Die Banque de France – die französische Zentralbank – fordert die EU auf, der europäischen Marktaufsichtsbehörde die direkte Aufsicht über große Krypto-Unternehmen zu übertragen, und warnte, dass eine fragmentierte Aufsicht die finanzielle Souveränität der Union gefährden könnte.
Bei seiner Rede auf dem ACPR-AMF Fintech Forum in Paris am Donnerstag sagte François Villeroy de Galhau, Gouverneur der Banque de France, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) das Mandat erhalten sollte, Krypto-Asset-Emittenten im Rahmen des EU-Rechtsrahmens Markets in Crypto-Assets (MiCA) direkt zu beaufsichtigen.
„Ich befürworte ebenso wie der Präsident der AMF eine europäische Aufsicht über Emittenten von Krypto-Assets durch die ESMA“, betonte er und fügte hinzu, dass dies eine einheitliche Anwendung der Vorschriften gewährleisten und Risiken verringern könnte.
Villeroy de Galhau erklärte, dass das Vertrauen in nationale Regulierungsbehörden zu einer uneinheitlichen Durchsetzung innerhalb der EU führen könnte, während Krypto-Unternehmen in der gesamten Region rasch wachsen.
Banque de France warnt EU vor Risiken von Stablecoins
Er fügte hinzu, dass die direkte Aufsicht durch die in Paris ansässige ESMA Regulierungsarbitrage verhindern und sicherstellen würde, dass wichtige Akteure unabhängig von ihrem Standort denselben Standards unterliegen.
„Die Umsetzung der MiCA ist ein entscheidender Schritt nach vorne“, bekräftigte er. Und führte aus: „Aber um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, ist ein einheitlicherer Ansatz erforderlich, wenn wir europäische Anleger schützen und gleiche Wettbewerbsbedingungen aufrechterhalten wollen.“
Villeroy de Galhau nutzte seine Rede auch, um auf die wachsende Bedrohung durch dollarbasierte Stablecoins einzugehen. Er mahnte, dass die derzeitige Regelung der MiCA, die eine Mehrfachausgabe von Stablecoins erlaubt, eine regulatorische Schwäche darstelle.
Im Rahmen dieses Systems können Unternehmen denselben Token sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU ausgeben und dabei nur Teilreserven vorhalten.
Er gab dahingehend zu bedenken, dass Stablecoins den Euro schwächen und zu einer unkoordinierten Vervielfachung privater Zahlungslösungen führen könnten. Dies würde die Abhängigkeit der Region von außereuropäischen und unregulierten Unternehmen erhöhen.
Andere Beamte haben ähnliche Bedenken hinsichtlich Stablecoins mit Mehrfachausgabe geäußert. Am 19. September warnte die stellvertretende Gouverneurin der Bank von Italien, Chiara Scotti, dass dieses Modell die Finanzstabilität untergraben könnte und daher eingeschränkt werden sollte.
Sie merkte an, dass Multi-Emission-Strukturen zwar die Liquidität und Skalierbarkeit verbessern können, aber auch erhebliche rechtliche, operative und Stabilitätsrisiken mit sich bringen, insbesondere wenn die Emittenten ihren Sitz außerhalb der EU haben.
Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), das EU-Gremium, das mit der Überwachung systemischer Risiken beauftragt ist, hat ebenfalls Multi-Issuance-Stablecoins ins Visier genommen.
Am 1. Oktober verabschiedete der ESRB eine Empfehlung, diese Praxis sowohl innerhalb der Union als auch in anderen Rechtsordnungen zu verbieten. Obwohl diese Empfehlung nicht rechtsverbindlich ist, erhöht sie den Druck auf die politischen Entscheidungsträger der EU, den Betrieb von Stablecoins strenger zu regulieren.
Strengere Regulierung soll Arbitrage verhindern
Villeroy de Galhau sagte, die Antwort liege in der Vervollständigung des europäischen Rechtsrahmens:
„Dieses Rahmenwerk würde von einer wesentlich strengeren Regulierung der Mehrfachemission derselben Stablecoin innerhalb und außerhalb der Europäischen Union profitieren, um Arbitrage-Risiken in Krisenzeiten zu reduzieren.“
Die Äußerungen von Villeroy de Galhau erfolgten vor dem Hintergrund, dass die Europäische Kommission Pläne entwickelt, die Aufsicht über Finanzsektoren, einschließlich Kryptowährungen, von nationalen Regulierungsbehörden auf die ESMA zu übertragen.
Am Montag erklärte die Vorsitzende der ESMA, Verena Ross, die Reform werde zu einer stärker integrierten und global wettbewerbsfähigeren Landschaft für die EU führen.
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Passporting weckt behördliche Bedenken
Im Rahmen der MiCA-Verordnung der EU können lizenzierte Krypto-Unternehmen eine Funktion namens „Passporting“ nutzen, die es ihnen ermöglicht, in einem EU-Mitgliedstaat eine Zulassung zu erhalten und diese auch in allen anderen Mitgliedstaaten zu nutzen.
Der Zweck dieser Regelung besteht darin, einen einheitlichen Markt für Krypto-Dienstleister zu schaffen, wodurch Eintrittsbarrieren gesenkt und doppelte Anträge vermieden werden.
Das Passporting-System soll zwar den Marktzugang vereinfachen, birgt jedoch in der Praxis die Gefahr, dass Lücken entstehen, wenn die nationalen Regulierungsbehörden ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
Im Juli kritisierte die ESMA Maltas Lizenzierungsverfahren, nachdem sie festgestellt hatte, dass die Finanzaufsichtsbehörde des Landes bei der Zulassung eines Krypto-Unternehmens die Erwartungen nur teilweise erfüllt hatte. Dies weckte Befürchtungen, dass eine schwache Aufsicht in einem Land zu einem Dominoeffekt in der gesamten EU führen könnte.
Am 15. September äußerte auch die französische Wertpapieraufsichtsbehörde Autorité des Marchés Financiers (AMF) Bedenken hinsichtlich Lücken bei der Durchsetzung der Vorschriften im Zusammenhang mit dem MiCA-Gesetzesrahmen.
Die Regulierungsbehörde erklärte, sie erwäge möglicherweise, die Gültigkeit der Passporting-Funktion abzulehnen.
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