Die Debatte über die Besteuerung von Kryptowährungen in Deutschland wird neu entfacht, denn Die Grünen fordern nun, eine bestimmte Steuerbefreiung zugunsten von Krypto-Anlegern abzuschaffen.

In Deutschland richten sich die Steuern auf Kryptowährungen danach, wie lange ein Anleger sein Krypto-Vermögen gehalten hat. Nachdem sie Kryptowährungen mindestens ein Jahr lang gehalten haben, können Privatanleger ihre etwaigen Gewinne bisher steuerfrei ausbuchen.

Diese einjährige Haltefrist wurde geschaffen, um Anreize für langfristige Investitionen zu schaffen und gleichzeitig die Attraktivität des Standorts Deutschland für Krypto-Investoren zu erhöhen. Langfristig orientierte Investoren sollen so bevorteilt werden, während spekulative kurzfristige Investitionen gezielt benachteiligt werden.

Die Grünen sind inzwischen jedoch der Ansicht, dass diese Ausnahmeregelung ungerecht ist, da andere Finanzinstrumente einer pauschalen Kapitalertragssteuer von 25 % unterliegen, unabhängig davon, wie lange die Anleger sie halten.

Dieser Vorschlag hat hitzige Diskussionen über die möglichen Auswirkungen auf die Investitionskultur, die Steuergerechtigkeit und den Umgang mit Krypto-Transaktionen ausgelöst.

Grüne wollen Bevorteilung von Krypto abschaffen

Die grüne Bundestagsabgeordnete Sabine Grützmacher verteidigt den Vorschlag und plädiert für gleiche Bedingungen für verschiedene Anlagemöglichkeiten:

„Wir setzen uns für gleiche Bedingungen für verschiedene Anlagemöglichkeiten ein. Die Kapitalertragssteuer auf Aktiengewinne gibt es seit 2009 ohne eine steuerfreie Mindesthaltedauer“, erklärt die Politikerin entsprechend gegenüber Cointelegraph. Und weiter:

„Im Sinne des Fairness-Konzepts 'Gleiche Voraussetzungen für alle', das wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, wollen wir vergleichbare Bedingungen für alle Kapitalanlageklassen schaffen, auch für Krypto-Assets.“

Die Grünen stufen Krypto-Token demnach als Kapitalanlagen ein, vergleichbar mit Aktien oder Gold und nicht als Währung.

Doch „aufgrund der extrem hohen Volatilität der Kurse von Krypto-Token“, könne ihre Partei diese nicht ohne signifikante Verbraucherschutzmaßnahmen zur Anlage empfehlen, so Grützmacher.

„Ich sehe keine besonderen Anreize für eine Steuerbefreiung von Gewinnen nach einer einjährigen Haltedauer“, wie die Bundestagsabgeordnete argumentiert und fügt hinzu, dass es „notwendig ist, insbesondere junge Menschen für die bestehenden Risiken zu sensibilisieren, vor allem vor dem Hintergrund, dass sogenannte Influencer manchmal sogar bezahlte Werbung nutzen, um Chancen übermäßig hervorzuheben“.

Grützmacher betont, dass der Vorschlag der Grünen allerdings noch nicht beschlossene Sache sei und dass ein solcher Gesetzentwurf ohnehin einen Stichtag beinhalten würde, d.h. Kryptowährungen, die vor einem bestimmten Datum erworben wurden, könnten auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes noch steuerfrei verkauft werden.

Abschaffung würde steuerrechtliche Situation verkomplizieren

Doch längst nicht jeder Beobachter stimmt mit der Argumentation der Grünen überein, dass Krypto keine Steuerbefreiung verdiene.

Ulli Spankowski, der Gründer der Krypto-Trading-App Bison und Chief Digital Officer bei Börse Stuttgart Digital, widerspricht gegenüber Cointelegraph, dass die Klassifizierung von Krypto-Vermögenswerten im deutschen Steuerrecht eigentlich eindeutig sei.

Nach geltendem Recht gelten Krypto-Vermögenswerte als „andere Wirtschaftsgüter“ und können daher nach einem Jahr steuerfrei gehandelt werden – der gleiche Standard gilt übrigens auch für physisches Gold. „Und das ist eine gute Sache“, so Spankowski.

Die einjährige Haltefrist sei ein wichtiges Instrument, um die Investorenbasis zu vergrößern und habe Deutschland zu einem attraktiven Standort für Krypto-Investoren gemacht, wie Spankowski ausführt. Und weiter:

„Eine mögliche Abschaffung der einjährigen Haltefrist für Kapitalerträge könnte das Investitionsklima in Deutschland erheblich beeinträchtigen.“

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler stimmt zu, dass die Abschaffung der Haltefrist die Investitionskultur in Deutschland signifikant beeinträchtigen würde.

„Die Forderung der Grünen würde unser Steuersystem weiter verkomplizieren. Die Abschaffung der Spekulationsfrist würde bedeuten, dass Krypto-Erträge immer besteuert werden, auch wenn die Krypto-Assets als langfristige Anlageobjekte gehalten werden“, wie Schäffler gegenüber Cointelegraph mahnt.

Laut Schäffler sollte die Vermögensbildung vereinfacht und langfristige Investitionen belohnt werden, beispielsweise durch eine Erhöhung der Steuerfreigrenze. „Mit dem Wachstumschancengesetz wollen wir die Bagatellgrenze für private Verkäufe innerhalb eines Jahres von 600 auf 1.000 Euro anheben. Dieses Gesetz wird in Kraft treten, wenn die Union ihre Blockadehaltung im Bundesrat aufgibt.“

Hätte Vorschlag der Grünen eine Mehrheit?

Seit Ende 2021 wird Deutschland von der „Ampelkoalition“ aus SPD, FDP und Grünen unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz regiert.

Ohne die Zustimmung von FDP und SPD haben die Grünen also wenig Hoffnung, die Krypto-Steuerbefreiung abzuschaffen.

Schäffler meint, es sei entsprechend unwahrscheinlich, dass die Grünen die notwendigen Stimmen für eine Verabschiedung der Maßnahme finden würden: „Diese Änderung ist mit der FDP nicht möglich. Deshalb wird der Vorschlag auch nicht umgesetzt werden.“

In der deutschen Regierungskoalition wächst die Kluft, insbesondere zwischen den Grünen und der FDP, was ihre Fähigkeit, in verschiedenen politischen Fragen eine gemeinsame Linie zu finden, erheblich beeinträchtigt.

Diese Blockade rührt von ihren grundlegend unterschiedlichen Ideologien her: Die FDP tritt für freie Märkte, begrenzte staatliche Eingriffe und minimale Regulierungen ein, während die Grünen staatliche Kontrolle, Subventionen und in einigen Fällen sogar Verbote bevorzugen.

Jeder neue öffentliche Streit zwischen den beiden Parteien verschärft die Situation weiter und macht es immer schwieriger, tragfähige Kompromisse zu finden.

Wie würden der deutsche Kryptomarkt reagieren?

Sollte es den Grünen jedoch gelingen, den politischen Widerstand im Bundestag zu überwinden, würde die Abschaffung der Steuerbefreiung dann einen großen Einfluss auf die deutschen Kryptomärkte und Investitionen haben?

Laut den Consumer Insights von Statista nutzen oder besitzen 13 % der befragten 18- bis 64-Jährigen in Deutschland im Jahr 2023 Kryptowährungen. Zwei Jahre zuvor waren es nur 9 %. Dies zeigt, dass Krypto-Besitzer einen wachsenden Anteil der deutschen Anleger ausmachen. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 besaßen knapp 18 % der deutschen Anleger Aktien und Fondsanteile.

An den Zahlen wird zwar die wachsende Beliebtheit von Kryptowährungen bei deutschen Anlegern gegenüber traditionellen Finanzinstrumenten erkennbar, jedoch erklären sie zugleich auch die insgesamt niedrige Investitionsquote in Deutschland im Vergleich zu einigen seiner anderen europäischen Nachbarn.

In Schweden, wo Investitionen in Aktien für die Altersvorsorge obligatorisch sind, haben mehr als 50 % der schwedischen Bevölkerung investiert.

Eine Gesetzesänderung und die vollständige Abschaffung der Haltefrist schaffe keine Anreize für eine aktivere Anlagekultur, gibt Spankowski vor diesem Hintergrund zu bedenken:

„Gerade für diejenigen Anleger, die langfristig investieren und für ihr Alter vorsorgen wollen, ist dies ein Hindernis und widerspricht dem grundsätzlichen politischen Ziel, solche Anlagen in der Bevölkerung zu fördern.“

Stattdessen „kann die Regierung durch Steuererleichterungen Anreize für Investoren schaffen, um Investitionen zu fördern“, so der Experte und ergänzt, dass auch Bildungsinitiativen entscheidend seien.

Spankowki ist der Ansicht, dass die Förderung einer vernünftigen Anlagekultur in Deutschland verschiedene Maßnahmen erfordert, die in Zusammenarbeit zwischen der Regierung, der Finanzindustrie und den Bildungseinrichtungen umgesetzt werden müssen. „Für Banken und Makler bedeutet dies, ein einfaches und verständliches Angebot für eine breite Masse von informierten Endkunden zu schaffen, um den Zugang zu Anlageprodukten zu erleichtern.“

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