Nachdem Bitcoin (BTC) Ende Juli einen kleineren Durchhänger hatte, liegt der Kurs nun schon wieder fast bei 12.000 US-Dollar, was unter den Anlegern neue Euphorie auslöst. Als hauptsächlichen Grund für den Kursanstieg der letzten Woche sehen die meisten Experten den Handelsstreit zwischen den USA und China. Dieser Streit wird nun um ein spannendes Kapital erweitert, da die chinesische Zentralbank, auch bekannt als Chinesische Volksbank (PBOC), angekündigt hat, eine eigene nationale Digitalwährung herausbringen zu wollen, die explizit als Antwort auf Facebook Libra gedacht ist.

China will auf Libra reagieren

Wie Cointelegraph zuvor schon berichtet hatte, erhält die Entwicklung der eigenen Digitalwährung bei der PBOC oberste Priorität. In einer Mitteilung vom 2. August bestätigt die Zentralbank, dass dieser Schritt eine direkte Order der chinesischen Regierung ist. Da es zuvor schon Planungen und erste Vorbereitungen zu einer solchen Digitalwährung gegeben hatte, sollen die Bemühungen von nun an intensiviert und konkretisiert werden.

Als Auslöser für das verstärkte Interesse an der Gestaltung eines „digitalen Yuans“ kann die Facebook Kryptowährung Libra gesehen werden, die kurz zuvor nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt hohe mediale Wellen geschlagen hatte. Obwohl die US-Politik ihre ganz eigenen Vorbehalte gegenüber dem Projekt des Social-Media Konzerns hat, reagierte auch das Ausland überwiegend kritisch.

So fordert Wang Xin, der Leiter der Forschungsabteilung der PBOC, dass die chinesische Zentralbank nun die Arbeit an ihrer Digitalwährung vorantreiben müsse, um auf Libra zu reagieren. Wang befürchtet, dass die Aufsichtsbehörden vermutlich große Anstrengungen unternehmen müssen, um Libra regulieren zu können und selbst dann sieht er noch große Risiken, die von der Facebook Kryptowährung ausgehen könnten. Dahingehend wirft Wang eine entscheidende Frage auf:

„Wenn Libra im großen Stil als Zahlungsmittel genutzt wird, besonders für grenzübergreifende Zahlungen, wird sie dann wie Geld funktionieren und einen entsprechend großen Einfluss auf Geldpolitik, finanzielle Stabilität und das internationale Währungssystem haben?“

Was bei den Chinesen besonders für Unbehagen sorgt, ist die Frage, an welche Landeswährungen der Libra letztendlich angebunden sein wird und welche Rolle der US-Dollar dabei übernimmt. Dazu meint Wang:

„Wenn Libra eng an den US-Dollar angebunden ist, könnte daraus ein Szenario entstehen, in dem souveräne Nationalwährungen mit einer US-Dollar basierten Digitalwährung koexistieren müssten, aber im Endeffekt gibt es dann nur noch einen Chef im Ring und das ist der US-Dollar bzw. die USA. Daraus würde sich eine Reihe wirtschaftlicher, finanzieller und politischer Konsequenzen ergeben.“

Zhou Xiaochuan, ein ehemaliger Direktor der chinesischen Zentralbank, teilt diese Bedenken, da er vermutet, dass die Facebook Kryptowährung zur Bedrohung für das internationale Währungssystem werden könnte, da Nationalwährungen durch diese bedeutend abgeschwächt werden könnten.

Daher empfiehlt Zhou der chinesischen Regierung, die eigene Landeswährung zu stärken und nach dem Vorbild Hongkong eine digitale Version des Yuans zu schaffen. Dabei soll die Herausgabe einer solche Digitalwährung privatwirtschaftlichen Unternehmen unterliegen, ähnlich wie Facebook in den USA, die dann wiederum durch Zentralbank beaufsichtigt werden. Experten sehen die großen chinesischen Konzerne Alibaba und Tencent dementsprechend an vorderster Front. Dieser Vorschlag scheint in Chinas Wirtschaftswelt bereits auf Gegenliebe zu treffen, so kommentierte Ren Zhengfei, der Geschäftsführer von Huawei, dahingehend:

„China kann doch einfach eine eigene Version des Libra herausbringen. Warum sollten wir abwarten, bis andere uns zuvorkommen? Die gemeinsame Stärke eines Landes ist größer als die eines einzelnen Internetkonzerns.“

Stablecoin soll die heimische Wirtschaft stärken

Eine digitale Nationalwährung würde höchstwahrscheinlich in Form eines sogenannten Stablecoins auf den Markt gebracht werden, was wiederum ähnlich dem Konzept von Libra ist. Ein Stablecoin ist eine Kryptowährung, die an eine oder mehrere Landeswährungen angebunden ist, um damit für die namensgebende „Stabilität“ zu sorgen. Die chinesische Digitalwährung wäre folglich wohl an den Yuan angebunden.

Die chinesische Zentralbank hatte im vergangenen Oktober bereits eine Studie veröffentlicht, in der sie verschiedene Stablecoins untersucht hat. Dabei ist die Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass die meisten Projekte an den US-Dollar angebunden sind, wie zum Beispiel der Gemini Dollar (GUSD) oder der Paxos Standard (PAX). Dementsprechend gehen die Forscher davon aus, dass dadurch die Rolle des US-Dollars im globalen Währungssystem gestärkt wird, während andere Währungen dadurch an Einfluss verlieren. So heißt es in der Schlussfolgerung:

„Wenn sich die Stablecoins, die an den US-Dollar angebunden sind, auf dem Markt durchsetzen können und einen Mehrwert zur Wirtschaft beitragen, dann müssen wir unsere Anstrengungen in diese Richtung verdoppeln und die relevanten Fälle untersuchen. Dies ist wichtig, um unsere heimischen Unternehmen zu unterstützen und einen eigenen Stablecoin herauszugeben, der an den Yuan angebunden ist.“  

Allerdings weisen die Forscher gleichsam darauf hin, dass die bisherigen Stablecoins noch einen weiten Weg vor sich haben, ehe sie das Finanzsystem wirklich beeinflussen können. Nichtsdestotrotz warnt auch Star Xu, der Gründer der Kryptobörse OKCoin, vor den Folgen der US-Dollar Stablecoins:

„Die an den Dollar angebundenen Stablecoins, die von der US-Regierung beaufsichtigt werden, werden den Stellenwert des US-Dollars verhundertfachen.“  

Bitcoin profitiert vom schwachen Yuan

Unterdessen sehen Experten einen Zusammenhang zwischen der momentanen Schwäche der chinesischen Nationalwährung und dem Aufschwung von Bitcoin. Der Kurs der marktführenden Kryptowährung ist letzte Woche stark angestiegen, nachdem der Yuan auf ein mehrjähriges Tief abgerutscht war.

Correlation between yuan’s fall and Bitcoin’s surge

Korrelation zwischen den Kursen von Yuan (weiß) und Bitcoin (gelb)

 

US-Präsident Donald Trump warf der chinesischen Regierung daraufhin vor, den Währungskurs absichtlich manipuliert zu haben, um dadurch die auferlegten Strafzölle abzufedern:

„China hat den Kurs seiner Währung auf ein historisches Tief abgesenkt. Sowas nennt man auch Währungsmanipulation. Habt ihr das mitbekommen US-Zentralbank? Dieser Verstoß wird für China langfristig zum Nachteil sein.“

Finanzexperten vermuten allerdings, dass der Yuan durch die Angst der Anleger abgestürzt ist, da der Kursrückgang kurz nach Ankündigung neuer Strafzölle durch die USA eingetreten war. Durch die Abwertung werden amerikanische Güter für die chinesische Bevölkerung teurer, was wiederum dem Export der USA beträchtlich schaden könnte. Der amerikanische Aktienmarkt ist dementsprechend zuletzt abgefallen, was aber wiederum den Kryptomärkten in die Karten spielt.

Besonders den momentanen Anstieg von Bitcoin führen einige Experten darauf zurück, dass chinesische Anleger auf die Kryptowährung ausweichen, um ihre Sparvermögen zu schützen, die von der Schwäche des Yuans negativ beeinflusst werden. Diese These stützt auch Simon Peters, ein Analyst der Handelsplattform eToro:

„Im Hinblick auf die Tatsache, dass chinesische Anleger einen Großteil des Kryptomarktes ausmachen, ist es sehr wahrscheinlich, dass einige von ihnen nun auf Bitcoin ausweichen, um sich gegen den Yuan abzusichern.“

Peter Schiff, der Geschäftsführer der Brokerfirma Euro Pacific Capital, bestreitet diese Annahme jedoch und meint, dass der momentane Kursanstieg von Bitcoin vielmehr durch Spekulation bedingt ist:

„Die Chinesen kaufen Bitcoin noch gar nicht als Absicherung, sondern Spekulanten kaufen Bitcoin in der Hoffnung, dass die Chinesen darauf ausweichen wollen!“

Das Internet ist skeptisch

Einige Äußerungen der chinesischen Zentralbank bezüglich einer nationalen Kryptowährung haben im weltweiten Netz für heißen Diskussionsstoff gesorgt. Der Tenor ist dabei überwiegend negativ, da einige Nutzer davon ausgehen, dass sowohl die USA als auch China lediglich eine nationale Kryptowährung aufbauen wollen, um darüber ihre Bevölkerung zu kontrollieren. Der Krypto-Fürsprecher Richard Heart meint lapidar:

„Regierungen wollen Kontrolle über ihre Bevölkerungen ausüben. Das ist nicht neu…und auch nicht gut.“

Auf Los geht’s los?

Bisher ist noch unklar, wie lange die Umsetzung einer chinesischen Kryptowährung tatsächlich dauern wird. Letztendlich könnte es mehrere Jahre dauern, bis diese Idee Wirklichkeit wird, da zunächst erst ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden müsste, außerdem bräuchte es von jetzt auf gleich viel Know-how, um ein Projekt in diesem Maßstab zu realisieren.

Auch andere Länder haben bereits erste Anstrengungen für eine nationale Digitalwährung unternommen, darunter der Iran, die Türkei, Saudi-Arabien, Russland, Estland und Venezuela. Das südamerikanische Land konnte durch den Token-Verkauf seiner auf Öl gestützten Digitalwährung namens Petro angeblich bereits 1 Mrd. US-Dollar einnehmen. Die Banken des Landes zeigen die Guthaben ihrer Kunden bereits in Petro an, außerdem will Venezuela sich darum bemühen, dass dieser zur gemeinsamen Digitalwährung der OPEC wird.

In China wurden die Pläne um eine eigene Kryptowährung bereits seit Januar 2016 diskutiert. Schon damals hatte die Zentralbank angeregt, schnellstmöglich mit der Entwicklung zu beginnen. In diesem Zusammenhang hatte sie auch die Vorteile von Digitalwährungen gegenüber klassischen Währungen hervorgehoben:

„Der Betrieb von Digitalwährungen ist viel billiger als der Betrieb von Fiatwährungen, gleichsam fördern sie den Handel, sorgen für mehr Transparenz und reduzieren das Risiko von Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Digitalwährungen können dabei helfen, eine neue finanzielle Infrastruktur aufzubauen, das chinesische Zahlungssystem zu stärken und die Modernisierung der Wirtschaft zu bewirken.“

Die PBOC beschäftigt sich schon lange mit den Entwicklungen der Kryptomärkte, so wurde bereits 2014 eine gesonderte Forschungsgruppe für diesen Sektor eingerichtet. Seit 2015 untersucht die chinesische Regierung, wie andere Länder die gesetzliche Handhabe von Kryptowährungen gestalten, um daraus Erkenntnisse für die eigenen Regulierungsbemühungen zu gewinnen.

Allerdings sollte darauf hingewiesen werden, dass in dem jüngsten Bericht der chinesischen Zentralbank nicht einmal das Wort „Bitcoin“ vorkommt, obwohl China einer der größten Player in der Kryptobranche ist. Außerdem wird darin auch nicht genau aufgeschlüsselt, wie eine eigene nationale Digitalwährung konzipiert wäre.

Dementsprechend wird die Blockchain-Technologie auch nur einmal erwähnt, aber immerhin als wichtige Errungenschaft der Informatik bezeichnet. Zwischen den Zeilen lässt sich jedoch herauslesen, dass die geplante Digitalwährung zumindest in technischer Hinsicht große Schnittmengen mit Bitcoin haben wird. Es würde sich also regelrecht um eine Kryptowährung handeln.

Wang Xin, der Forschungsleiter der PBOC, merkt außerdem an, dass sein Institut eine der ersten Zentralbanken war, die sich ernsthaft mit der Idee einer eigenen Digitalwährung beschäftigt hat. Allerdings bräuchte es jetzt die entsprechende Umsetzung, um diesen Vorsprung umzumünzen. Dahingehend bestätigt er, dass die Regierung bereits grünes Licht zur Entwicklung der Digitalwährung gegeben hat, jedoch ist unklar, in welcher Phase sich diese befindet. Huang Yiping, ein Professor der Universität Peking und der Leiter der Forschungsgruppe, sieht eine ähnliche Dringlichkeit wie sein Vorgesetzter:

„Noch ist nicht klar, ob Libra sich wirklich durchsetzen kann, […] aber selbst, wenn nicht, wird die Idee dahinter bestehen bleiben. Dies ist ein Warnschuss an China, dass unser Vorsprung in der Finanztechnologie nicht sicher ist.“

Gegenüber Cointelegraph hatte ein anonymes Mitglied der chinesischen Zentralbank betont, dass der digitale Yuan früher oder später kommen wird, wobei sich der Handelsstreit als entscheidender Anstoß herausstellen könnte:

„Digitalwährungen sind in der Zukunft ein sehr wichtiges Feld. Die Turbulenzen, die durch den Handelsstreit zwischen den USA und China entstanden sind, könnten noch lange nachwirken. Unter diesen Umständen müssen wir uns noch mehr mit Digitalwährungen beschäftigen, da sie sowohl Chancen als auch Risiken bergen. Ich bin davon überzeugt, dass China eines Tages eine eigene Digitalwährung herausbringen wird.“

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