Hamburg steht bislang für das Meer, den Hafen und Logistik. Doch scheint es - dank eines Menschen, dass die Blockchain weite Teile der hiesigen Wirtschaft in der nordischen Stadt erreicht.

Dieser Mensch ist Sebastian Saxe. Der 62-Jährige ist seit Januar 2018 CDO (Chief Digital Officer) der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation und zudem seit 10 Jahren Mitglied der Geschäftsleitung und CDO der Hamburger Hafenbehörde (Hamburg Port Authority - HPA).

In seiner Funktion als CDO treibt Saxe die digitale Transformation der HPA voran und kümmert sich um die digitalen Belange der HPA und damit des Hamburger Hafens - von der Idee bis zum digitalen Geschäftsmodell.

Im August hatte Cointelegraph auf Deutsch die Gelegenheit, mit Sebastian Saxe auf der Blockchance-Konferenz in der HafenCity Hamburg zu sprechen.

Cointelegraph auf Deutsch: Während Ihrer Rede haben Sie viel darüber gesprochen, dass der Hamburger Hafen von der Blockchain profitieren kann. Welche Projekte gibt es denn bereits?

Sebastian Saxe: Seit der Welthafenkonferenz IAPH 2015 in Hamburg existiert eine internationale Gemeinschaft von Port Authorities unter dem Namen chainPORT.  Diese staatenübergreifende Partnerschaft  (der chainPORT gehören unter anderem auch die Häfen von Los Angeles, Busan, Montreal, Barcelona, Singapur, Antwerpen an - CT) wurden von Hamburg und Los Angeles  initiiert. Nachdem die HPA im Jahre 2015 25 smarte Logistikprojeke auf der IAPH vorgestellt hatte, haben die chainPORT-Partner im Rahmen dieses Netzwerkes 20 weitere intelligente Lösungen für den effizienten Hafen zusammengetragen und in Busan vorgestellt - von der Idee bis zur Umsetzung eines Prototyps.

Wir hatten schon von Anfang an viel Glück: viele Pilotprojekte waren produktiv und wurden weiter ausgebaut. Um die Blockchain-Technologie konnten wir auch in 2017 nicht herumkommen, besonders wenn es um Papierformulare ging. Aber zuerst waren wir nicht sicher, ob die Blockchain-Technologie auf die Hafenwirtschaft anwendbar ist. Um es auszuprobieren, haben wir mit den Häfen in Antwerpen und Montreal kooperiert. Wir versuchten beispielweise, die aufwändige Verwaltung und Versendung von Frachtpapieren durch ein Blockchain-Register zu optimieren und zu verschlanken. Was daraus geworden ist, werden wir während der chainPORT-Veranstaltung in Barcelona im November 2018 vorstellen.

Parallel dazu läuft noch ein Projekt - “HanseBloc” (Hanseatische Blockchain-Innovationen für Logistik und Supply Chain Management - CT). Im Rahmen dieser Initiative wollen wir den fälschungssicheren elektronischen Austausch von Frachtbriefen gewährleisten.

CT: In welcher Weise?

S. Saxe: Wir - mit uns arbeiten noch 8 Firmen und 2 Hochschulen - haben eine Software entwickelt, die eine Verknüpfung der bestehenden Speditions- und Transportmanagementsysteme mit der Blockchain sein soll und keine Stand-alone-Lösung. Damit sollen Datenverluste durch Medienbrüche beseitigt werden. Zudem sollen dadurch automatisierte Prozesse möglich werden und die Manipulationsfreiheit und Vertrauenswürdigkeit der Informationen sichergestellt. Die Lösung ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gedacht.

СT: Wurden diese Projekte aus einer staatlichen oder privaten Initiative ins Leben gerufen?

S. Saxe: Beides, oder, genauer gesagt, aus dem “Ökosystem”, das aus der Stadt, der Wirtschaft und Wissenschaft besteht. Die Blockchain kann nur dann funktionieren, wenn die Stadt Hamburg, vertreten durch die HPA,  ebenso wie eine private Reederei sich mit der Technologie vernetzen und dieses auch noch wissenschaftlich begleitet wird (HPA arbeitet eng mit der Hamburger Universität, der TU Hamburg, der HafenCity Universität und auch mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften zusammen - CT). Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft bilden zusammen dann ein Ökosystem, in dem sich die Blockchain abspielt.

CT: Wann sind Sie persönlich auf die Idee gekommen, dass Blockchain nicht nur ein Modetrend ist?

S. Saxe: Vor zweieinhalb Jahren. Und für mich war und ist ein Kernelement der Technologie relevant: die Smart Contracts. Sie digitalisieren Geschäftsprozesse und ermöglichen es, den Workflow zu automatisieren. Hier kommen insbesondere die komplexen Prozesse mit einer Vielzahl von Beteiligten in Betracht: die Dokumentation, zum Beispiel, Frachtpapiere, die Warenverfolgung oder -verzollung. Die Blockchain kann alle diese Prozesse für uns vereinfachen.

CT: Sie waren immer Vorreiter in Sachen Digitalisierung, darunter auch der Blockchain im Hamburger Hafen. Wie haben sie aber Ihre Kollegen von den neuen Technologien überzeugt?

S. Saxe: Es war und ist schwierig, Digitalisierungsthemen zu vermitteln und voranzutreiben. Die Blockchain zu verstehen ist nicht so einfach. Das wirkliche Problem liegt darin, dass die Blockchain und die damit einhergehenden Veränderungen für uns an vielen Stellen unvorstellbar sind. Es ist für viele Menschen nicht greifbar, dass wir zukünftig Geld von A nach B überweisen und keine Bank eingebunden ist. Virtual Reality, zum Beispiel, kann man illustrieren und mit konkreten Beispielen erklären. Wenn ich die Blockchain in der Verwaltung erklären möchte, dann muss ich auf Anwendungsbeispiele wie das digitale E-Voting oder das Grundbuch zurückgreifen. Diese Beispiele sind aber noch nicht systemisch verinnerlicht. Deshalb müssen plastische Bilder im Kopf erzeugt werden.

CT: Wie stehen Sie denn zum Thema Regulierung & Blockchain? Müssen wir die Regulierung nicht ändern?

S. Saxe: Ich denke, wir müssen neue Rahmenbedingungen schaffen oder schon existierende Gesetze anpassen, damit, zum Beispiel Behörden statt herkömmlichen Zolldokumenten digitale in der Blockchain akzeptieren können. Wir müssen neue Standads etablieren, offen gegenüber neuen Optionen und frei von Beschränkungen denken. Die Blockchain-Technologie bietet viel Raum für Phantasie - und wir müssen zusammen und weltweit damit experimentieren. Und unser Erfolg hängt von der Akzeptanz aller Teilnehmer ab - nicht nur seitens der Regierung.

CT: Was halten Sie aber von Kryptowährungen?

S. Saxe: Obwohl Kryptowährungen und die Blockchain häufig im selben Atemzug erwähnt werden, unterscheide ich persönlich zwischen den beiden Begriffen. Die Blockchain ist eine Technologie, auf deren Grundlage Kryptowährungen entwickelt wurden. Letztere sind für mich noch keine reale Veränderung der Welt und aus ökonomischer Sicht nicht dazu geeignet, ein neues Geldsystem aufzubauen. Deswegen bemühe ich mich immer, die Blockchain ohne Bitcoin zu erklären - es gibt sowieso, auch ohne mich, schon genug Experten, die heutzutage über Bitcoin reden.

CT: Was würden Sie der Stadt Hamburg in Sachen Blockchain wünschen?

S. Saxe: Ich sehe Hamburg als einen zentralen Standort für die Blockchain in Deutschland, wo die Technologie die maritime Logistik revolutioniert. Wir, Hamburger, haben Geschichte, im “Verändern” waren, sind und bleiben wir das innovative Tor zur Welt. Dies gilt es jetzt auszuprägen!

Wir brauchen daher ein Blockchain-Zentrum dafür, entsprechende Ausbildungsprogramme an Hochschulen, Forschungsprojekte, Anwendungsfälle, Finanzierung und Engagement. Die Weiterentwicklung der maritimen Wirtschaft - ich betone es noch einmal - ist nicht allein eine Aufgabe der Hamburger Verwaltung. Vielmehr bedarf es des intensiven Dialogs und der Zusammenarbeit von Stadt, der maritimen Wirtschaft und der Wissenschaft, um die großen Potenziale der Blockchain Technologie zu nutzen.