Der Blockchain-Bundesverband hat am 6. April ein Positionspapier mit Empfehlungen zur Token-Regulierung veröffentlicht. Die Interessenvertretung der deutschen Blockchain-Szene gibt dort einen detaillierten Überblick über den aktuellen Regulierungsrahmen in Bezug auf die Ausgabe und den Handel von Token, sowie konkrete Handlungsempfehlungen für die deutsche Politik und die für die Regulierung zuständigen Behörden.

Das Positionspapier baut auf einer Klassifizierung von Token in drei verschiedenen Kategorien auf, nach denen sich auch sehr unterschiedliche Token-Typen anhand ihrer Funktionsweise einteilen lassen.

  • "Kryptowährungs-Token sind Token, die als Zahlungsmittel innerhalb eines Netzwerkes für Transaktionen zwischen den Nutzern bzw. auch zwischen dem Netzwerkbetreiber und den Nutzern eingesetzt werden.

  • Utility Token sind Token, die den Inhabern der Token einen funktionalen Nutzen in Form eines (ggf. angedachten, noch zu schaffenden) Zugangs zu einem Netzwerk vermitteln sollen. Diese Token können besondere Rechte mit sich bringen.  […]

  • Wertpapier- oder Security-Token sind Token, die mit herkömmlichen Wertpapieren nach Art. 4 (1) Nr. 44 Richtlinie 2014/65/EU (“MiFID II”) vergleichbar sind, insbesondere konventionelle Schuldtitel und Eigenkapitalinstrumente."

Dies diene allerdings nur der Veranschaulichung, so die Autoren. Gleich am Anfang des Dokuments gehen sie auf ein wesentliches Problem bei der Regulierung ein: Bei den meisten Token handelt es sich um hybride Formen, die sich nicht exklusiv der einen oder anderen Kategorie zuordnen lassen.

Ein Großteil des Textes befasst sich anschließend mit der Fragestellung, wann Token als Wertpapiere anzusehen sind, und konzentriert sich dabei auf bestehende Rechtsnormen aus dem deutschen und europäischen Wertpapierrecht, welche sich mit der Emission und dem Handel von Wertpapieren befassen. Abhängig von diesen bereits bestehenden Normen sei eine klare Unterscheidung zwischen Kryptowährungen und Wertpapier- bzw. Security Token möglich, auch wenn beide Token-Formen einige Attribute teilten, so die Autoren.

Keine einfache Definition für Wertpapier-Token nach geltendem Recht

Nach geltendem EU-Recht sei ein Token dann als Wertpapier einzuordnen, wenn dieser die folgenden Bedingungen erfülle, so das Positionspapier:

Übertragbarkeit: Ein Token müsse auf andere Personen übertragen werden können, was bei den meisten Token der Fall sei. "Die Tatsache, dass die meisten Token aktiv an (Krypto-)Börsen gehandelt werden, ist ein deutliches Indiz dafür, dass das Kriterium der Übertragbarkeit bei Token erfüllt ist", schreiben die Autoren.

Handelbarkeit am Kapitalmarkt: "Übertragbare Wertpapiere müssen nach Art. 4 (1) Nr. 44 MiFID II auf einem Kapitalmarkt handelbar sein", stellt das Positionspapier fest. MiFID II steht für die seit Januar 2018 gültige zweite Version der "Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente". Da der Begriff Kapitalmarkt dort nicht legal definiert ist, sei eine klare Bewertung nicht möglich und hänge von der Interpretation des Gesetzestextes ab.

Dass ein Token auf einer Krypto-Börse gehandelt wird, belege nicht automatisch seine Handelbarkeit am Kapitalmarkt. Der Europäische Gerichtshof habe etwa bereits festgestellt, dass nicht jeder liquide Markt als Kapitalmarkt anzusehen sei.  "Konstituierendes Merkmal eines Kapitalmarktes ist vielmehr der Handel mit Eigen- oder Fremdkapitalinstrumenten. Er ist von dem Handel mit Waren und Dienstleistungen abzugrenzen", so die Autoren.

Standardisierung: Dieses Merkmal setze voraus, "dass die Wertpapiere sich durch gemeinsame Eigenschaften auszeichnen, so dass die Übermittlung von Informationen über Art und Anzahl ausreicht, um die mit ihnen verbundenen Rechte zu übertragen." Bei den meist standardisierten Token treffe dies regelmäßig zu.

Kein Zahlungsinstrument: Handele es sich bei einem Token um ein Zahlungsinstrument, seien diese nicht als Wertpapiere einzuordnen. Bei hybriden Token, die in einer Nebenfunktion auch als Zahlungsinstrument dienten, könne der Wertpapierbegriff aber Anwendung finden. Reine Kryptowährungs-Token seien hingegen nicht als Wertpapier, sondern als Zahlungsmittel zu werten.

Unklare Regeln in Deutschland

Wie das Positionspapier darlegt, ist der Begriff Wertpapier anhand des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) festgelegt und für Aktien und andere Anteile und Kapitalgesellschaften, Schuldtitel wie Zertifikate und "alle sonstigen Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen" bestimmt. Beide Gesetze setzen die Vorgaben des MiFID II in deutsches Recht um.

Wie der Blockchain-Bundesverband allerdings betont, bleibt die rechtliche Einordnung von Token in Deutschland durch die bestehenden Gesetze unklar. Auch das jüngst von der BaFin herausgegebene Hinweisschreiben zu Initial Coin Offerings habe nicht für mehr Klarheit gesorgt. Dieses besage, "dass Voraussetzung eines Wertpapiers u.a. die Verkörperung von Rechten im Token ist, d.h. entweder von Gesellschafterrechten oder schuldrechtlichen oder mit Gesellschafterrechten oder schuldrechtlichen Ansprüchen vergleichbaren Ansprüchen."

Die deutsche Blockchain-Community neige dazu, "diese Aussage wörtlich zu nehmen und davon auszugehen, dass in Deutschland jede Art von Verkörperung schuldrechtlicher Ansprüche ein Wertpapier" darstelle. Eine eigene Kategorie von "Utility Token" sei damit allerdings nicht möglich, was nach Aussage der Autoren laut BaFin nicht der deutschen Verwaltungspraxis entspräche.

Dies führe zu einer Abwanderung von Krypto-Unternehmen aus Deutschland, und "es wäre sehr zu begrüßen, wenn die deutsche Aufsicht dieses Missverständnis schnellstmöglich ausräumen würde." Denn auch die BaFin erkenne Utility Token als eigene Klasse von Token an.

Aktuelle Rechtslage zu Initial Coin Offerings

Bei Initial Coin Offerings (ICO) von Token spiele die Abgrenzung von Wertpapier-Token zu Utility- und Kryptowährungs-Token ebenfalls eine entscheidende Rolle, so der Text. Dies gelte insbesondere für die Informationspflichten gegenüber der Anleger. So lege die Europäische Prospektverordnung fest, dass Tokenherausgeber einen nach deutschem Recht gültigen Prospekt veröffentlichen müssen. Diese sei durch ihre starke Ausrichtung auf Aktien und damit Finanzdaten jedoch nur bedingt anwendbar. Erforderlich, so die Autoren, sei "daher ein eigener Anhang zu noch geltendem nationalen Prospektrecht sowie künftig zur Prospekt-VO für Token-Verkäufe."

Für Token-ICOs gelten darüber hinaus auch zivilrechtliche Informationspflichten nach denen ein Anleger "in verständlicher und vollständiger Form über alle Umstände informiert werden muss, die für seine Investitionsentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können." Bei allen über das Internet verkauften Token, müssten zudem Regelungen für E-Commerce und dazugehörend für den Verbraucherschutz eingehalten werden, was ebenfalls in Informationspflichten resultiere. Und auch die Pflichten der Geldwäschebekämpfungsgesetze müssten Tokenherausgeber beachten.

Handlungsempfehlungen

Auf Basis ihrer Analyse ruft der Blockchain-Bundesverband Politik und Regulierungsbehörden dazu auf, mehr Klarheit im Umgang mit Token zu schaffen. Dazu gehöre vor allem "die Schaffung von Rechtsklarheit zu der Frage der Token-Klassifizierung", da die bisherige Einzelfallenscheidungspraxis der BaFin intransparent sei und mangels Rechtssicherheit eine "sinnvoll gesteuerte Entwicklung" behindert. Auch klar definierte Verwaltungsmaßnahmen und standardisierte Sanktionen fehlten im Krypto-Bereich bislang.

Für Krypto-Börsen fordert das Papier einen gesonderten Regulierungsrahmen, bei dem festgelegt wird, dass deutsche Token-Herausgeber nicht für den Handel auf unregulierten Krypto-Börsen haften müssten. Regeln auf europäischer Ebene sollten transparente und faire Märkte für alle Arten von Token sicherstellen.

In Bezug auf die Praxis der BaFin gibt das Positionspapier ebenfalls ein paar klare Empfehlungen. Diese sollte Token-Herausgebern die Möglichkeit geben, freiwillig einen Prospekt absegnen zu lassen, was diesen über die Prospekthaftungsregeln mehr Rechtssicherheit einbringen würde. Die BaFin solle die Prospektfreiheit wenn gegeben zudem künftig nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich bestätigen.

Mit seinem Positionspapier hat der Blockchain-Bundesverband der Politik einen durchdachten und ernsthaften Ansatz für eine mögliche Regulierung des Krypto-Bereichs vorgelegt, der nicht zwingend eine Implementierung auf internationaler Ebene erforderlich macht. Schon durch Ergänzungen im bestehenden Rechtsrahmen und eine Optimierung der Regulierungspraxis der BaFin lässt sich auch in Deutschland bereits jetzt mehr Rechtssicherheit im Krypto-Bereich schaffen. Die Politik sollte nun endlich handeln und nicht länger an der Seitenlinie stehen. Von der versprochenen "umfassenden Blockchain-Strategie" der Bundesregierung ist bislang nur wenig zu sehen. Es bleibt zu hoffen, dass sich das bald ändert.