In der vergangenen Woche konnte Bitcoin (BTC) dem Todesstoß durch die Europäische Union (EU) entgehen, denn ein eingegebener Gesetzentwurf zur Krypto-Regulierung wurde in letzter Instanz so abgeändert, dass darin kein Verbot mehr für das Proof-of-Work-Konsensverfahren (PoW) enthalten ist. Die europäischen Politiker hatten im Vorfeld allen voran die Anonymität von Kryptowährungen und deren Umweltschädlichkeit angeprangert. Tim Frost, der Gründer und Geschäftsführer der Yield App, meint in diesem Kontext gar, dass der Verweis auf den „Klimawandel“ lediglich ein versteckter Versuch ist, um Bitcoin zu verbieten, aber warum?

Der betreffende Gesetzentwurf namens „Markets in Crypto Assets“ (MiCA) fährt eine doppelte Strategie, so werden Kryptowährungen hier einerseits als Wertpapiere behandelt und andererseits als Währung. Ähnlich zwiegespalten sind die EU-Politiker, denn während der Europarat fordert, dass die Europäische Bankenaufsicht (EBA) die Regulierung der Kryptobranche übernimmt, will das Europaparlament diese Aufgabe an die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) abgeben.

Grüner Protektionismus und Grüne Deals

Während ein Generalverbot von Proof-of-Work, dem Konsensverfahren, auf dem auch Bitcoin beruht, abgewendet werden konnte, bleibt die klimabezogene Rhetorik der EU beim Bestreben um eine Kryptoregulierung bestehen. Darin spiegelt sich ein allgemeiner Trend hin zum „grünen Protektionismus“ in der Union wider. So versucht die EU, ihre Märkte und ihre Währung, die noch nicht mal zehn Jahre älter ist als BTC, zu schützen, indem Umweltbedenken als Vorwand genommen werden.

Dieser Ansatz sorgt bei den Handelspartnern der EU für Hellhörigkeit. Kurz nachdem Ursula von der Leyen 2019 zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt wurde, rief die EU ihren „Grünen Deal“ aus, der bis zum Jahr 2050 die vollständige Klimaneutralität zum Ziel hat. Im gleichen Jahr konnte sich auch die Grüne-Fraktion im Europäischen Parlament verstärkt durchsetzen. Die Idee des „Green Deals“ wurde ursprünglich im US-Wahlkampf von der Demokratischen Partei als Wahlversprechen ausgegeben, das im Kontrast zur Politik des amtierenden Präsidenten Donald Trump stand. Die Europäer haben sich dieses Konzept dann kurze Zeit später zu Eigen gemacht.

Das angestrebte Ziel soll allen voran durch den Umstieg auf Erneuerbare Energien, energieeffizienteres Wohnen und den Aufbau einer „smarten“ Infrastruktur gelingen. Das Preisschild für diesen Plan beläuft sich allein im ersten Jahrzehnt auf 1 Billion Euro. Der Valdai Club ordnet die symbolische Bedeutung dieses Vorhabens wie folgt ein: „Die EU macht sich damit zum globalen Führer der Klimapolitik und kann neue Standards für die Kooperation zwischen Ländern, Unternehmen und Gesellschaften festlegen, um den Klimawandel zu bekämpfen.“

Grün vor Neid? Bitcoin vs. Euro

Das europäische Finanzsystem hat seit der Einführung des Euros im Jahr 1999 schon mehrere Krisen durchgemacht. Hier sind besonders die Finanzkrise von 2008, die Eurokrise von 2011 und die aktuell anhaltende Corona-Krise zu nennen. Tiefgreifende Probleme wie negative Inflation und Schwierigkeiten bei der Koordination einer gemeinsamen Geldpolitik haben letztendlich dazu geführt, dass die Union darauf angewiesen ist, dass die starken Wirtschaftsländer wie Deutschland die schwächeren Ländern wie Portugal, Italien, Griechenland und Spanien aus der Krise retten müssen. Dementsprechend kommen immer wieder Fragen an der Nachhaltigkeit der europäischen Währung auf.

Dabei hat die Austeritätspolitik eigentlich alles nur noch schlimmer gemacht und in vielen Ländern populistischen Parteien wie der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung zur Macht verholfen. Dies hat wiederum die Brüsseler Hoffnungen, dass der Euro eine alternative „globale Leitwährung“ zum US-Dollar sein kann, geschwächt. Obwohl das Handelsvolumen des Euros das Volumen des gesamten Kryptomarkts noch bei weitem übertrifft, ist es wenig verwunderlich, dass die Eurokraten keine zusätzliche Konkurrenz gebrauchen können.

Europäische Finanzpolitik

Tim Frost, der Gründer und Geschäftsführer der Yield App, verweist darauf, dass „bisher wenig geforscht wurde, wie groß die Umweltbelastung durch das Mining von Kryptowährungen tatsächlich ausfällt und wie diese im Vergleich zur Erdöl- und Gasbranche abschneidet, die von der EU und anderen Ländern noch großzügig mit Subventionen und Vergünstigungen bedacht wird“. Dem fügt er an: „Wenn es den Regulierenden mit der Umweltbelastung durch die Wirtschaft wirklich ernst wäre, dann wäre die Kryptobranche wohl die letzte Branche, die zur Debatte steht.“

Dementsprechend äußert Frost Zweifel an der Heraushebung von Kryptowährungen in der Klimadiskussion. Diese sei nicht nur einseitig, sondern schon fast verdächtig, denn das PoW-Konsensverfahren, das die europäische Politik ganz speziell ins Visier genommen hat, war von Anfang an ein essenzieller Bestandteil der Architektur von Bitcoin, der als Marktführer den tragenden Großteil der ganzen Krypto-Anlageklasse ausmacht.

Immerhin kann argumentiert werden, dass sowohl der Euro als auch Kryptowährungen gemeinsame politische Risiken bergen, indem sie nicht an ein einzelnes Land gebunden sind, das eine Geldpolitik aus einer Hand machen kann. Dem ist die EU unter anderem damit begegnet, dass nach dem Brexit ein Exempel an Großbritannien statuiert werden sollte, indem mit vermeintlichen „Strafen“ für den Ausstieg gedroht wurde, um ein Warnsignal an andere potenziell abtrünnige Länder zu senden. Es ist also nicht ganz abwegig, anzunehmen, dass die europäische Kritik an Kryptowährungen eher einem Eigeninteresse entspringt als der Sorge um die Umwelt.

Brüssel in der Führungsrolle

Gleichsam ist es für die europäische Politik auch immer ein Erfolg, wenn sie neue Standards für den internationalen Handel setzen kann. Während der Amtszeit von Präsident Donald Trump waren viele Beobachter der Meinung, dass die USA nicht länger als „Anführer der freien Welt“ gesehen werden könnten, da sich deren Agenda in Richtung „America First“ verschoben hatte.

In den Augen vieler Europäer hatten die USA den gemeinsamen Bestrebungen in der internationalen Politik den Rücken gekehrt. Für besonders viel Wirbel sorgte die Entscheidung, dass sich Washington aus dem Klima-Abkommen von Paris verabschiedet hatte. Auch die eigenmächtige Loslösung aus der Wiener Nuklearvereinbarung mit dem Iran war für Europa ein weiterer Fingerzeig, dass Trump den Unilateralismus gegenüber einer gemeinschaftlichen Strategie bevorzugt, wobei die tragende Rolle der USA in der Weltwirtschaft und die Vormachtstellung des US-Dollars gerne als „Waffe“ eingesetzt wurden.

Allerdings öffnete sich für die EU dadurch zugleich die Tür, selbst die globale Führungsrolle einzunehmen. Obwohl internationale Bündnisse wie die G-20 oder die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammengefasst eine viel größere wirtschaftliche Macht haben, fehlte diesen die Erfahrung und das Know-how, um als supranationale Unionen bei der Setzung von internationalen Standards agieren zu können.

Als das Internet und das globale Bankensystem Ende der 90er-Jahre so richtig an Schwung aufgenommen hatten, war die OECD bei der Aufstellung von neuen Regulierungsvorschriften zur Verhinderung der internationalen Steuerflucht noch federführend. Im Jahr 2000 erstellte die OECD dann eine „schwarze Liste“ von nicht-kooperativen Steuerparadiesen, in der bis 2002 schon 31 Länder erfasst wurden. Damals machten die OECD-Länder zusammen den Großteil der globalen Weltwirtschaft aus. Entsprechend konnte das Bündnis darauf einwirken, dass die eigenen Standards bezüglich der Transparenz und dem Austausch von Informationen eingehalten wurden.

All diese Faktoren sind die treibenden Kräfte hinter den Bemühungen der EU bei der Regulierung von Kryptowährungen und nicht die scheinbare Sorge um den Klimawandel.