Der argentinische Präsident Javier Milei sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, nachdem er ein Kryptowährungsprojekt gebilligt hat, das nach Ansicht von Analysten in einem massiven Insiderbetrug zusammengebrochen ist.
Der auf Solana basierende Libra-Token (LIBRA) – der im Zentrum der politischen Kontroverse steht – begann seine Kursrallye am 14. Februar, kurz nachdem Milei über das Projekt auf X gepostet hatte. Sein inzwischen gelöschter Beitrag enthielt einen Link zur Website des Tokens und eine zugehörige Wallet-Adresse. Milei lobte das „privatwirtschaftliche Projekt“ ausdrücklich, das laut seiner Fürsprache zur „Förderung des Wachstums der argentinischen Wirtschaft“ beitragen würde.
Der inzwischen gelöschte Beitrag von Javier Milei zum Krypto-Projekt Libra. Quelle: Kobeissi Letter
Der Libra-Token stieg am 14. Februar um 22:30 Uhr UTC dann kurzzeitig auf eine Spitzenmarktkapitalisierung von 4,56 Mrd. US-Dollar, bevor er in nur 11 Stunden seit dem Debüt des Tokens für den Handel an dezentralen Börsen um über 94 % auf eine Marktkapitalisierung von nur noch 257 Mio. US-Dollar crashte, wie Daten von Dexscreener zeigen.
LIBRA-Kursdiagramm. Quell: Dexscreener
Milei könnte nun ein Amtsenthebungsverfahren drohen, nachdem die argentinische Fintech-Behörde eingeräumt hat, dass das Krypto-Projekt möglicherweise ein Betrugsfall ist.
„Dieser Skandal, der uns auf internationaler Ebene blamiert, erfordert, dass wir ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten“, kommentierte der oppositionelle Abgeordnete Leandro Santoro am 16. Februar gegenüber Reuters.
Nach dem Zusammenbruch des Tokens am 15. Februar gab Milei eine Erklärung auf X ab, in der er darauf hinwies, dass ihm die Details des Projekts nicht bekannt waren, als er es unterstützte, und dass er „keinerlei Verbindung“ zu dem „privatwirtschaftlichen Unternehmen“ hat, das den Token auf den Markt brachte.
Quelle: Javier Milei
Milei gab gleichsam zu bedenken, dass seine politischen Gegner versuchen werden, die Situation auszunutzen:
Milei hat die Antikorruptionsbehörde in dem Fall gebeten, alle Regierungsmitglieder, einschließlich des Präsidenten selbst, auf mögliches Fehlverhalten hin zu untersuchen, so eine weitere Erklärung des argentinischen Präsidialamtes (Oficina del Presidente) vom 16. Februar X.„Den dreckigen Ratten der politischen Kaste, die diese Situation ausnutzen wollen, um Schaden anzurichten, möchte ich sagen, dass sie jeden Tag bestätigen, wie niederträchtig Politiker sind, und sie verstärken unsere Überzeugung, ihnen in den Hintern zu treten.“
Die Erklärung legte auch offen, dass Milei am 19. Oktober 2024 ein Treffen mit Vertretern des KIP Protocol in Argentinien abhielt, bei dem das Unternehmen ihn über das Libra-Blockchain-Projekt und dessen Ziele zur Finanzierung privatwirtschaftlicher Unternehmen in dem Land informierte.
Mitteilung des argentinischen Kanzleramtes. Quelle: Oficina del Presidente
Milei traf sich am 30. Januar in der Casa Rosada auch mit dem ominösen Krypto-Unternehmer Hayden Mark Davis, der dem Präsidenten als Infrastrukturpartner für das Projekt vorgestellt wurde.
„Alle während der Ermittlung gesammelten Informationen werden den Gerichten übergeben, um festzustellen, ob eines der Unternehmen oder eine der Personen, die mit dem KIP Protocol in Verbindung stehen, eine Straftat begangen hat“, heißt es in der Erklärung weiter.
Krypto-Projekt wirft Fragen auf
Obwohl Milei den Beitrag mit seiner Befürwortung löschte, gelang es mindestens acht Insider-Wallets, die mit dem Libra-Team in Verbindung stehen, Vermögen im Wert von über 107 Millionen US-Dollar auszubuchen.
Darunter befanden sich 57,6 Millionen USD Coin und 249.671 Solana im Wert von 49,7 Millionen US-Dollar, wie der Onchain-Datendienst Lookonchain mitteilte:
Libra Insider-Wallets. Quelle: Lookonchain
Insider-Wallets begannen nur drei Stunden nach Handelsstart mit der Auszahlung des Tokens, was zu einem Rückgang von über 94 % führte, wie aus weiteren Daten hervorgeht, die vom Kobeissi Letter geteilt wurden.
Quelle: Kobeissi Letter
Andere Blockchain-Analysefirmen hatten bereits vor dem Crash vor den Tokenomics [also dem Geschäftsmodell] des Projekts gewarnt. Darunter auch die Analysten von Bubblemaps, die schon im Vorfeld vor den zweifelhaften Tokenomics von LIBRA gewarnt hatten, als sie aufdeckten, dass 82 % der Angebotsmenge von Anfang an freigeschaltet waren und sofort abverkauft werden konnten.
Libra Token-Cluster. Quelle: Bubblemaps
Darüber hinaus gab das Projekt keine konkreten Informationen über seine Tokenomics bekannt, was unter Krypto-Investoren in der Regel ein großes Warnzeichen ist, das zur Vorsicht mahnt.
Der Appetit von Kleinanlegern auf Memecoins, die von Prominenten unterstützt werden, ist zuletzt gestiegen, seit US-Präsident Donald Trump am 18. Januar seinen offiziellen Trump-Memecoin (TRUMP) auf den Markt gebracht hat, gefolgt von First Lady Melania Trumps Melania-Meme-Token (MELANIA) am 19. Januar im Solana-Netzwerk vor seiner Amtseinführung am 20. Januar. Dies könnte womöglich ein Grund dafür sein, dass auch das von Milei unterstützte Projekt legitim wirkte.
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