Cointelegraph auf Deutsch stellt den wichtigsten Köpfen aus der DACH-Region sechs Fragen über die Krypto- und Blockchain-Branche und weicht zwischendurch vom Thema ab.

In dieser Woche gehen unsere Fragen an Robby Schwertner. Unter dem Pseudonym “CryptoRobby” analysiert der österreichische Blockchain-Experte und Blogger aktuelle Themen rund um Blockchain, Kryptowährungen, NFTs und Metaverse. Darüber hinaus berät Schwertner Unternehmen und NGOs beim Einsatz der Blockchain-Technologie und ist häufig Sprecher auf internationalen Konferenzen, zum Beispiel im britischen Parlament, OECD, beim WEF-Davos und bei TedX Talks.

Cointelegraph auf Deutsch: Erinnern Sie sich, was Sie werden wollten, als Sie klein waren?

Robby Schwertner: Ja, ich wollte Autobusfahrer werden. Schon in der Volksschule hatte ich einen weiten Schulweg und setzte mich meist in die erste Reihe im Bus. Mich faszinierte, wie der Fahrer vor allem im Winter die steilen rutschigen Straßen sicher ansteuerte. Das wollte ich auch können. Manches ist bis heute geblieben: an einer Schaltstelle sitzen, andere bewegen, durchaus Risiken eingehen und meistern!

CT: Was ist die größte Hürde auf dem Weg zu einer breiten Akzeptanz der Blockchain-Technologie?

Robby Schwertner: Die Blockchain-Technologie ist noch langsam, im Vergleich zu herkömmlichen Software-Systemen noch relativ teuer und nicht anwendungsfreundlich. Diese Hürde gilt es in den nächsten Jahren zu nehmen. Solange es noch kompliziert ist, Kryptowährungen zu kaufen oder gar NFTs, werden wir noch auf die breite Akzeptanz warten müssen. Allerdings sehe ich viele Chancen für junge Startups, die coole Apps und Services anbieten und den Einstieg für neue Nutzer:innen einfacher machen.

CT: Wenn Sie sich die 100 größten Krypto-Projekte nach Marktkapitalisierung ansehen, welche stechen für Sie heraus – und warum?

Robby Schwertner: Einige der 100 größten Krypto-Projekte sind absolut bemerkenswert: Bitcoin (BTC) bleibt offenbar doch die unbestrittene Nummer 1, das zeigt sich klar, weil diese älteste Kryptowährung zunehmend als „digitales Gold“ gesehen wird und zur Absicherung gegen Inflation vermehrt Bedeutung erlangt. 

Ethereum (ETH) auf Nummer 2 wird ebenfalls noch länger seine Vormachtstellung behaupten. Dieses Projekt ist von seinen Funktionen her gänzlich unterschiedlich zu Bitcoin und keinesfalls als Konkurrenz zu sehen. Viele Industriebetriebe und Startups bauen auf Ethereum neue Business-Modelle.

Befremdlich finde ich die Platzierung von Ripple. Über dem Blockchain-Unternehmen schwebt das Damoklesschwert einer 1,3 Mrd US-Dollar schweren Klage der amerikanischen Börsenaufsicht SEC. Trotzdem hält sich der XRP-Token weit oben auf der Hitliste, und Ripple war seinerzeit von mehr als 60 Banken als Gegenkonzept zum Blockchain-Ansatz ins Leben gerufen worden. Ganz aufgegangen ist diese Strategie nicht und ich sehe dunkle Wolken am Horizont, sollte die SEC den Prozess gegen Ripple gewinnen.

Spannend finde ich generell Smart Contract Chains, die eine einfache Programmierung von dezentralen Anwendungen ermöglichen. Polygon sehe ich als besonders geeignet an: es bietet eine höhere Skalierbarkeit und ermöglicht geringere Latenzzeiten für Smart Contracts.

Newcomer ist das Near Protocol, von dem ich viel halte, weil sich diese Blockchain auf reale Industrieanwendungen spezialisiert und weil viele aus dem Team aus der Ukraine stammen. Wenn man NEAR-Token unterstützt, hilft man indirekt auch Menschen, die unter den Folgen des schrecklichen russischen Angriffskrieges leiden.

Ebenso spannend ist Polkadot, das ein neues System an Parachains entwickelt und damit Blockchains auf eine neue Art schneller machen soll, was für mich ein entscheidender Vorteil zu anderen Protokollen ist.

Nicht unter den besten 100 aber erwähnenswert ist das KILT-Protokoll: es ist eine Blockchain, die sich auf die Abbildung digitaler Identitäten spezialisiert hat, was zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das KILT-Team arbeitet hauptsächlich von Berlin aus, die Nähe zu deutschen Industrieunternehmen und Konzernen ist vorteilhaft. Zusätzlich profitiert das Projekt von der sehr agilen Startup- und Tech-Szene der deutschen Hauptstadt.

CT: Wenn Sie heute in Startups investieren würden, welche Blockchain-basierten Geschäftsmöglichkeiten würden Sie in Betracht ziehen?

Robby Schwertner: Mein Augenmerk liegt vor allem auf Teams, die sich mit Blockchain-Infrastruktur beschäftigen und die neue einfache Benutzerfreundlichkeit (Usability) für die Blockchain-Technologie anbieten. Zusätzlich schätze ich Ventures, die sich auf Blockchain-Hardware konzentrieren – aber hier sehe ich besonders viel Nachholbedarf. Auch Startups, die sich mit Metaverse- und Web3-Lösungen befassen, halte ich für zukunftsträchtig.

CT: Auf welche Fehlentscheidung (beruflich oder privat) hätten Sie rückblickend gerne verzichtet?

Robby Schwertner: Ich war immer sehr begeistert von der Blockchain-Technologie, und diese Verliebtheit machte mich manchmal blind. Ich habe 2017 ein Projekt ehrenamtlich unterstützt, weil ich es so toll fand, dass sie Token für NGOs und Hilfsprojekte auflegen wollten, um Bedürftigen zu helfen. Nach einiger Zeit stellte es sich als totaler Scam heraus, die Gründer wollten sich einfach bereichern. Ich war sehr verletzt und enttäuscht. Auf lange Sicht möchte ich aber auch auf diese Erfahrung nicht verzichten, weil ich dadurch viel vorsichtiger bei der Unterstützung von Blockchain-Projekten wurde.

CT: Was ist die dümmste Verschwörungstheorie, die es gibt, und welche lässt Sie kurz innehalten?

Robby Schwertner: Erstmal vermeide ich schon das Wort “Verschwörungstheorie” selbst. Theorien sind schon durch starke Indizien untermauert. Ich verwende das Wort Verschwörungserzählungen und da gibt es für mich kein wirkliches Dummheits-Ranking. Amüsant fand ich die Story über Bill Gates, der uns angeblich über die Corona-Impfung chippen wollte, um uns alle zu steuern.

Die wohl lustigste Story, die mir je unterkam, ist die „Birds are not real“-Kampagne. Zwei US-Satiriker überzeugten rund 100.000 Menschen, dass Vögel nicht real sind, sondern vom CIA gesteuerte Roboter, die uns ständig beobachten. Sie starteten 2017 damit, organisierten Demos, Vorträge und, obwohl die beiden nach 2 Jahren zugaben, dass es ein Scherz war, fand im Oktober 2022 noch eine Demo in New York statt. 

Aber es ist wichtig, aus solchen Experimenten zu lernen. Durch die schnelllebige Social-Media-Welt lassen sich Menschen leicht beeinflussen. Helfen kann eine Technologie, die wieder Vertrauen schafft, die die Kommunikation zwischen Menschen sicherer und vertraulicher macht, und ja, genau das leistet die Blockchain.