliche Blockchain zu entwickeln. Dieser lehnte allerdings ab. Widersprüche und leere Versprechungen türmten sich immer weiter bei OneCoin. Zu diesem Zeitpunkt war ihre so genannte Börse bereits seit März 2016 geschlossen.

Nach den vielen Warnungen und Geschichten im Zusammenhang mit dem kultähnlichen Schneeballsystem wurde viele Investoren allmählich nervös. Es wurde auch zwar eine neue Börse versprochen, aber dazu kam es nie. Das System lief weiter bis Ignatowa im Oktober 2017 verschwand und das OneCoin-Pyramidensystem allmählich bröckelte.

Cointelegraph sprach mit Jen McAdam, einem OneCoin-Coin. Sie hat eine Unterstützungsgruppe für die Betroffenen gegründet. Sie erklärte, wie OneCoin sich nach und nach als Betrug entpuppte. Das geschah zum einen durch die Aktionen des Unternehmens und zum anderen durch die technologischen Aspekte der OneCoin-"Blockchain". McAdam und ihre Freunde und Familie investierten und verloren über 250.000 Euro. Ihren Angaben nach erkannte sie erst im Januar 2017, dass der SQL-Server keine Blockchain war und keine Krypto erstellen konnte:

"Einige Monate nach der Investition wurden OneCoin-Bankkonten geschlossen und neue Konten eröffnet. Das geschah immer häufiger und war nur der Anfang meiner Bedenken. Im Januar 2017 wurde mir klar, dass OneCoin tatsächlich nichts weiter als ein abscheulicher und grausamer weltweiter Betrug mit gefälschter Kryptowährung war. [...] Schließlich hinterließ mir einer der Leiter von OneCoin eine Sprachnachricht und erklärte, die OneCoin-Blockchain sei ein Folgeserver. Damals verwandelten sich alle Warnsignale, die ich sah, in verheerende Realität."

Ignatowas Bruder übernahm und machte mit dem OneCoin-Betrug fast zwei Jahre lang weiter, bis er am 6. März 2019 in Los Angeles verhaftet wurde. Eine zivilrechtlichen Sammelklage wurde zwar gegen ihn fallengelassen, aber dennoch bekannte sich Ignatow am 4. Oktober 2019 wegen Geldwäsche und Betrugs schuldig. Nun muss er in einem Strafverfahren, das von der New Yorker Bezirksstaatsanwaltschaft nach seiner Verhaftung initiiert wurde, mit bis zu 90 Jahren Gefängnis rechnen. Das US-Gericht hat die Verurteilung auf Ersuchen der Regierung jedoch mehrmals verschoben. Nun soll es diese am 11. November geben.

Wie groß war OneCoin überhaupt?

Die Ermittlung im Vorfeld der genannten Sammelklage ergab, dass die Umsatzeinnahmen sich auf rund 4,4 Mrd. US-Dollar belief. Einige Quellen, die eng mit OneCoin zusammengearbeitet haben, behaupteten, dass bis zu 19,4 Mrd. US-Dollar gestohlen worden seien. Laut Digitpol, einer privaten Ermittlungsbehörde, konnten Strafverfolgungsbeamte in China rund 267 Mio. US-Dollar zurückholen und dabei 98 Personen angeklagt.

Es gab Warnungen von Zentralbanken und anderen Regierungsbehörden. Dennoch fielen Leute auf der ganzen Welt darauf herein. McAdam sagte gegenüber Cointelegraph, OneCoin behauptete, über 3,5 Millionen Mitglieder zu haben. Diese Zahl schien nicht übertrieben zu sein. Sie erzählte Cointelegraph auch von den vielen tausenden Leuten, die ihre Gruppe um Hilfe gebeten haben:

"Wir haben jetzt weltweit über 10.000 OneCoin-Opfer. Ich möchte an dieser Stelle auch noch hinzufügen, dass OneCoin auch eine Sekte ist. Viele Mitglieder, die investiert haben, sind so stark beeinflusst, dass sie nicht wahr haben wollen, dass OneCoin ein Betrug ist. Jeden Tag erkennen immer mehr OneCoin-Mitglieder, dass das System ein Betrug war. Die Anfragen von am Boden zerstörten und sogar suizidalen OneCoin-Opfern nehmen immer stärker zu. Sie wollen ebenfalls der Unterstützungsgruppe für OneCoin-Opfer beitreten."

Leute hinter OneCoin

Mehrere Personen wurden auf die eine oder andere Weise mit OneCoin in Verbindung gebracht. Einige wurden wegen Förderung oder Teilnahme an dem Projekt verhaftet, andere sind hingegen auf der Flucht. Viele Leute, die hinter dem System stecken, sind bisher noch unbekannt, und es ist auch unklar, ob es sich um eine Art organisiertes Verbrechen handelt. In der Klage der Investoren wurden mehrere Namen genannt, darunter etwa die Firma OneCoin Ltd, Ignatowa, Ignatow, Sebastian Greenwood und Mark Scott.

Greenwood war zuvor am Pyramidensystem Unaico beteiligt und arbeitete in verschiedenen Positionen für OneCoin. Viele OneCoin-Beteiligte hatten eine fragwürdige Vergangenheit, wie etwa der Ex-Präsident von OneCoin Nigel Allan, der vor einem Streit mit Ignatowa an ähnlichen Pyramidensystemen, wie etwa Crypto 888 und Brilliant Carbon, beteiligt war.

Andererseits wurden auch Irina Andreeva Dilinska, David Pike und Nicole Huesmann in der Sammelklage genannt. Einige von ihnen konnten bisher noch nicht ausfindig gemacht werden. Le Quoc-Hung, eine wichtige Person bei der Rekrutierung für OneCoin, ist vor kurzem wieder aufgetaucht und nutzt seine OneCoin-Kanäle, um einen weiteren Betrug zu bewerben. Sein Aufenthaltsort ist allerdings unbekannt.

Mehreren Personen und Organisationen wurde auch vorgeworfen, Geld für OneCoin und seine Mitglieder gewaschen zu haben. Pike soll etwa rund 400 Mio. US-Dollar über "Fonero Funds", einen Eigenkapital-Fonds, gewaschen haben. Pike, der COO bei Fonero Funds, behauptete, er habe nicht gewusst, dass die Gelder aus dem Betrug stammten. Man vermutet auch, dass Scott die Gelder für OneCoin gewaschen habe.

Viele andere wichtige Leute, die insbesondere als Promoter und Rekrutierer tätig gewesen sein sollen, wurden außerhalb der USA verhaftet. Kürzlich wurden zwei OneCoin-Promoter in Singapur verurteilt. Die Wurzeln von OneCoin sind tief. Selbst Kirchen sollen beteiligt gewesen sein. Grant Blaisdell, Mitbegründer und Marketingleiter der Blockchain-Analysefirma Coinfirm, sagte gegenüber Cointelegraph:

"Im Oktober 2019 arbeitete Coinfirm mit der globalen Ermittlungsfirma Kroll zusammen und brachte ReclaimCrypto auf den Markt. Seit der Lancierung der gemeinsamen Initiative wurden Hunderte von Klagen im Zusammenhang mit OneCoin eingereicht. Das zeigt das wahre Ausmaß des Betrugs auf. Bis jetzt haben wir mehrere Adressen identifiziert, die noch immer veruntreute Gelder enthalten."

Was können Opfer tun?

Auch wenn es nicht einfach ist, Geld zurück zu erhalten, das durch OneCoin oder einen anderen Betrug verloren ging, gibt es immer noch ein paar Dinge, die man tun kann. Laut McAdam haben die Gruppen der OneCoin-Opfer Fortschritte bei der Enttarnung des Betrugs und in Sachen Sensibilisierung gemacht:

"Seit drei Jahren enttarnen ich und ein Netzwerk von Menschen weltweit den OneCoin-Betrug und arbeiten weltweit mit Behörden zusammen. Ich persönlich will hauptsächlich Gerechtigkeit für die Opfer. Dazu gehört die Hilfe und Unterstützung von Opfern auf der ganzen Welt, die Sensibilisierung der Medien weltweit sowie die Teilnahme und Zusammenarbeit mit BBC am erfolgreichen BBC-Podcast The Missing Cryptoqueen."

McAdam sagte gegenüber Cointelegraph auch, es sei möglich, dass, wenn die Prozesse abgeschlossen sind und die Leute hinter OneCoin hinter Gittern sind, "die US-Gerichte sich um einen globalen Fonds zur Rückholung des Vermögens von OneCoin-Opfern bemühen werden und die Anwälte dann den Opfern bei der Wiedererlangung ihres Geldes helfen werden." Blaisdell erklärte auch, dass sich die Opfer an Coinfirm wenden könnten, um Hilfe zu bekommen:

"Coinfirm arbeitet zusammen mit seinen bewährten Partnern weiter daran, die umfassende Strategie für eine Rückholung des Vermögens für die Opfer vorzubereiten, die uns um Hilfe gebeten haben. Wir raten allen OneCoin-Opfern dringend, sich bei unserem Reclaim Crypto-System anzumelden, damit wir ihnen bei dem potenziellen Verfahren um Entschädigungen helfen können."

Möglicherweise haben einige Leute zu drastischeren Maßnahmen gegriffen. Vor kurzem wurden zwei OneCoin-Promotoren in Mexiko tot aufgefunden. Es ist aber auch möglich, dass lokale Kartelle hinter dem Verbrechen stecken.

Betrügereien nach wie vor großes Problem

Da der Kopf hinter OneCoin, nämlich Ignatowa, immer noch nicht gefunden und ihr Bruder verhaftet wurde, ist der Betrug wohl vorbei. Doch obwohl die Webseite von OneCoin offline genommen wurde, ist die Bewegung wohl noch nicht ganz zum Erliegen gekommen. Tatsächlich haben OneCoin-Mitarbeiter nach der Verhaftung von Ignatow und anderen Mitgliedern der Community dementiert, dass es sich dabei um ein Pyramidensystem handelt und sogar eine Petition zur Freilassung Ignatows lanciert.

Jetzt, wo die Renditen durch das dezentralisierte Finanzwesen populär werden, kommen auch in diesem neuen Sektor Betrügereien auf. Ein weiterer großer Betrug, der aufgedeckt wurde, nämlich PlusToken, versprach seinen Benutzern eine Rendite auf ihre Einlagen, ähnlich wie bei DeFi-Krediten und Zinsprotokollen. Tatsächlich gibt es immer noch sehr viele Betrügereien. Diese können sich auf die gesamte Kryptobranche auswirken. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Betrügereien dieser Art jemals wirklich vollständig verschwinden werden, aber potentielle Investoren sollten sich immer die Zeit nehmen, sich darüber zu informieren, woran man solche erkennt und wie sie vermieden werden können, wie McAdam gegenüber Cointelegraph erklärte:

"Leute können dazu beitragen, indem sie das Bewusstsein vor allem innerhalb der Medienplattformen schärfen. [...] Der OneCoin-Betrug läuft immer noch weiter und immer noch verlieren unschuldige Menschen auf der ganzen Welt ihre Ersparnisse oder machen Schulden für ihr Leben. Wenn wir das Bewusstsein dafür schärfen, können wir dazu beitragen, unschuldige Menschen weltweit vor solchen heftigen finanziellen Verlusten zu schützen, den Opfern zu helfen, die Gerechtigkeit zu schaffen, die sie verdienen, und die Leute weltweit über gefälschte Kryptowährungsbetrügereien aufzuklären."