Der neue europäische Rechtsrahmen für Kryptowährungen wird in seiner praktischen Anwendung weiterhin ausgelotet, wobei die politischen Entscheidungsträger nun abwägen, ob die Durchsetzung der sogenannten Markets in Crypto-Assets (MiCA) weiterhin bei den nationalen Behörden liegen oder unter der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zentralisiert werden soll.
Der MiCA-Rahmen, der Anfang 2025 weitgehend in Kraft trat, wurde entwickelt, um ein einheitliches Regelwerk für Anbieter von Krypto-Asset-Dienstleistungen in der gesamten Europäischen Union (EU) zu schaffen.
Mit fortschreitender Umsetzung werden jedoch die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten immer schwerer zu ignorieren. Einige Regulierungsbehörden haben zum Beispiel Dutzende von Lizenzen genehmigt, während andere nur eine Handvoll erteilt haben, was zu Bedenken hinsichtlich uneinheitlicher Aufsicht und regulatorischer Arbitrage führt.
In der aktuellen Folge von „Byte-Sized Insight“ untersucht Cointelegraph gemeinsam mit Lewin Boehnke, Chief Strategy Officer bei der Crypto Finance Group – einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen für digitale Vermögenswerte mit Niederlassungen in der gesamten EU – was diese Wachstumsschmerzen für den europäischen Kryptomarkt bedeuten.
Ungleiche Durchsetzung der Länder
Laut Boehnke besteht die zentrale Herausforderung für Europa nicht im MiCA-Rahmenwerk selbst, sondern vielmehr darin, wie es in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich angewendet wird.
„Die Anwendung der Verordnung ist sehr, sehr uneinheitlich“, stellte er dahingehend fest und wies auf die starken Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten hin. Deutschland beispielsweise hat bereits rund 30 Krypto-Lizenzen erteilt, viele davon an etablierte Banken, während Luxemburg nur drei Lizenzen genehmigt hat, alle an große, bekannte Unternehmen.
Die ESMA veröffentlichte jüngst eine Peer-Review-Studie über die Zulassung eines Krypto-Dienstleisters durch die maltesische Finanzaufsichtsbehörde und kam dabei zu dem Schluss, dass die Aufsichtsbehörde die Erwartungen nur „teilweise erfüllt“ habe.
Diese Unterschiede haben dazu beigetragen, dass einige Regulierungsbehörden und politische Entscheidungsträger die Übertragung von Aufsichtsbefugnissen an die ESMA unterstützen, wodurch ein zentraleres Durchsetzungsmodell ähnlich dem der US-Börsenaufsicht SEC geschaffen würde.
Frankreich, Österreich und Italien haben ihre Unterstützung für einen solchen Schritt signalisiert, insbesondere angesichts der Kritik an liberaleren Regelungen in anderen Ländern der Union.
Aus Boehnkes Sicht könnte es bei der Zentralisierung weniger um Kontrolle als vielmehr um Effizienz gehen.
„Aus rein praktischer Sicht halte ich es für eine gute Idee, eine einheitliche Anwendung der Verordnung zu haben“, sagte er und fügte hinzu, dass eine direkte Zusammenarbeit mit der ESMA Verzögerungen aufgrund des Hin und Her zwischen den nationalen Behörden reduzieren könnte.
MiCA: Gesetz erntet Lob, Umsetzung hat noch Luft
Trotz Kritik aus einigen Bereichen der Kryptoindustrie betonte Boehnke, dass die übergeordnete Struktur der MiCA solide sei, insbesondere ihr Fokus auf die Regulierung von Vermittlern statt auf Peer-to-Peer-Aktivitäten.
„Ich finde die MiCA-Verordnung gut … Der übergeordnete Ansatz, nicht unbedingt die Vermögenswerte oder die Peer-to-Peer-Nutzung zu regulieren, sondern die Verwahrer und diejenigen, die Dienstleistungen anbieten … Das ist der richtige Ansatz.“
Er merkte jedoch auch an, dass ungelöste technische Fragen die Umsetzung verlangsamen, insbesondere für Banken. Ein Beispiel dafür ist die Anforderung der MiCA, dass Verwahrstellen in der Lage sein müssen, Kundenvermögen „unverzüglich“ zurückzugeben – ein Begriff, dessen Auslegung nach wie vor offen ist.
„Bedeutet das, dass die Kryptowährung abgehoben werden muss? Oder reicht es aus, die Kryptowährung zu verkaufen und das Fiat-Geld sofort abzuheben?“, fragte Boehnke und merkte an, dass solche Unklarheiten noch geklärt werden müssen und eine dahingehende Klarstellung durch die ESMA aussteht.
Um das gesamte Gespräch auf Byte-Sized Insight zu hören, hören Sie sich die vollständige Folge auf der Podcast-Seite von Cointelegraph, Apple Podcasts oder Spotify an.
