Der CEO des Blockchain-Fintechs Initium Daniel Spier erwartet, dass Facebook mit seinem Libra-Projekt an den eigenen hohen Ansprüchen scheitern wird, wie er in einem bei Finews am 1. Juli veröffentlichten Gastbeitrag schreibt.

Die von Facebook geplante Bindung von Libra an einen Korb von wichtigen Fiatwährungen als Quasi-Stablecoin und damit an die Volkswirtschaften von Industrienationen sieht Spier als potentielle Schwachstelle an. Er verweist auf das Beispiel der Europäischen Währungsgemeinschaft, deren Geschichte zeige, “dass das wahrscheinlich böse enden” werde:

“Die europäische Schuldenkrise wurde dadurch verstärkt, dass verschiedene Volkswirtschaften, die sich an unterschiedlichen Punkten im ökonomischen Zyklus befanden, ans gleiche Währungs-Regime gekettet waren. Länder wie Griechenland mussten jahrelang einen schmerzhaften Sparkurs fahren, weil die Kosten des Schulddienstes an viel stärkere Volkswirtschaften wie Deutschland geknüpft waren.”

Spier fragt, “wenn der Unterschied zwischen Griechenland und Deutschland bereits zu groß gewesen sei”, wie es “sich dann mit der Differenz zwischen Deutschland und Bangladesch” verhalte. Eine Geldpolitik der Zentralbanken sei im Fall von Libra zudem inexistent oder würde sich unter der Kontrolle der globalen Unternehmen befinden, welche Mitglied der Libra-Stiftung seien. Beide Szenarien seien weder attraktiv noch demokratisch.

Zwar sei nicht davon auszugehen, dass ganze Länder Libra als Währung übernehmen oder Arbeitgeber ihre Angestellten damit bezahlen würden. “Libra wäre eher ein Parallelsystem von digitalen Guthaben als eine echte Währung”, argumentiert Spier. Als Fluchtwährung bei Hyperinflation könnte Libra möglicherweise eingesetzt werden, nicht aber “als Währung für das Lohnkonto”, da Wechselkurs-Fluktuationen zu einem Risiko für Arbeitgeber oder Arbeitnehmer führen würden.

Einen potentiellen Nutzen spricht Spier dem Libra-Projekt allerdings nicht ab und nennt dafür drei mögliche Einsatzgebiete:

“In gescheiterten Staaten, wo das Finanzsystem komplett zusammengebrochen ist, wäre Libra besser als nichts. Das Projekt könnte frischen Wind ins Geschäft mit Fremdwährungen bringen und die Gebühren von Firmen wie Western Union oder Moneygram drücken. Ziemlich sicher bietet Libra eine Grundlage für ein System von Online-Mikrotransaktionen.“

Derartige Anwendungsfälle beträfen “diejenigen allerdings nur am Rande, die gar keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen” hätten. Anstelle großer Unternehmen wie Facebook seien innovative Tech-Firmen eher in der Lage, diesen Personengruppen mit Dienstleistungen wie Online-Banking, Mikrofinanz oder Crowd-Investing zu helfen.

Damit dies allerdings geschehen könne, müsse dem Fintech-Sektor, welcher selbst nur beschränkt Zugang zu Finanzdienstleistungen habe, geholfen werden, fordert Spier. Firmen, welche die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) nutzten, würden von Banken in der Schweiz oft als Kunden abgelehnt und unterlägen auch andernorts “Einschränkungen”.

Spiers Skepsis stehen positive Erwartungen von anderen Experten und Markteilnehmern aus dem Blockchain-Bereich entgegen, die sich von Libra positive Effekte für die gesamte Branche erhoffen, wie etwa Teck Chia, Partner bei Binance Labs. Facebook treibt das Projekt unterdessen weiter voran und hat im US-Bundesstaat New York eine Zulassung für die Kryptowährung beantragt.