Bisher haben sich die Börsen aus dem Handel mit Kryptowährungen herausgehalten. Wer Bitcoins traden will, tut dies auf Handelsplattformen, wie zum Beispiel Bitcoin.de, Bitfinex oder Coinbase. Doch nun stößt die Stuttgarter Börse auch in die Krypto-Welt vor und heizt damit einen Wettbewerb zwischen neuen und etablierten Handelsplattformen an. Die nach Frankfurt zweitgrößte Börse steigt mit ihrer eigenen App namens “Bison” in das Geschäft ein und will damit den Handel von Bitcoins und anderen Kryptowährungen ermöglichen.
Cointelegraph auf Deutsch hat mit Alexander Höptner, CEO der Börse Stuttgart, über die neue Bison App auf der East West Crypto Conference (EWCC) in Frankfurt gesprochen und erfahren, warum es sich trotz aller Risiken lohnt, ins Geschäft mit Krypto und ICOs einzusteigen.
Cointelegraph auf Deutsch: Wie ist die Stuttgarter Börse auf die Idee gekommen, die Bison-App zu entwickeln?
Alexander Höptner: Für einen normalen, nicht Technologie-affinen Menschen ist es kaum möglich, Kryptowährungen zu handeln. Als ich selbst mein Konto eröffnet habe, schien alles für mich sehr kompliziert: Wallets, Schlüssel, Forks, Sicherheitsaspekte… Wir wollen diesen Prozess nun vereinfachen und den Handel mit Kryptowährungen für alle verständlich und zugänglich machen. Wir sind eine Börse für Privatanleger und fokussieren uns auf deren Bedürfnisse - und das Interesse auf Anlegerseite nach einem unkomplizierten Handel mit Kryptowährungen ist enorm.
CT: Will die Börse Stuttgart mit der neuen App mit großen Krypto-Börsen wie Coinbase oder Bitfinex konkurrieren?
AH: Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken, um uns am Markt zu etablieren. Im Vergleich zu den großen Krypto-Börsen bietet Bison unkomplizierten Handel ohne Gebühren und übernimmt auch die sichere Verwahrung. Und Bison ist nicht nur die erste Krypto-Trading-App “Made in Germany”, sondern auch die erste, hinter der mit der Börse Stuttgart eine traditionelle Wertpapierbörse steht.
CT: Haben Sie keine Angst, dass ein solches Experiment dem Ruf der Börse schadet und das Vertrauen Ihrer Anleger zerstört?
AH: Kryptowährungen sind eine neue, spekulative Anlageklasse. Sie folgt anderen Gesetzmäßigkeiten und es gibt große Volatilität. Aber die Schwankungen sind auch deshalb so extrem, weil damit heute Geld verdient wird. Gleichzeitig sind viele Kryptowährungen intransparent, es fehlt eine Wertbasis. Jetzt muss jemand den Markt auf die nächste Ebene bringen. Hier will die Börse Stuttgart nicht abwarten, sondern als Innovationsführer selbst Standards setzen und verlässliche Strukturen schaffen. Natürlich besteht dabei auch ein Risiko. Aber es ist richtig, diese Dinge anzugehen.
Bis jetzt ist das Feedback auf unsere Vorhaben sehr positiv, auch bei vielen Banken. Weil endlich ein etablierter Player auftritt, der ein klares Verständnis für Kryptowährungen hat. Und wenn unsere Kunden Kryptowährungen handeln wollen, dann wäre es von uns als Privatanlegerbörse nicht klug, wenn wir diese Möglichkeit nicht anbieten würden.
CT: Hat ein Bison-Nutzer Kontrolle über seine privaten Schlüssel?
AH: Wir möchten den Handel von Kryptowährungen so einfach wie möglich machen und die technische Hürde auf ein Minimum senken. Deshalb werden die privaten Schlüssel für Privatanleger durch Bison verwahrt und den Kunden nicht zur Verfügung gestellt. Wenn wir die privaten Schlüssel verwahren, können wir die Verantwortung übernehmen und einen für den Massenmarkt entscheidenden Service bieten. Es ist den Kunden aber jederzeit möglich, die Kryptowährungen auf ihr eigenes Wallet übertragen zu lassen.
CT: Die App ist kostenlos - was hat die Stuttgarter Börse davon?
AH: Der Anbieter der App verdient am Spread, also der Differenz zwischen An- und Verkaufspreisen. Ansonsten gibt es in der Tat keine Gebühren.
CT: Wird die Bison-App nur für deutsche Anleger verfügbar sein?
AH: Der Startpunkt ist Deutschland für Kunden mit einem deutschen Girokonto. Schrittweise werden wir unser Angebot danach auf andere Länder in Europa ausdehnen, wenn es aus regulatorischer Sicht möglich ist.
CT: Arbeiten Sie mit Aufsichtsbehörden wie der BaFin zusammen? Hat BaFin das Geschäft schon genehmigt oder irgendwie darauf reagiert?
AH: In regulatorischer Hinsicht können wir mit der App Bison starten. Alles, was wir tun, geschah und geschieht in enger Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden. Unsere Ziele ähneln sich: Investoren zu schützen und für Stabilität zu sorgen. Innovationen abwürgen will niemand.
CT: Die Situation im ICO-Bereich sieht auch sehr problematisch aus, viele der Projekte scheitern oder haben einen betrügerischen Hintergrund. Ist es nicht zu riskant, ins Geschäft mit ICOs einzusteigen?
AH: Ja, viele Dinge sind schiefgelaufen. Aber ICOs sind an sich eine spannende Finanzierungsform. Allerdings fehlt es definitiv an Regeln, Standardisierung und Transparenz. Ein Unternehmen muss Regeln erfüllen, damit es einen klassischen Börsengang machen kann. Vergleichbares müssen wir für ICOs einführen. Gleichzeitig ist zu hinterfragen, wann eine Kapitalbeschaffung über Token sinnvoll ist. Es gibt Geschäftsmodelle, bei denen ein eigener Token zentral ist, etwa Online-Marktplätze. Und diese Professionalisierung können wir als neutraler Akteur unterstützen.
CT: Was halten Sie von dezentralen Börsen? Ist das eine gute Entwicklung oder ist das bedrohlich für die bestehenden traditionellen Börsen?
AH: Dezentral organisierte Börsen finde ich einerseits spannend, weil sie den Grundgedanken der Blockchain-Technologie in den Fokus rücken und auf ihre Weise Sicherheit schaffen. Andererseits kann mit Blick auf Regulierung und Effizienz auch eine zentralisierte Plattform vorteilhaft sein, die von einer oder wenigen Parteien betrieben wird.
CT: Sie haben früher bei der Deutschen Börse gearbeitet, die jetzt ziemlich vorsichtig mit Krypto umgeht. Wie beurteilen Sie diese Haltung?
AH: Die Aktivitäten der Deutschen Börse möchte ich nicht kommentieren. Nur so viel: Der Fokus liegt dort eher auf institutionellen Investoren. Die Wünsche, die Privatanleger bei einer neuen Anlageklasse wie Kryptowährungen haben, können hingegen wir besser verstehen. Das ist meiner Meinung nach der Grund, warum es uns leichter fällt, hier innovativer zu sein.
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