An diesem Montagvormittag hat Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller mit seiner digitalen ID an der ersten Blockchain-basierten Konsultativabstimmung in der Hauptstadt des “Crypto Valley” teilgenommen und diese damit eröffnet. Zuvor hat er dafür plädiert, dass die Stadt als erste auf der Welt die Kryptowährung Bitcoin für Gebühren in der Einwohnerkontrolle akzeptiert.

Ob Dolfi Müller an die Blockchain-Technologie und deren Nutzen für die Einwohner seiner Stadt glaubt, was er dem “Crypto Valley” nach seinem Austritt in diesem Dezember wünscht und wie das Zuger Rathaus zur Abstimmung auf der Blockchain kam - darüber hat “Cointelegraph auf Deutsch” mit Dolfi Müller auf der Crypto Valley Conference in Zug gesprochen.

Cointelegraph auf Deutsch: In der Stadt Zug findet gerade Abstimmung auf der Blockchain statt. Wie kam es überhaupt zu diesem Projekt?

Dolfi Müller: Wir wollen das nur ausprobieren - es handelt sich um eine Konsultativabstimmung. Da es sich um eine Probeabstimmung handelt, sind die Ergebnisse für die Stadtverwaltung unverbindlich. Die Einwohner können einfach abstimmen, was sie vom Feuerwerk beim Zuger Seefest halten und welche Dienste sie sich für die eID wünschen.

Es ist uns aber wichtig, die Sicherheit und Transparenz dieser Abstimmung zu überprüfen, weil durch die dezentrale Datenbank Missbrauch und Hacking viel schwieriger sind und die Daten bestmöglich verschlüsselt und gespeichert werden. Datensouveränität ist uns sehr wichtig. Wenn man etwas dezentral macht, besteht die Gefahr, dass man die Daten missbraucht, aber viel, viel weniger als bei zentralen Technologien. Bei unserer Abstimmung bleiben die persönlichen Daten beim Nutzer, die fließen nicht in ein zentrales Netzwerk.

CT: Wer kann an dieser Abstimmung teilnehmen? Nur Menschen, die eine digitale ID besitzen, die Sie im Herbst letztes Jahres eingeführt haben?

DM: Genau, deswegen haben wir auch Werbung gemacht:  wenn man bei diesem E-Voting in Zug mitmachen will, dann muss man auch eine ID bei uns ausstellen lassen. Es ist auch nach der Wahl möglich. Hoffentlich werden mehr Menschen dank dieser Abstimmung Interesse an der digitalen ID haben.

Ich bin selbst gespannt, wie viele Menschen an der Abstimmung teilnehmen werden. Das alles ist für uns wie ein Forschungsprojekt. Mal schauen, ob es funktioniert, wo es Fehler gibt. Die Abstimmung auf der Blockchain ist nicht “just do it”, sondern ein langer Entscheidungsprozess. Wenn es klappt, dann haben wir einen Use Case - es wird praktischer, etwas, wovon nicht nur in Universitäten im Hörsaal geredet wird.

Mit solchen praktischen Anwendungsfällen verstehen Menschen mehr von der Blockchain-Technologie, sie sehen, wie sie ihren Alltag verändert. Wir haben auch vor, ein offenes Ökosystem rund um die eID aufzubauen, so zum Beispiel ein Blockchain-basierter Fahrradverleih oder das Ausleihen von Büchern ohne Bibliotheksausweis.

CT: Wie wird das alles funktionieren?

DM: Einfach die mobile App Uport herunterladen, seine ID auf der Ethereum-Blockchain registrieren und dann den QR-Code einfach scannen - und dann heißt es: Herzlich willkommen im Zuger Netz. Nach der Authentifizierung im Zuger Webportal gibt der Bürger seine persönlichen Informationen und die bereits vorhandene Zug ID-Nummer ein. Nun muss er ins Rathaus, um seine Identität zu bestätigen - aber nur einmal.

CT: Was ist der Grund für Ihre Offenheit gegenüber Kryptowährung und Blockchain-Technologie?

DM: Ich bin kein „Digital Freak“. Aber mich interessiert die Zukunft. Und mir ist es eben lieber,  Erfahrungen damit zu machen, als immer nur defensiv zu sein. Auch für meine Stadt ist das gut - und mein Team begrüßt diese Innovationen auch. Viele Leute in Zug sagen auch, diese Leute im Rathaus spinnen. Aber das ist mir egal.

CT: Viele Blockchain-Firmen können keine Geschäftsbeziehungen mit Schweizer Banken eingehen. Gibt es im Crypto Valley schon irgendwelche Lösungsansätze für dieses Problem?

DM: Seitdem wir Bitcoin für Gebühren beim Handelsregisteramt Zug akzeptieren, beobachten wir selbst dieses Problem. Nur eine Bank in Lenzburg und auch die Liechtensteiner Bank Frick kooperieren mit Startups. Wir versuchen hier mit Experten, Anwälten, Bankern,  Mitarbeitern aus der Verwaltung, ein “Ökosystem” zu schaffen, um uns nach den Bedürfnissen des Unternehmens und ihren Kunden zu richten. Wir arbeiten am Austausch von Wissen und Erfahrungen - wir sprechen auch mit Banken, machen ein bisschen Druck à la “Hey, ihr seid am Schluss schuld, wenn das Ganze nicht gut kommt”.

Natürlich, ich verstehe die Banken, dass alles mit vielen Risiken verbunden ist, und sie müssen sich absichern. Sie müssen auch vieles mit der FINMA klären. Aber das alles ist eine Frage des Wollens - man findet immer Lösungen, wenn man will.

CT: Liechtenstein lanciert ein Blockchain-Gesetz. Damit nimmt es Vaduz in Sachen Blockchain mit Zug auf. Sehen Sie Ihr Nachbarland als Konkurrenz?

DM: Wir sind alle in einem Ökosystem, das alle Services aus einer Hand bietet. Deswegen bin ich überzeugt, dass wir mit Liechtenstein kooperieren müssen.

CT: Was halten Sie von ICOs und wie schützen Sie Kleinanleger vor möglichen Investitionsrisiken auf lokaler Ebene?

DM: Es sollte eher national oder sogar international kontrolliert werden. Aber in Zug will ich keine Kriminellen, ich arbeite ausschließlich für die Unternehmer aus dem Ökosystem, die ich kenne, die nicht für andere Geld machen wollen, sondern die Welt verändern und erfolgreiche Ökosysteme aufbauen.

Ich weiß, dass nicht jedes ICO gut ist - schwarze Schafe gibt es überall. Aber wir haben keine Beratungsstellen hier in Zug, wo Anleger sich über Investitionsrisiken informieren können. Das ist klar, wir alle sind freie Bürger, die selbst wissen müssen, wo sie ihr Geld hingeben und wo nicht. Ich selbst habe kein Interesse an solchen Startups, die nur Gewinne machen wollen. Ich habe persönlich kein Interesse an Bitcoin - weil ich nicht spekuliere. 

CT: Blockchain könnte zu größerer technologischer Arbeitslosigkeit führen. Wird die Stadt Zug entsprechende Maßnahmen einführen, wie zum Beispiel Weiterbildungen für Menschen, die sich erneut qualifizieren wollen?

DM: Ich gebe Ihnen Recht, die Blockchain wird wahrscheinlich viel Jobs ersetzen, aber viele Jobs werden dank der Technologie entstehen. Aber solche Weiterbildungsangebote haben wir noch nicht - es gibt einfach keine Nachfrage im heutigen Zeitpunkt. Die Hochschule Luzern bildet Fachleute aus -  ziemlich günstig für die Studenten.

Und Sie dürfen mich nicht überschätzen - Beratungsstelle für Anleger, Weiterbildungsseminare - das alles muss man auf nationaler Ebene machen oder mindestens auf der Ebene des Kantons, nicht der Stadt.

CT: Haben Sie keine Angst, dass Zug einen zweifelhaften Ruf bekommt als ein Ort, wo es ICO-Betrug gibt und man illegale Zahlungen tätigen kann?

DM: Das stimmt nicht - Zug ist viel besser als sein Ruf. Zug war immer dynamisch, sehr freiheitlich, mischt immer vorne mit. Wir haben nichts zu tun mit der Kriminalität und sind für die Transparenz. Und hier gibt es nichts zu diskutieren. In diesem Punkt sind wir rigoros.

CT: Was wünschen Sie sich für Zug bezüglich der Blockchain nach Ihrem Austritt?

DM: Mehr gute “Use Cases“, mehr praktische Anwendungen der Blockchain, damit die Leute sagen: “Oh, es bringt wirklich etwas und macht unser Leben besser”.