Die Europäische Union (EU) erwägt eine teilweise Aussetzung ihrer wegweisenden Gesetze für Künstlichen Intelligenz (KI) als Reaktion auf den Druck der US-Regierung und großer Technologieunternehmen.

Die Europäische Kommission plant dementsprechend, einen Teil ihrer neuen Vorschriften, darunter auch das im letzten Jahr in Kraft getretene KI-Gesetz, im Rahmen eines „Vereinfachungspakets“ zu lockern, über das am 19. November entschieden werden soll, berichtete die Financial Times am heutigen Freitag.

Falls der Vorschlag angenommen wird, könnte die vorgeschlagene Aussetzung den derzeit auf dem Markt tätigen Anbietern generativer KI eine einjährige Übergangsfrist für die Einhaltung der Vorschriften einräumen und die Verhängung von Geldbußen für Verstöße gegen die KI-Transparenzvorschriften bis August 2027 aufschieben.

„Was eine mögliche Verzögerung der Umsetzung bestimmter Teile des KI-Gesetzes angeht, so dauern die Überlegungen noch an“, erklärte Thomas Regnier von der Kommission gegenüber Cointelegraph und fügte hinzu, dass die Europäische Kommission derzeit an dem Paket arbeitet, um es am 19. November vorzustellen.

KI-Gesetz bereits im August 2024 in Kraft getreten

Die Kommission hat im April 2021 den ersten EU-Gesetzentwurf zur KI vorgelegt, dessen Ziel es ist, ein risikobasiertes Klassifizierungssystem für KI zu schaffen.

Das Europäische Parlament und der Europäische Rat verabschiedeten bereits 2023 das Europäische KI-Gesetz, das im August 2024 in Kraft trat. Die Bestimmungen sollen in den nächsten sechs bis 36 Monaten schrittweise umgesetzt werden.

Auszug aus dem Zeitplan zur Umsetzung des KI-Gesetzes. Quelle: ArtificialIntelligenceAct.eu

Laut FT soll ein Großteil der Bestimmungen für risikoreiche KI-Systeme, die „ernsthafte Risiken“ für die Gesundheit, Sicherheit oder Grundrechte der Bürger darstellen können, im August 2026 in Kraft treten.

Mit dem Entwurf des „Vereinfachungsvorschlags“ könnten Unternehmen, die gegen die Vorschriften für den Einsatz von KI mit dem höchsten Risiko verstoßen, Berichten zufolge eine „Gnadenfrist“ von einem Jahr erhalten.

Der Vorschlag wird derzeit noch informell innerhalb der Kommission und mit den EU-Staaten diskutiert und könnte sich vor seiner Verabschiedung am 19. November noch ändern, heißt es in dem Bericht.

„Es werden verschiedene Optionen in Betracht gezogen, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist noch keine formelle Entscheidung getroffen worden“, erklärte Regnier von der Europäischen Kommission gegenüber Cointelegraph und fügte hinzu: „Die Kommission wird weiterhin voll und ganz hinter dem KI-Gesetz und seinen Zielen stehen.“

„KI ist eine unglaublich disruptive Technologie, deren volle Auswirkungen wir gerade erst zu begreifen beginnen“, sagte Petr Kozyakov, Mitbegründer und CEO von Mercuryo, und fügte hinzu:

„Letztendlich wird die Wettbewerbsfähigkeit Europas davon abhängen, ob es gelingt, hohe Standards zu setzen, ohne dabei Barrieren zu schaffen, die dazu führen könnten, dass Innovationen anderswo stattfinden.“

Die mögliche Aussetzung von Teilen des KI-Gesetzes durch die EU unterstreicht den sich wandelnden Ansatz Brüssels in Bezug auf die Regulierung des digitalen Bereichs angesichts des sich verschärfenden globalen Wettbewerbs durch die USA und China.

Nachdem die USA Anfang 2025 die Entwicklung einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) ausdrücklich verboten hatten, beschleunigte die Europäische Zentralbank die Arbeiten am digitalen Euro, erklärte jedoch später, dass digitales Bargeld nicht vor 2029 eingeführt werden würde.