Am 9. Juli fand der "Währungsdialogs" des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments statt. Es handelt sich dabei um eine vierteljährliche Konferenz in direkter Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank (EZB): Alle drei Monate tritt der Präsident der EZB (oder teilweise ein anderer Repräsentant) vor das Komitee, um über den Status der Geldpolitik in der Europäischen Union zu sprechen.
Es sollte bemerkt werden, dass die EZB eine komplizierte Beziehung zu Kryptowährungen hat. Letztes Jahr erklärte ihr Präsident, dass es "nicht in unserer Macht steht, diese zu verbieten und zu regulieren". Dennoch, seit einiger Zeit setzt sich die EZB mehr mit ihnen auseinander und behauptet, dass Banken ihre Handlungen mit Kryptowährungen von anderen Aktivitäten "separieren" sollen und scheint darüber hinaus die positiven Effekte von Blockchain zu meistern.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Währungsdialoges - der erstmals 2012 abgehalten wurde - werden virtuelle Währungen als separates Thema diskutiert. Daher trägt das Diskussionsgremium den Namen: "Virtuelle Währungen und Zentralbankpolitik: Herausforderungen der Zukunft" (Originaltitel: “Virtual Currencies and Central Banks Monetary Policy: Challenges Ahead"). Insgesamt wurden fünf unterschiedliche Arbeiten eingereicht und erörtert.
Hier finden Sie eine Zusammenfassung darüber, was die Berichte argumentieren und wie ihr Inhalt eventuell die EZB beeinflussen und ihre Haltung gegenüber Kryptowährungen verändern könnte. Die Meinungen, die in den folgenden Dokumenten skizziert werden, repräsentieren nicht zwangsläufig die offizielle Position des Europäischen Parlaments (EP), auch wenn sie auf dessen Geheiß hin eingereicht wurden.
CASE Bericht: Virtuelle Währungen (VCs) werden in Zukunft bei uns bleiben und sollten reguliert werden, aber nicht verbannt.
Der Bericht mit dem Namen "Virtuelle Währungen und Zentralbankengeldpolitik" (Originaltitel: “Virtual Currencies And Central Banks Monetary Policy: Challenges Ahead“) wurde von Marek Dabrowski und Lukasz Janikowskivom Zentrum für soziale und wirtschaftliche Forschung (CASE) vorgestellt - eine unabhängige, gemeinnützige Forschungsorganisation für Wirtschaft- und öffentliche Politik aus Warschau in Polen.
Im Grunde argumentierten die Autoren, dass virtuelle Währungen - in diesem Fall Bitcoin und Altcoins im Speziellen - eine Form des privaten Geldes sind, welche von den technologischen Vorteilen profitiert, die einfachere und reibungsfreie Transaktionen quer durch die Welt ermöglichen. "Anders als die Papier-Vorgänger des 18. und 19. Jahrhunderts werden VCs global genutzt und ignorieren nationale Grenzen." Der Bericht argumentiert, dass VCs nicht auf breiter Basis akzeptiert werden.
Daher gibt er einen neutralen Überblick über Kryptowährungen mit den bekannten Vor- und Nachteilen, die oft in den Mainstream-Medien diskutiert werden, bevor er ein Fazit zieht. Die Autoren argumentieren bemerkenswerterweise, dass VCs weder ignoriert, noch von Regulatoren verbannt werden sollten:
"VCs sollten von Regulierungsbehörden wie jedes andere Finanzinstrument im Verhältnis zu ihrer Marktbedeutung, Komplexität und damit verbundenen Risiken behandelt werden. Angesichts ihres globalen, grenzübergreifenden Charakters wird empfohlen, diese Vorschriften über alle Rechtsordnungen hinweg zu harmonisieren. Investitionen in VCs sollten ähnlich besteuert werden wie Investitionen in andere finanzielle Vermögenswerte. "
Darüber hinaus sagen die Autoren, dass VCs auf kurze Sicht keine nationalen Währungen, die von Zentralbanken ausgegeben werden, herausfordern werden können, da ihre Rolle trotz einigen Erfolgen im Markt "marginal" bleibt. Kryptowährungen sollen mehr Potenzial in weniger wirtschaftlich stabilen Ländern besitzen, so der Report, der sich bei dem Punkt auf den venezolanischen Petro als Paradebeispiel bezieht:
Solche Länder haben bereits mit dem Phänomen der Währungssubstitution in Form von spontaner Dollarisierung oder Euroisierung zu kämpfen. VCs bieten möglicherweise eine andere Möglichkeit für eine Währungssubstitution, wie kürzlich in Venezuela beobachtet wurde.
Zusammenfassend wird erwähnt, dass weitere technologische Fortschritte es VCs eventuell ermöglichen können, im Zukunft mit den konventionellen Geldformen zu konkurrieren. Die Autoren erkennen das Potenzial von Krypto zweifellos an und sagen:
"Die Ökonomen, die versuchen, die Rechtfertigungen und die Bedeutung von VCs zu verneinen, sie als die Erfindungen von "Quacksalbern und Nischen" zu betrachten, als eine neue Inkarnation von Währungsutopie oder -manie, Betrug oder einfach als ein bequemes Instrument zur Geldwäsche zu betrachten, irren sich. VCs reagieren auf die reale Marktnachfrage und werden höchstwahrscheinlich noch eine Weile bei uns bleiben. "
University College Dublin Bericht: Krypto wird staatliches Geld weder in technologischer noch in sozialer Hinsicht stürzen.
Der Bericht "Sollten sich Zentralbanken Sorgen um Virtuelle Währungen machen?" (Originaltitel: "Should Central Banks Be Concerned About Virtual Currencies?") stammt von Karl Whelan, einem Wirtschaftsprofessor des University Colleges Dublin. Whelan greift die Idee an, dass staatlich ausgegebenes Geld durch VCs ersetzt werden kann und behauptet, dieses Szenario sei "extrem unwahrscheinlich".
Whelan wirkt weniger positiv gegenüber Kryptowährungen als die CASE-Spezialisten und bemerkt die "Blasen rund um Kryptowährungen" und ihr toxischen Potenzial für den Finanzsektor der breiteren Wirtschaft.
Der Professor argumentiert, dass VCs durch zwei Gründe deutlich minderwertiger als staatlich ausgegebenes Geld sind: Technologie und Geschichte. Für die technologischen Benachteiligungen zieht er Volatilität, Sicherheitsbedenken und die gefälschte Anonymität bei Bitcoin als Beispiele heran, da die Transaktionen auf einem öffentlich zugreifbaren Ledger gespeichert werden und Bitcoin-Adressen nachverfolgt werden können, wenn diese nicht regelmäßig geändert werden. Er erwähnt Probleme in Bezug auf Zahlungen als ein Bereich, in dem VC mit ihren schnellen Transaktionszeiten "einen Vorteil zu besitzen scheinen", argumentiert jedoch, dass Banken ebenfalls mit der Implementation der Technologie begonnen haben, um ihre Zahlungen zu beschleunigen.
Als zweites argumentiert Whelan diverse Theorien, die die Dominanz von staatlich ausgegebenem Geld oder privat ausgegebenen Währungen unterstützen. Er argumentiert, dass Geld ein "öffentliches Gut" ist und die potenziellen Vorteile Nutzer verleiten könnten, mengenmäßig über das Optimum hinaus zu produzieren. Er erkennt das Bitcoin-Beispiel an, stellt jedoch infrage, ob private Institutionen "in der Lage sind, die Verpflichtungen für ein Ausgabelimit für virtuellen Währungen einzuhalten". Daraufhin geht er auf Steuern, legale Infrastrukturen und staatliche Profite als weitere Beispiele dafür ein, warum "auch eine effiziente, gut-erdachte, privat-kreierte virtuelle Währung" "vermutlich nicht staatlich ausgegebene Währungen wie den Euro ersetzen wird".
Kiel Report: Kryptos scheitern per Design, aber können Zentralbanken helfen, ein stabileres Finanzsystem aufzubauen.
Das Dokument mit dem Titel "Virtuelle Währungen" (Originaltitel: “Virtual Currencies”) wurde von dem Wirtschaftsforschern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft vorbereitet. Im Grunde identifiziert es VCs, die von Zentralbanken ausgegeben werden, als eine Möglichkeit für ein stabileres Finanzsystem. Gleichzeitig verwerfen die Forscher die Idee von Kryptowährungen als eigenständige Entitäten.
Insofern unterscheidet das Kieler Institut digitale Währungen von Kryptowährungen wie Bitcoin. Laut ihrem Bericht stellen Kryptowährungen keine lebensfähige Alternative zu traditionellen Zentralbankwährungen dar:
"Gegenwärtig können Kryptowährungen wie Bitcoin traditionelle Währungen nicht in nennenswertem Umfang verdrängen. Die verfügbare Technologie unterliegt strengen Einschränkungen hinsichtlich ihrer Skalierbarkeit. Insbesondere wäre es verboten unerschwinglich, selbst einen moderaten Anteil der Transaktionen, die heute über traditionelle Währungen abgewickelt werden, über Kryptowährungen abzuwickeln."
Darüber hinaus berichtet das Kieler Institut, dass Kryptowährungen nicht als ein Tauschmittel fungieren, sondern an erster Stelle als Vehikel für Finanzspekulationen genutzt werden, da sie nicht auf einem festen Wer basieren. Dadurch können sie nicht rational gewertet werden, führen zu starken Preisschwankungen und ziehen im Umkehrschluss Spekulanten an. Die mangelnde Regulierung bei Kryptowährungen verstärkt dieses Effekt durch fehlende Transparenz, so die Autoren.
Die Analyse fährt fort, zu argumentieren, dass VCs eine Möglichkeit für Zentralbanken darstellen könnten, selbst wenn sie "disruptiv" sind, indem sie die Wichtigkeit traditioneller Bankkonten zunichtemachen würden.
"Um eine wiederkehrende Instabilität des Bankensystems zu vermeiden, müssten die Geschäftsbanken zuverlässigere Finanzierungsquellen als ihre Depots finden. Da der fraktionierte Reservecharakter des derzeitigen Bankensystems eine wesentliche Quelle der Instabilität sein kann, ist eine solche disruptive Veränderung nicht notwendigerweise eine schlechte Entwicklung, sondern könnte letztlich den Weg für ein stabileres Finanzsystem ebnen."
Bruegel Bericht: Kryptos sind harmlos, können aber nicht mit Zentralbanken koexistieren.
Der Bericht "Kryptowährungen und Geldpolitik" (Originaltitel: “Cryptocurrencies and Monetary Policy”) wurde von Repräsentanten von Bruegel vorgestellt, einen Wirtschafts-ThinkTank aus Brüssel.
Sie beginnen mit der Feststellung, dass "Kryptowährungen zunehmend als tatsächliche Währungen betrachtet werden, die als Tauschmittel verwendet werden können" und erwähnen, dass Distributed- Ledger-Technologien (DLT) es ihnen ermöglicht haben, zu einer neuartigen, privat ausgegebene Form von Geld zu werden, die Peer-to-Peer-Transaktionen vereinfacht - auch wenn das Volumen dieser Transaktionen noch immer nicht bedeutsam genug ist.
Laut den belgischen Forschern sind Kryptowährungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage, die Rolle von Geld zu erfüllen, da sie "inhärent" volatil sind und "auf eine Art verwaltet werden, die sehr primitiv im Vergleich zu den Anforderungen moderner Währungen" ist. Sie erkennen an, dass beide Faktoren in Zukunft behoben werden könnten, wenn die zugrunde liegenden Protokolle weiterentwickelt werden.
Darüber hinaus debattierten sie, ob eine Koexistenz aus staatlich ausgegebenem Geld und Kryptowährungen in Zukunft möglich ist, in einem Szenario, indem letzte immer mehr Beliebtheit erlangen. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass solch eine Koexistenz möglich sein kann. Darüber hinaus könnten Kryptowährungen "einen positiv Effekt haben, indem sie als disziplinarisches Werkzeug für Zentralbanken auftreten" und in anderen Worten deren Monopol durchbrechen.
Die Bruegel-Experten glauben jedoch dennoch, dass "Zentralbanken durch das
Auftauchen von Kryptowährungen als relevante Tauschmittel mit stabiler Kaufkraft mit Risiken konfrontiert werden könnten."
Letztendlich kommen sie zu dem Schluss, dass Kryptowährungen kein sofortiges Risiko für staatlich ausgegebene Währungen darstellen, speziell nicht für größere Währungen wie den Dollar oder Euro.
"Die bisherigen Beweise deuten darauf hin, dass Kryptowährungen nicht so häufig verwendet werden wie jede offizielle
Währung und keine echten Konkurrenten für die Währungssubstitution sind. Die Gestaltung ihrer Protokolle ist zumindest bisher sehr primitiv und willkürlich gegenüber dem, was das Management moderner Finanzsysteme erfordert ".
Lastra und Jason Bericht: Virtuelle Währungen stellen ein Risiko für das Finanzsystem dar, speziell in der Zukunft.
Der fünfte - und längste - Bericht mit dem Namen: "Virtuelle Währungen im Eurosystem: Zukünftige Herausforderungen" (Originaltitel: Virtual Currencies in the Eurosystem: Challenges Ahead“) wurde von den beiden Akademikern Rosa María Lastra, einer Professorin für internationales Finanz- und Währungsrecht am Zentrum für Wirtschaftsrecht und Jason Grant Allen von der Humboldt-Universität und Berliner Zentrum für britische Studien eingereicht.
Die Wissenschaftler beschäftigen sich intensiv mit Kryptowährungen und befassen sich mit Themen wie ICO-Regulierungen in verschiedenen Jurisdiktionen und DLT-Technologien. Sie betonen dabei "die Notwendigkeit, regulatorische Aufgaben klar im multilateralen Eurosystem zu definieren, die Notwendigkeit, VCs zur Erleichterung von Finanzkriminalität und Steuerhinterziehung anzusprechen und die Notwendigkeit, den Radius von "Regulierungstechnologien" bei der Bewältigung der Risiken einzuschätzen, die durch VCs von regulären Marktteilnehmer ausgehen". Darüber hinaus fordern sie die EZB auf, ihre eindeutige Rolle in Bezug auf Kryptowährungen zu definieren. Der Report zitiert auf ein Kommentar des EZB-Präsidenten Draghi, welche sagte, dass es nicht Teil der Rolle der EZB sei, Bitcoin und andere Coins zu regulieren.
Zusammenfassend argumentiert der Bericht, dass "viele privat ausgegebene VCs eine direkte und vorsätzliche Herausforderung für das Geldsystem und Zentralbanken darstellen", allerdings derzeit nicht im Eurosystem und auch nicht in naher Zukunft. Nichtsdestotrotz bleiben die Autoren vorsichtig bei der Einschätzung der potenziellen Wirkungen von Kryptowährungen:
"VCs könnten Risiken für die Stabilität des Finanzsystems darstellen, wenn die VC-Märkte im derzeitigen Tempo weiterwachsen und weiterhin mit dem regulierten Finanzsystem interagieren und sich mit ihnen verflechten."
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