Das Jahr 2022 war für Krypto-Anleger und Kryptobörsen eine echte Herausforderung. Nach einem starken Aufwärtstrend im Jahr 2021 gab es 2022 viele schlechte Entwicklungen, die einen noch nie da gewesenen Kollaps des Marktes zur Folge hatten.
Kryptowährungen haben zuletzt eine erstaunlich hohe Korrelation zu Aktien gezeigt, allen voran mit den Techaktien, obwohl sich der Kryptomarkt in der Vergangenheit oftmals entgegengesetzt zum Aktienmarkt bewegt hat. Auch die einstigen Überflieger an der Börse, darunter Apple, Tesla, Netflix und Alphabet (Google) mussten 2022 massive Verluste hinnehmen, die sich in erster Linie durch die verringerte Risikobereitschaft der Anleger und Sorgen über eine Überbewertung des Marktes erklären. Zudem war die veränderte Zinspolitik der Zentralbanken ein entscheidender Faktor, denn diese haben ihre Leitzinsen massiv hochgeschraubt, um die Inflation zu bekämpfen, was die Risikobereitschaft der Anleger wiederum umso mehr torpediert hat. Dies hatte ebenfalls einen Effekt auf den Kryptomarkt, denn Kryptowährungen gelten immer noch als spekulative Investitionsprodukte.
Weitere heftige Nackenschläge kamen 2022 von innerhalb der Kryptobranche dazu, wobei der Zusammenbruch von Terra (LUNA) der sprichwörtliche Stein des Anstoßes war und einen Dominoeffekt ausgelöst hat, der den ganzen Kryptomarkt in Mitleidenschaft gezogen hat. So hat der Kollaps des großen Stablecoins dafür gesorgt, dass die systemrelevanten Krypto-Plattformen Celsius Network, Babel Finance, Voyager Digital sowie der einflussreiche Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital (3AC) allesamt Insolvenz anmelden mussten.
Im November folgte dann die nächste Hiobsbotschaft für Krypto-Anleger, denn mit der Kryptobörse FTX musste zum Ende des Jahres auch einer der wichtigsten Player der Branche in die Insolvenz gehen. Dadurch wurde zugleich die Schwesterfirma Alameda Research in die Zahlungsunfähigkeit getrieben, und zuletzt musste sich dann auch BlockFi der sich ausweitenden Krisenlage auf dem Kryptomarkt geschlagen geben.
Allerdings gab es 2022 nicht nur Negativschlagzeilen, denn einige Krypto-Unternehmen und Kryptobörsen, darunter KuCoin, konnten die Krise meistern und ihre Produkte und Dienstleistungen weiter ausbauen. Cointelegraph auf Deutsch hat mit KuCoin-Chef Johnny Lyu gesprochen, um das Jahr 2022 Revue passieren zu lassen und einen Ausblick darauf zu wagen, was eine der führenden Kryptobörsen für das Jahr 2023 geplant hat.
Cointelegraph auf Deutsch: Während das Jahr 2022 schon für den Aktienmarkt ziemlich schlecht war, war es auch für den Kryptomarkt geradezu katastrophal. Wir konzentrieren uns aber lieber auf das Positive. Was waren für Sie im letzten Jahr die größten Erfolge?
Johnny Lyu: Rückblickend auf 2022 muss man sagen, dass es ein Jahr der Höhen und Tiefen war, ein Jahr der großen Veränderungen in der Struktur der Kryptobranche. Zum Anfang des Jahres war der Markt noch in den letzten Zügen des Bullenlaufes aus dem Vorjahr, dann folgte der Crash von Terra (LUNA) im Mai und den großen Knall gab es dann Ende des Jahres mit dem Zusammenbruch von FTX. Die Entwicklungen gingen Schlag auf Schlag, weshalb es schwierig war, überhaupt alles zu verarbeiten. Aber die gute Nachricht ist, dass die Kryptobranche in eine umso bessere Zukunft blickt, nachdem die bösen Jungs aus dem Markt getilgt wurden. Ohnehin lassen sich die Entwickler davon nicht beirren. So wurde in diesem Jahr auch endlich der Ethereum-Merge erfolgreich umgesetzt und hat für mehr Skalierbarkeit und Sicherheit gesorgt. Der Umstieg von Proof-of-Work (PoW) auf Proof-of-Stake (PoS) wird das Ethereum-Netzwerk zudem deutlich energieeffizienter machen. Gleichsam haben sich in diesem Jahr viele neue Anwendungszwecke für Krypto herauskristallisiert und wir können sicher sein, dass es in Zukunft immer mehr werden.
CT: Wie war 2022 speziell für ihr Unternehmen KuCoin?
Johnny Lyu: KuCoin hat im Jahr 2022 viele wichtige Meilensteine erreicht. Erstens haben wir erfolgreich eine Pre-B Finanzierungsrunde für Jump Crypto und Circle Ventures abgehalten und langfristige strategische Partnerschaften mit diesen abgeschlossen, um die Kryptobranche als Ganzes voranzubringen. Zweitens hat KuCoin im letzten Jahr den fünften Geburtstag gefeiert und die Veränderungen in der Kryptobranche gemeinsam mit führenden Köpfen begleitet. Drittens ist die Anzahl der KuCoin-Nutzer insgesamt auf mehr als 27 Millionen gewachsen. Es ist schön zu sehen, dass immer mehr Menschen in den Kryptomarkt kommen und uns dabei helfen, das Wachstum der Branche voranzutreiben.
Allerdings haben wir 2022 auch selbst die Panikmache (FUD) zu spüren bekommen, was in einem turbulenten Markt natürlich verständlich ist. Auf Grund der wilden Entwicklungen waren die Krypto-Anleger erwartungsgemäß verunsichert. Die größte Herausforderung für 2023 wird deshalb wohl für die ganze Branche sein, das Vertrauen in Kryptowährungen wiederherzustellen.
CT: Der FTX-Kollaps hat fast das gesamte Vertrauen zerstört. Hat sich das auch für KuCoin bemerkbar gemacht? Wie seid ihr damit umgegangen und habt versucht, dem entgegenzuwirken?
Johnny Lyu: Der Kollaps der FTX hat das Vertrauen in zentralisierte Kryptobörsen und die gesamte Kryptobranche nachhaltig geschädigt. Deshalb wollen wir jetzt unser Versprechen für mehr Transparenz einlösen, weshalb wir wichtige Informationen offengelegt haben, um den Nutzern zu beweisen, dass ihre Krypto-Gelder in Sicherheit sind. Dies umfasst zum Beispiel die entsprechenden Adressen für Hot-Wallets und Cold-Wallets sowie Merkle Tree Proof-of-Reserves. In regelmäßigen Abständen werden wir dazu immer wieder neue Updates liefern.
Die derzeitigen Kurseinbrüche haben vielen Krypto-Anlegern massive Verluste beschert, weshalb diese jetzt unbedingt Risiken vermeiden wollen und ihre Krypto-Vermögen in selbstverwahrende Wallets transferieren, was total nachvollziehbar ist. KuCoin bietet ebenfalls einfache und benutzerfreundliche dezentralisierte Verwahrungsprodukte an, darunter die selbstverwahrende KuCoin Wallet, in der die Anleger ihre Private Keys unabhängig absichern können.
Insgesamt ist die Kryptobranche noch immer sehr jung und zerbrechlich, weshalb sie unbedingt für Transparenz sorgen muss. Das Vertrauen der Nutzer kann allein durch den Kollaps eines Krypto-Projekts wortwörtlich über Nacht zerstört werden, aber der Wiederaufbau von Vertrauen dauert um ein Vielfaches länger und kann nicht von nur einer Firma bewerkstelligt werden. Wir sollten deshalb offen sein und uns gegenseitig helfen, damit wir die Kryptobranche gemeinsam wiederaufbauen können. Wir sind davon überzeugt, dass Kryptowährungen die Zukunft der Finanzbranche sind und dass die Blockchain-Technologie das Finanzsystem revolutionieren und für mehr Inklusion auf der ganzen Welt sorgen wird.
CT: Wird 2023 ein besseres Jahr für Krypto?
Johnny Lyu: Es ist ganz normal, dass es auf den Finanzmärkten Aufwärts- und Abwärtszyklen gibt. Aus der Perspektive dieser Zyklen gibt es eine Chance, dass wir in 2023 wieder eine Erholung des Marktes sehen. Allerdings hängt dies stark davon ab, ob es nochmal einen „Schwarzen Schwan“ gibt, der eine solche Erholung torpediert. Insgesamt könnte der Kollaps der FTX und von anderen unlauteren Unternehmen im Jahr 2023 jedoch zum Vorteil für die Entwicklung der Kryptobranche sein.
CT: Wird die Regulierung eine größere Rolle spielen?
Johnny Lyu: Ich denke, dass die Regulierung in der Zukunft auf jeden Fall eine größere Rolle spielen wird. Im Hinblick auf die mögliche Stoßrichtung möchte ich dahingehend darauf hinweisen, dass die Technologie selbst unschuldig und unumkehrbar ist, und das sowohl die Blockchain-Technologie als auch Kryptobörsen revolutionäre Fortschritte und Innovationen hervorgebracht haben. Diese Innovationen haben den freien Fluss von Wert auf globaler Ebene ermöglicht und viele Dinge besser gemacht, so haben sie zum Beispiel ein diversifiziertes Finanzsystem geschaffen und für mehr informationelle Transparenz gesorgt. Die Regulierung kann jetzt dabei helfen, dass diese Technologie und Innovation das nächste Level erreicht. Jede neue Technologie durchläuft zu Beginn immer eine Periode der Unreife. Der Sinn und Zweck von Regulierung ist nicht, dass neue Technologien und Systeme unterdrückt werden, sondern dass diese in einem angemessenen Rahmen wachsen und gedeihen können.
Wie ich zuvor schon gesagt habe, hat rücksichtsloses und unmoralisches Verhalten einiger Player Schaden und Imageverlust an einer ganzen Branche angerichtet. Viele Menschen haben dadurch ihr Vertrauen verloren, weshalb es in dieser frühen Phase der Kryptobranche jetzt Regulierung braucht. Neben der Regulierung durch Regierungsbehörden braucht es allerdings auch Selbstregulierung innerhalb der Branche und besonders unter den Kryptobörsen. Grundlegende ethische Standards wie Transparenz und keine Veruntreuung von Nutzergeldern müssen von allen Playern der Branche eingehalten werden.
CT: Was sind die wichtigsten Trends für 2023?
Johnny Lyu: Der langfristige Trend für Kryptowährungen ist die Dezentralisierung und wir sind deshalb überzeugt, dass das Web3 und Dezentralisierte Apps (DApps) weiter auf dem Vormarsch sein werden. Allerdings befindet sich die Branche noch in einer frühen Phase und braucht zentralisierte Plattformen, um die Adoption von Kryptowährungen anzutreiben.
CT: Was sind die Pläne von KuCoin in diesem Jahr?
Johnny Lyu: Der hauptsächliche Fokus für KuCoin liegt 2023 auf dem Ausbau unserer Produkte und Dienstleistungen, um für unsere Nutzer auf der ganzen Welt noch besser zu werden. Neben der Verbesserung bestehender Produkte werden wir unsere Produktlinien auch sinnvoll mit Diensten wie Trading-Bots oder Fractional NFTs ergänzen, damit unsere Nutzer noch mehr Investitionsmöglichkeiten haben. Außerdem werden wir weiter in Richtung Web3 arbeiten.
CT: Einer der wichtigsten Trends ist die Adoption der Dezentralisierten Finanzdienstleistungen (DeFi). Wäre es für KuCoin eine Bedrohung, wenn Dezentralisierte Kryptobörsen (DEXs) nach dem Kollaps der FTX neuen Aufwind bekommen?
Johnny Lyu: Nach dem Vorfall um die FTX haben wir in der Tat abnehmendes Vertrauen gegenüber zentralisierten Plattformen festgestellt. Jedoch hat die Adoption von Dezentralisierten Anwendungen noch einen weiten Weg vor sich. Die hohe Benutzerfreundlichkeit und die ständige Verfügbarkeit von Kundenservice sind für die Krypto-Nutzer noch immer sehr wichtig, besonders für neue Krypto-Nutzer. Es ist viel schwerer, sich mit dezentralisierten Anwendungen als mit zentralisierten Plattformen vertraut zu machen und diese zu verstehen. Dementsprechend werden zentralisierte und dezentralisierte Plattformen noch für lange Zeit nebeneinander koexistieren, indem sie unterschiedliche Nutzergruppen und Anwendungsbereiche bedienen.
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