Cointelegraph auf Deutsch stellt den wichtigsten Köpfen aus der DACH-Region sechs Fragen über die Krypto- und Blockchain-Branche und weicht zwischendurch vom Thema ab.

In dieser Woche gehen unsere Fragen an Dr. Daniel Diemers, Mitgründer der SNGLR Group, einem Schweizer Startup, in dem sich verschiedene Spezialisten in Labs, Venture-Capital-Fonds oder in der Beratung an vorderster Front versammeln. Unter diesen Experten ist Diemers auch mit an Bord.

Außerdem ist Diemers unabhängiges Verwaltungsratsmitglied sowie Vorsitzender des Investitionsausschuss der FiCAS AG. Zuvor war der Blockchain-Experte als Head of Blockchain für Europa, den Nahen Osten und Afrika sowie als Financial Services Partner bei PwC Strategy tätig. Darüber hinaus ist Diemers Gründungsmitglied der Crypto Valley Association (CVA) und der Swiss Blockchain Federation (SBF). 

Cointelegraph auf Deutsch: Was bedeutet Dezentralisierung für Sie und warum ist sie wichtig?

Daniel Diemers: Dezentralisierung ist ein wundervolles Konzept, aber auch ein Mythos. Als Schweizer, der in einer gut funktionierenden föderalen Demokratie lebt, glaube ich stark an Dezentralisierung, sehe aber auch, dass gewisse Dinge besser zentral gesteuert werden. Die richtige Balance zentral-dezentral machen das Konzept erfolgreich.

Das gilt auch für Blockchain-Technologie. Ich glaube nicht, dass wir massiv skalierbare Anwendungen sehen werden – im Bereich Industrie und Logistik, Smart Cities oder im Metaverse – wo Blockchain vollständig dezentralisiert ist. Am Ende braucht es jemanden, der die Verantwortung übernimmt, jemanden, der das Telefon abnimmt, wenn es ein Problem gibt.

CT: Was wird Ihrer Meinung nach der größte Trend im Bereich Blockchain in den nächsten 12 Monaten sein?

Daniel Diemers: Mit großem Abstand wird dies Metaverse sein. Im Hype Cycle ist das nun ganz oben, vermutlich 12-18 Monate vor der ersten großen Ernüchterung. Wie wir das auch schon ein paar Mal bei anderen Blockchain-Themen gesehen haben: ICOs, Tokenisierung, Dezentralisierte Finanzen (DeFi). Aber die Dynamik des Metaverses ist enorm. Haben die Banken 5-6 Jahre gebraucht, bis die Ersten auf den Kryptozug aufgesprungen sind, gestalten heute große Namen und Brands das Metaverse mit. Genauso wie Blockchain Devs, Social Media Influencer und Content Creators. Das Metaverse lebt, es ist bunt, und dank Blockchain lassen sich Assets stabil verwahren, handeln oder über Metaverse-Welten hinweg verwenden.

CT: Was würden Sie gerne tokensiert sehen? Wann, wenn überhaupt, würden Sie erwarten, dass dies geschieht?

Daniel Diemers: Ich bin großer Fan von 8-Bit Computer Demos, die Ende der 80er oder sogar Anfang der 90er populär waren und eine globale Community formten. Diese Kunstform hat sich bis heute erhalten und die internationale Fangemeinde trifft sich regelmäßig zu Wettbewerben und Treffen. In einer Technologie-Welt, wo Grafikkarten, Speicher und Prozessoren schwindelerregend und exponentiell besser werden, finde ich es faszinierend, Kreativität trotz technischer Limitierung zu erreichen.

CT: Haben Sie schon einmal einen NFT gekauft? 

Daniel Diemers: Ja, natürlich. Ich bin ein eifriger Sammler: Kunst-NFTs, Collectibles, Play-To-Earn. Mit Freunden aus Manila, Singapur, Dubai, Zug und Basel haben wir im Sommer 2021 eine kleine NFT-Kunstsammlung namens SNGLR.NFT. gegründet. Neben den üblichen „Blue Chips“ macht uns der Austausch mit wenig bekannten Künstler viel Freude, mit denen wir dann gemeinsame Projekte verwirklichen.

Meine aktuellen Lieblings-NFTs sind die Aoki-Avatare bei Sandbox oder die 0xMusic audiovisuellen DJ Samples, die sich generativ jedes Mal neu mixen, sobald man sie abruft. Man hört und sieht also das gleiche Stück nur einmal. Wirklich cool.

CT: Gibt es etwas in Ihrem Leben, das Sie aus Angst gemieden haben und nun bereuen?

Daniel Diemers: Ich wollte einmal Tech-Futurist werden, als Professor an einer Uni Vorlesungen halten, Trends voraussagen, Bücher schreiben. Aber nach drei Jahren Arbeit an meiner Dissertation zum Thema Virtuelle Gemeinschaften, hatte ich das Schreiben satt und bekam Angst, „da draußen“ etwas zu verpassen. Aber mit dem, was ich heute mache, bin ich natürlich auch zufrieden. Manchmal muss man auf seine innere Stimme hören. Oder dann eben auch nicht.

CT: Welches Buch haben Sie im letzten Urlaub gelesen? Ist es empfehlenswert?

Daniel Diemers: Vor kurzem wieder (vermutlich zum siebten Mal) einmal den Klassiker: "Neuromancer" von William Gibson. Dank diesem Buch sitzen wir jetzt hier auch vermutlich bei diesem Interview. Es hat mich sehr geprägt: Gibson war einer der Besten im Cyberpunk, ein hervorragender Schreiber und ein visionärer Vordenker – nicht nur für das Metaverse, die Matrix, den Cyberspace, oder wie man es nennen möchte, sondern auch für Cyborg Lifestyle, Satelliten-basiertes Internet, künstliche Intelligenzen und Big-Tech-Firmen. Wer “Neuromancer” noch nicht gelesen hat, sollte es sich unter den Weihnachtsbaum legen lassen.