Am 30. Januar kündigte das große globale Bankenzahlungsnetzwerk SWIFT an, einen Konzeptnachweis (PoC) für ein Gateway namens GPI Link einzuführen. Damit ist es dem Blockchain-Softwareunternehmen R3 möglich, sich mit Global Payments Innovation (GPI)-Zahlungen von SWIFT von seiner Plattform aus zu verbinden.
SWIFT hat daher einen weiteren Schritt in Richtung Blockchain-Akzeptanz gemacht, obwohl das Unternehmen in der Vergangenheit Bedenken hinsichtlich der Reife der Technologie geäußert hatte. Die SWIFT-Konkurrenz hat jedoch bereits ihre Bedenken geäußert und erklärt, dass das neue System nicht dezentral genug sei.
Kurze Einführung in die Beziehung zwischen SWIFT und Blockchain
SWIFT ist ein Interbanken-Messaging-Dienst aus Belgien, der seit 46 Jahren tätig ist, sowie eine Genossenschaft im Besitz von etwa 11.000 Mitgliedsbanken in über 200 Ländern. Sein Netzwerk verarbeitet laut Daten des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten weltweit Transaktionen im Wert von umgerechnet bis zu 4,4 Billionen Euro pro Tag. Darunter fallen laut der Financial Times auch mehr als die Hälfte aller grenzüberschreitenden Zahlungen mit hohem Wert, was SWIFT zu einem der bedeutendsten Akteure im Bankensektor macht.
Die Beziehung zwischen SWIFT und Blockchain - der Technologie, die offenbar potenziell zur Verbesserung grenzüberschreitender Zahlungen beitragen kann - war etwas schwierig. Schließlich hatte das internationale Bankennetzwerk seine Dominanz im Finanzbereich schon lange vor der Blockchain etabliert: In den 70er Jahren hat SWIFT das langsame Telexsystem durch ein einheitliches Codesystem ersetzt, um Banken zu benennen und Transaktionen zu beschreiben und damit Finanznachrichten schneller und sicherer zu übertragen.
Im Dezember 2015 hat Wim Raymaekers, der Leiter für Banken- und Finanzmärkte bei SWIFT, erstmals angekündigt, dass das Bankennetzwerk Fintech-Innovationen - einschließlich Blockchain - integrieren könnte, um schnellere und transparente grenzüberschreitende Zahlungen zu ermöglichen.
Darüber hinaus veröffentlichten SWIFT und das globale Beratungsunternehmen Accenture im April 2016 einen gemeinsamen Bericht, der sich mit dem Einsatz von Distributed-Ledger-Technologien (DLT) im Finanzdienstleistungsbereich befasste. Insbesondere wurden einige Stärken der Blockchain gewürdigt - etwa eine effiziente Informationsverbreitung, Rückverfolgbarkeit, vereinfachter Abgleich, ein vertrauenerweckendes System und hohe Ausfallsicherheit.
In dem Bericht wird jedoch auch angemerkt, dass die Technologie nicht ausgereift genug sei, um im industriellen Maßstab eingesetzt zu werden. SWIFT und Accenture argumentierten, dass der Technologie Konformität mit gesetzlichen Vorschriften, Standardisierung, Identitätsrahmen, Cyberabwehr und Skalierbarkeit fehlen würden.
Dennoch hat SWIFT ein Jahr später, im April 2017, bekanntgegeben, dass es Hyperledger Fabric v 1.0 verwenden würde, um ihren Prozess für grenzüberschreitende Marktzahlungen zu aktualisieren. Hyperledger Fabric ist ein auf Genehmigungen basierendes Blockchain-Framework, das von der Linux Foundation zur Verfügung gestellt wird.
So wurde beim Konzeptnachweis (PoC) getestet, ob DLT grenzüberschreitende Zahlungen effizienter, transparenter und schneller gestalten kann. Die Technologie wurde im Rahmen eines größeren Programms von SWIFT zur Verbesserung der Transparenz und Rückverfolgbarkeit seiner grenzüberschreitenden Zahlungen durch seinen GPI-Dienst eingesetzt, der Anfang Februar 2017 lanciert wurde. Bezeichnenderweise verspricht GPI eine "schnellere Geldverwendung noch am gleichen Tag" - eine seit langem notwendige Aktualisierung des konventionellen Bankensystems, bei dem typische internationale Zahlungen drei bis fünf Arbeitstage in Anspruch nehmen. Dennoch ist GPI selbst technisch gesehen ein Messaging-System und obwohl es Echtzeit- und Ende-zu-Ende-Tracking unterstützt, basiert es nicht auf der Blockchain.
PoC bedeutet, die Durchführbarkeit eines Projekts zu testen, bevor es vollständig realisiert wird. Deshalb beschränkte SWIFT das Experiment auf seine DLT-Sandbox, anstatt ein unerprobtes Produkt in das Hauptnetzwerk einzuführen, auf das Tausende von Banken auf der ganzen Welt täglich angewiesen sind.
Zunächst gehörten zu den PoC-Mitgliedern von SWIFT 12 Finanzinstitute - darunter die Australia and New Zealand Banking Group, BNP Paribas, BNY Mellon und andere. Diese hatten ihre eigenen Knoten in der DLT-Sandbox des Netzwerks integriert. Später, im Juli 2017, holte SWIFT weitere 22 Banken zu seinem Testprojekt, darunter die Commerzbank, Société Générale und JPMorgan Chase Bank.
Im März enthüllte SWIFT, dass der PoC-Test der Blockchain abgeschlossen worden sei. Das Bankennetzwerk war von der Technologie etwas enttäuscht und erklärte, dass die Blockchain nicht für den Mainstream-Einsatz bereit sei. Es seien "weitere Fortschritte erforderlich, bevor sie produktionsfertige Anwendungen in großen, unternehmenskritischen globalen Infrastrukturen unterstützen kann", obwohl die Tests selbst "sehr gut" verlaufen seien.
Wie Damien Vanderveken, der Leiter für Forschung und Entwicklung bei SWIFT, damals gegenüber der Financial Times erklärte, müsse eine beträchtliche Anzahl von Banken ihre Systeme drastisch modernisieren, bevor sie für ihre grenzüberschreitenden Zahlungen ein Blockchain-basiertes System verwenden könnten. Die DLT selbst habe sich allerdings dennoch als effizient erwiesen.
Berichten zufolge umfasste die Prüfung die Erstellung von 528 Unter-Ledgern für 28 teilnehmende Banken, um zu verhindern, dass vertrauliche Informationen an die Konkurrenz weitergegeben werden. Daher argumentierte Vanderveken, dass die Ermöglichung einer Nutzung für alle SWIFT-Mitglieder - Tausende von Banken - die Einrichtung von 100.000 Unter-Ledgern erfordern würde, was aufgrund von Wartungsproblemen technisch sehr aufwändig sei.
Dennoch berichtete Vanderveken auch über positive Ergebnisse und sagte, dass DLT zum Abgleich von Nostrokonten für Kreditgeber beigetragen habe. Im Wesentlichen ist ein Nostrokonto das Konto einer Bank in einer Fremdwährung bei einer anderen Bank.
"Obwohl der Konzeptnachweis demonstrierte, dass DLT das Nostro-Liquiditätsmanagement und die Abgleichsprozesse verbessern könnte, hat er auch gezeigt, dass gewisse Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Banken von allen Vorteilen einer Umstellung auf einen DLT-Prozess profitieren können."
SWIFT schließt Partnerschaft mit R3 für Einführung von GPI Link - Ausbau geplant
Am 30. Januar 2019 kündigte SWIFT einen weiteren Konzeptnachweis an. Diesmal ging es darum, zu testen, wie sein GPI-Programm auf E-Commerce- und Handelsplattformen angewendet werden könnte. Unter Namen GPI Link wird das Gateway Berichten zufolge dem Softwareunternehmen R3 ermöglichen, sich von seiner Plattform aus mit GPI-Zahlungen zu verbinden, so die Pressemitteilung, die Cointelegraph vorlag.
Die Veröffentlichung wurde erstmals am Morgen des selben Tages vom SWIFT-CEO Gottfried Leibbrandt auf dem Pariser Fintech-Forum angekündigt:
"Unsere neue GPI-Plattform ist äußerst interoperabel und offen. Und wir hatten auch schon immer Verbindungen zu anderen Netzwerken. [...] Wir kündigen heute noch einen Konzeptnachweis mit der R3-Blockchain für den Handel an, wo man Zahlungen auf der Handelsplattform in die Wege leiten kann, und diese dann in das GPI kommen. Wir erforschen also die Vernetzung mit vielen Dingen."
Daher können die Nutzer der R3-Plattform nun Zahlungen über GPI Link autorisieren, die GPI-Zahlungen mit den Banken der Nutzer abwickeln und die Empfangsbestätigung über GPI Link eine Meldung zurück an die Handelsplattformen zukommen lassen, wenn sie abgeschlossen sind. Der Konzeptnachweis wird Berichten zufolge auch Anwendungs-Programmierschnittstellen (APIs) sowie SWIFT- und ISO-Standartformate unterstützen.
Der Konzeptnachweis wird schließlich erweitert, um weitere DLT-Plattformen sowie Nicht-DLT- und E-Commerce-Handelsplattformen zu unterstützen. Dennoch sollte R3 in der Lage sein, SWIFT eine Starthilfe für die Expansion in den DLT-Bereich zu geben: Nachdem R3 erst Anfang dieses Jahres sein Corda-Netzwerk lanciert hat, hat das Konsortium über 300 Partner aus verschiedenen Branchen an Bord genommen, um gemeinsam an der Entwicklung von Corda, seiner Ethereum-basierten Open-Source-Blockchain-Plattform, sowie seinem auf Unternehmen ausgerichteten Ableger Corda Enterprise zu arbeiten.
In der Pressemitteilung zur Ankündigung von GPI Link behauptete Luc Meurant, der Marketingleiter von SWIFT, dass es eine größere Nachfrage nach einer DLT-gestützten Abwicklung von Fiatgeld als nach Kryptowährungen gebe:
"Während der DLT-fähige Handel immer gefragter ist, ist die Nachfrage nach einer Abwicklung in Kryptowährungen immer noch gering. Es besteht aber ein dringender Bedarf nach einer schnellen und sicheren Abwicklung in Fiatwährungen. [...] Angesichts der Tatsache, dass die Corda-Plattform von Handelsökosystemen verwendet wird, war es nur selbstverständlich, diesen Konzeptnachweis mit R3 durchzuführen."
Laut der Pressemitteilung sollen die Ergebnisse des kürzlich angekündigten Konzeptnachweises im September 2019 in London vorgestellt werden.
Ripple oder SWIFT - Wer ist dezentralisierter?
Leibbrandt kündigte das PoC an, während er neben Brad Garlinghouse, CEO von Ripple (XRP), in einem gemeinsamen Panel saß. Ripple positioniert sich als Blockchain-Konkurrent zum globalen Interbanken-Netzwerk von SWIFT. Garlinghouse hatte erst im November 2018 kommentiert: "Was wir jeden Tag tun, ist eigentlich, SWIFT abzulösen."
Der Ripple-CEO sagte gegenüber Bloomberg auf dem Fintech Festival 2018 in Singapur:
"SWIFT sagte vor nicht allzu langer Zeit, dass es Blockchain nicht als Lösung für das Korrespondenzbanking betrachten würde. Weit über 100 ihrer Kunden, sagen uns, dass sie da anderer Meinung seien."
Mit der Einführung von GPI Link von SWIFT könnte Ripple sich gezwungen sehen, mit xRapid und xCurrent, seinen Blockchain-gesteuerten Tools zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Fiattransfers zwischen Finanzinstituten, noch bessere Ergebnisse zu erzielen.
Insbesondere die xRapid-Plattform von Ripple hat Berichten zufolge bewiesen, dass sie Transaktionskosten um 40-70 Prozent senken könne, indem Devisenanbieter überflüssig gemacht werden. Auch die Transaktionsgeschwindigkeit beim ersten Testlauf sei auf "etwas mehr als zwei Minuten" erhöht worden, als das Unternehmen im Mai 2018 Zahlungen zwischen den USA und Mexiko testete.
Seitdem sind auch große Akteure, wie etwa die Santander Bank aus Spanien, der malaysische Kreditriese CIMB Group Holdings Bhd und das japanische Bank- und Finanzdienstleistungsunternehmen MUFG dem grenzüberschreitenden Zahlungsnetzwerk RippleNet beigetreten. Obwohl Santander ein Ripple-Investor ist, trat die Bank im Oktober 2018 dem SWIFT-GPI-Programm bei.
Garlinghouse hat die kürzliche Ankündigung des SWIFT-CEOs kritisiert, da das Bankennetzwerk zentralisiert sei:
"Ich denke, dass dezentrale Systeme im Laufe der Zeit wahrscheinlich als Sieger hervorgehen werden. Ich denke, dass Swift das heute nicht ist. Swift ist heutzutage ein Messaging-Framework in nur eine Richtung. Es ist kein Liquiditätsanbieter. [...] Wenn wir uns ein Internet des Wertes vorstellen, ist es eine Mischung aus Messaging-Frameworks in beide Richtungen - ein Echtzeit-Chat-Protokoll, wenn Sie so wollen - gekoppelt mit Echtzeit-Liquidität."
Daher dreht sich die Debatte um "Ripple oder SWIFT" um den Einsatz von Blockchain und Dezentralisierung. Garlinghouse ist der festen Meinung, dass sein Netzwerk weniger zentralisiert ist. Dennoch nutzt etwa die xCurrent-Plattform von Ripple das unveränderliche "Interledger"-Protokoll, das "kein Distributed-Ledger" ist, wie David Schwartz, der leitende Kryptograph bei Ripple, bestätigte. Somit ist die Plattform keine vollständig dezentrale Lösung.
Marcus Treacher, der leitende Vizepräsident im Bereich Kundenerfolg bei Ripple, erklärte gegenüber Reuters im Juni 2018:
"Wir haben mit der klassischen Blockchain angefangen, die wir lieben. Die Banken sagen dazu, dass man nicht die ganze Welt auf eine Blockchain setzen kann."
GPI von SWIFT wiederum stützt sich auf die bestehende Infrastruktur und Cloud-Technologie. Als der Interbanken-Messaging-Riese die Blockchain erforscht hat, war er bei der Forschung besonders vorsichtig. Er hat sich auch immer noch nicht entschieden, ob er sie außerhalb von Konzeptnachweisen einsetzen soll.
Darüber hinaus zeigte sich Leibbrandt eher konservativ, da er in seiner Rede Kryptowährungen kritisierte. Nachdem er dem Publikum den Rückgang von Bitcoin (BTC) ins Gedächtnis gerufen hatte, sagte der SWIFT-CEO:
"Ich denke, dass die Kryptowährung XRP den größten Teil des Leistungsversprechens von Ripple ausmacht. Hier sehen wir tatsächlich, dass die Banken aufgrund der Volatilität der Währungen noch zögern, Dinge in eine Kryptowährung umzuwandeln."
Interessanterweise hat R3 am 30. Januar angekündigt, SWIFT GPI in die dezentrale Anwendung (DApp) für universelle Zahlungen namens Corda Settler zu integrieren. Diese wiederum bietet XRP als die einzige verfügbare Kryptowährung zur Abrechnung an. R3 und Ripple hatten einen Rechtsstreit über angebliche gegenseitige Vertragsverletzungen, der im September letzten Jahres schließlich nach einem Jahr beigelegt wurde.
Allerdings könnten sowohl SWIFT als auch Ripple von anderen Akteuren auf der Suche nach schnelleren, dezentralen und grenzüberschreitenden Zahlungen Konkurrenz bekommen: Insbesondere ist hierbei die Alibaba-Tochter Ant Financial aus China zu nennen. Diese hat bereits ihre ersten Blockchain-Überweisungen getestet und dabei angeblich eine Transaktion in nur drei Sekunden versendet.
Melde dich bei unseren Sozialen Medien an, um nichts zu verpassen: X, YouTube, Instagram und Telegram – aktuelle Nachrichten, Analysen, Expertenmeinungen und Interviews mit Fokus auf die DACH-Region.