Ist der Internationale Währungsfonds (IWF) wirklich feindlich gegenüber Kryptowährungen eingestellt? Viele Leute aus der Kryptowährungs- und Blockchain-Branche glauben das. Im Januar forderte der Fonds El Salvador auf, Bitcoin (BTC) nicht mehr als gesetzliches Zahlungsmittel zu verwenden.

Im Mai setzte der IWF Argentinien unter Druck, im Gegenzug für eine Verlängerung des IWF-Darlehens den Krypto-Handel einzuschränken. Er warnte kürzlich auch die Marshallinseln, dass die Anerkennung einer digitalen Währung als gesetzliches Zahlungsmittel "Risiken für die makroökonomische und finanzielle Stabilität sowie die finanzielle Integrität erhöhen" könnte.

"Ich glaube, der IWF ist ein unerbittlicher Feind von Krypto", so David Tawil, Präsident und Mitbegründer von ProChain Capital, gegenüber Cointelegraph. Da Bitcoin und andere Kryptowährungen von nicht-staatlichen Einrichtungen "ausgegeben" werden und nicht geographisch eingeschränkt sind, "kann Krypto allgegenwärtig sein, was die Notwendigkeit des IWF", einer Finanzbehörde der Vereinten Nationen, erheblich reduzieren kann.

"Bitcoin steht gegen alles, wofür der IWF steht", so Alex Gladstein, Chief Strategy Officer der Human Rights Foundation, im Juni gegenüber Politico. "Das ist Geld von außen, das sich von diesen Alphabetsuppen-Organisationen nicht kontrollieren lässt". Dan Held von Kraken twitterte als Kommentar zum Vorgehen des Fonds in Argentinien lediglich: "Der IWF ist böse".

Andere wiederum glauben, dass diese internationale Kreditinstitution, die rund 190 Länder bedient und seit langem viel Kritik aus Entwicklungsländern erntet, Kryptowährungen etwas differenzierter betrachtet.

Aufgeschlossen gegenüber Krypto-Assets?

In einem Bericht vom September mit dem Titel "Regulierung von Kryptowährungen" wurde der Eindruck erweckt, der IWF hat kein Problem mit der Existenz oder sogar der Verbreitung von nichtstaatlichen digitalen Währungen. Er forderte sogar einen "globalen Regulierungsrahmen" für Kryptowährungen, um Ordnung in die Märkte zu bringen "und einen sicheren Raum für nützliche Innovationen zu schaffen". 

"Der IWF ist sehr aufgeschlossen gegenüber Krypto-Assets", so John Kiff, Geschäftsführer einer CBDC-Denkfabrik und bis 2021 leitender Experte für den Finanzsektor beim IWF, gegenüber Cointelegraph. Das gelte vor allem, wenn man über einige der oben genannten Fälle hinausblickt. Er fügte hinzu:

"Die Meinungen zu den Marshallinseln und El Salvador betrafen Regierungen von Ländern, die Kryptowährungen als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt haben, als ihre Rechnungswährungen bereits fest etabliert waren. Diese negativen Meinungen konzentrierten sich zumeist auf die makroökonomischen Auswirkungen der Ankopplung ihres Finanzsystems an Kryptowährungen." 

Weiter hieß es, "es stimmt, dass der IWF Kryptowährungen skeptisch gegenübersteht, und er war sehr streng mit El Salvador", so Josh Lipsky, Senior Director des GeoEconomics Center des Atlantic Council, gegenüber Cointelegraph. Der Grund dafür war allerdings, dass der Fonds im Hinblick auf die finanzielle Anfälligkeit der Wirtschaft des Landes besorgt war. Der IWF "wird ihnen finanziell helfen müssen", wenn El Salvador seine internationalen Schulden nicht mehr bezahlen kann.

"Argentinien hat im Laufe der Jahre über 20 Kreditprogramme durchgeführt, so dass es nicht wirklich zum IWF zurückgehen und seine Kredite neu verhandeln kann, während es gleichzeitig Krypto-Experimente durchführt", so Lipsky weiter. Der Bürgermeister von Buenos Aires, ein Befürworter von Kryptowährungen, will den Einwohnern der Stadt ermöglichen, ihre Kommunalsteuern in Kryptowährungen zu bezahlen. "Das hat bei dem Fonds für Erstaunen gesorgt", wie Lipsky kommentierte.

Selbst Tawil ist der Meinung, dass der IWF unter bestimmten Umständen zurecht "bestimmte politische Entscheidungen wie Sparmaßnahmen, Besteuerung oder die Streichung von staatlichen Subventionen, die wirtschaftlich nicht tragbar sind", zu erzwingen. Wenn in einem Land "eine schreckliche Politik" betrieben wird, durch die es dauerhaft von der Unterstützung des Fonds abhängig ist, dann "wird der IWF seine Kreditvergabefähigkeit auch nutzen, um politische Entscheidungen zu beeinflussen".

Geldwäscherisiken 

Im Zusammenhang mit dem Plan der Marshallinseln, eine souveräne digitale Währung namens SOV als zweites gesetzliches Zahlungsmittel einzuführen, sprach Yong Sarah Zhou vom IWF nicht nur von Gefahren für die Finanzstabilität, sondern auch von "Risiken bei der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (AML/CFT)". 

Simon Lelieveldt, ein Regulierungsberater für Zahlungen und Blockchain aus den Niederlanden, ist jedoch unsicher, ob das wirklich die größte Sorge des Fonds ist. Kryptowährungen können zwar "als Anlagevermögen und auch als Instrument zur Geldwäsche verwendet werden, wie auch Bargeld von der Bank", aber es ist eher die "Unkontrollierbarkeit" von Kryptowährungen, die dem IWF und anderen länderübergreifenden Organisationen, darunter auch der Financial Action Task Force, Sorgen macht.

Die Regierungen in den Entwicklungsländern fühlen sich manchmal "von den IWF-Entscheidungen und neoliberalen Dogmen unterdrückt" und wollen "den Fesseln des IWF entkommen", indem sie sich alternativer legaler Zahlungsmittel bedienen. Das führt unweigerlich "zu Reaktionen von Institutionen, die Angst haben, ihre Macht zu verlieren", wie er gegenüber Cointelegraph erklärte.

Ein Missverständnis?

El Salvador war das erste Land der Welt, das im September 2021 Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel einführte. "El Salvador war ein wirklich schlechter Anwendungsfall", so Lipsky gegenüber Cointelegraph. "Was Terra Luna für Kryptowährungen in den Vereinigten Staaten war, war El Salvador für die Kryptowährung weltweit." 

Was ist schief gelaufen? "Es gab so viele Fehler, aber wenn ich einen nennen müsste, dann wäre es die gefühlte Eile." Es gab eine "oberflächliche, zweiseitige Erklärung, wie das mit Bitcoin funktionieren würde", und das war es auch schon.

Anstatt zunächst einmal zu experimentieren kleinen Pilotprojekten und unabhängigen Risikobewertungen zu beginnen, wurde das Bitcoin-Gesetz im Eiltempo durch die Gesetzgeber in El Salvador auf den gebracht und sofort in Kraft gesetzt, "rücksichtslos und überstürzt", so ein Kritiker.

Die Vorbehalte des IWF gegenüber Kryptowährungen als gesetzliches Zahlungsmittel haben sich nach Ansicht von Lipsky im Zuge der ungeschickten BTC-Einführung in El Salvador noch verstärkt.

Dennoch haben Institutionen wie der IWF und die Weltbank wohl einen "übergroßen Einfluss" auf kleine Länder, die mehr Kontrolle über ihre Währungen haben wollen. Sie "können Druck ausüben, indem sie die Hilfe an Bedingungen knüpfen oder sie einfach aussetzen, wenn die Länder ihre Anforderungen nicht erfüllen", so Henri Arslanian in seinem kürzlich veröffentlichten Buch The Book of Crypto.

Als El Salvador beispielsweise Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannte, kritisierte die Weltbank diesen Schritt nicht nur, sondern "weigerte sich auch, technische Unterstützung zu leisten, und berief sich dabei auf Umwelt- und Transparenzbedenken", so Arslanian.

Natürliche Feinde?

In Anbetracht des Mandats von Nichtregierungsorganisationen wie dem IWF und der Weltbank, das im Großen und Ganzen darin besteht, die globale Finanzstabilität zu fördern und das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern anzukurbeln, könnte es einfach ein natürliches Spannungsverhältnis gegenüber dezentralen Währungen sein, bei denen es sich häufig um volatile und schwer zu kontrollierende Finanzinstrumente handelt. Zudem gibt es für diese weder eine Absenderadresse noch identifizierbare Verantwortliche. 

Wie Tawil anmerkte, wird der IWF häufig um Hilfe gebeten, wenn Volkswirtschaften "unter einer korrupten und unfähigen Führung und Scheinwährungen leiden". Daher hat er "keinen Anreiz, eine weitere 'emittentenlose' Währung hinzuzufügen". Er erklärte abschließend aber noch:

"Der IWF kann die Realität nicht ignorieren, dass unsere Zukunft von Kryptowährungen geprägt sein wird."