Kategorie Investment & Finanzen |
Mauro Casellini ist CEO der Bitcoin Suisse (Liechtenstein) AG und Leiter von Bitcoin Suisse Europe, wo er für das europäische Geschäft verantwortlich ist. Bitcoin Suisse mit Hauptsitz im Zuger Crypto Valley wurde im Jahr 2013 gegründet und ist einer der ältesten Blockchain-Finanzdienstleister der Welt. Bevor Casellini zur Bitcoin Suisse kam, arbeitete er als Leiter des Blockchain and Payment Service Providers bei der liechtensteinischen Bank Frick, wo er erfolgreich die Unternehmensstrategie im Bereich Blockchain-Banking setzte und die Abteilung Blockchain und Payment Service Provider aufbaute.
Zudem ist Casellini ehrenamtlich als Vorstandsmitglied der Crypto Country Association (CCA) in Liechtenstein tätig, der offiziellen Vertretung der Blockchain-Industrie gegenüber Regierung, Regulatoren und Unternehmen.
Welche Ereignisse waren 2022 wichtig für die Krypto- und Blockchain-Adoption?
“Im Jahr 2021 wurden mehrere Allzeithochs erreicht, viele neue Investoren aus dem institutionellen Sektor investierten in Kryptoassets wie Bitcoin und andere neue aufstrebende Projekte. Das Jahr 2022 war auf den ersten Blick vor allem von Kursrückgängen geprägt. Dennoch bin ich überzeugt, dass sich dieses Jahr rückblickend als eines der entscheidendsten Jahre für die Krypto-Adoption erweisen wird. Einige Ereignisse in diesem Jahr führten zwar zu deutlichen Kursabschwüngen, könnten aber langfristig einen positiven Effekt auslösen und zu einer Akzeptanz im Markt führen.
Crash von Terra (LUNA)
Im Mai fand mit dem Crash von Terra (LUNA) und dem Depegging von UST eines der kritischsten und wertzerstörerischsten Ereignisse der jüngeren Blockchain-Geschichte statt. Das Konzept algorithmischer Stablecoins, die anders als „traditionelle“ Stablecoins (USDC, USDT, BUSD und so weiter) nicht durch Fiat-Währungen gedeckt sind, sondern je nach Angebot und Nachfrage mehr Einheiten schaffen oder bestehende Einheiten vernichten, ist äußerst spannend. Wie wir aber feststellen konnten, besteht ein enorm großes Risiko in dieser noch jungen Technologie. Das Experiment algorithmischer Stablecoins wurde viel zu schnell zu groß, durchlief entsprechend nicht genügend Tests und barg Risiken, welche nicht beachtet wurden. Schlussendlich führte hier ein nicht vollständig durchdachtes System zu einer Zerstörung von über 60 Milliarden USD. Mit einer klareren Regulierung, sauberem Risikomanagement und einer engeren Kontrolle hätten einige negative Auswirkungen verhindert werden können.
Während traditionelle Banken sich bei der Geldschöpfung an klare Regeln halten müssen, kennt die Kryptowelt diese Regeln (noch) nicht. Viel Unbekanntes und Neues wird umgesetzt, ohne dass die Marktteilnehmer über eine klare Regulierungspraxis oder klare Regeln verfügen. Dies hat zwar den großen Vorteil der Innovationsförderung und -entfaltung, kann aber auch schnell dazu führen, dass zu wenig gut durchdachte Systeme mit hoher Geschwindigkeit zu groß werden und schon ein kleiner Fehler das Risiko einer enormen Entwertung birgt. Ich bin davon überzeugt, dass dieser spezielle Fall von den Regulatoren sehr genau analysiert wird und entsprechende geplante Regulierungen vergleichbare Fälle verhindern sollen. Dies ist im Markt bereits sichtbar.
Ethereum-Merge
Mit dem Ethereum-Merge und dem damit verbundenen Wechsel des Consensus-Mechanismus von Proof of Work (PoW) auf Proof of Stake (PoS) wurde ein mehrjähriger Prozess erfolgreich abgeschlossen. Seit dem 15. September 2022 läuft die Ethereum-Blockchain erfolgreich basierend auf dem PoS-Algorithmus und ein weiterer wichtiger Meilenstein in Richtung Sharding – der Grundtechnologie für eine höhere Skalierung auf der Ethereum-Blockchain – wurde erreicht.
Ein passender Vergleich von der Ethereum Foundation beschreibt diesen Übergang als ein Raumschiff, welches mitten im Flug das alte Triebwerk gegen ein neues austauscht.
FTX-Debakel
Aus meiner Sicht war nach dem Terra-Luna-Ausfall klar, dass wir einen Trend zu mehr Regulierung sehen werden. Der Niedergang von FTX hat diese Entwicklung um einiges beschleunigt. Bei FTX handelt es sich nach den bisherigen Erkenntnissen um einen der größten Finanzskandale, der einen voraussichtlichen Schaden von 10 bis 50 Milliarden US-Dollar verursachte. Der Konkurs einer der früher größten Kryptobörsen FTX wird uns noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, begleiten.
Als beinahe absurd zu bezeichnen war die gute Außenwahrnehmung von FTX bis kurz vor dem Untergang. Die Verbindungen zu Regulatoren weltweit waren beeindruckend, es wurde massiv Lobbyarbeit betrieben und sogar der US-Wahlkampf der Demokraten mitfinanziert. Im Rückblick zeigt sich nun ein Bild eines Unternehmens, das Kundengelder an Dritte ausgeliehen, Insider Trading und Front Running betrieben und systematisch mit Kundengeldern spekuliert und diese zweckentfremdet hat.
Entsprechend weitreichend sehe ich die Auswirkungen dieses Ereignisses – gerade in Kombination mit dem Terra-Crash – für das Vorantreiben der globalen Regulierung. Ich bin davon überzeugt, dass Aufsichtsbehörden weltweit nun mit höherer Geschwindigkeit an Regulierungsthemen arbeiten werden und die nicht zu unterschätzende Bedeutung von angemessener Regulierung noch klarer wird. Die “Markets in Crypto Assets”-Regulierung (MiCA) bildet in Europa bereits ein gutes Rahmenwerk. Nach dem zeitnahen Inkrafttreten wird sich zeigen, ob über die nächsten Jahre ein regulatorisch sicheres Umfeld geschaffen werden kann. Schlussendlich ist das Ziel von guter Regulierung, sowohl Investoren als auch Marktteilnehmer zu schützen. Aufgrund der diesjährigen Ereignisse wird umso mehr ersichtlich, dass dies auch dringend nötig ist.
Ausblick
Ich blicke positive in die Zukunft. Trotz solcher negativen Ereignisse entwickelt sich die Kryptobranche kontinuierlich mit neuen motivierten Talenten, Innovationen und neu gegründeten Unternehmen weiter. Regulierung wird uns zudem mittelfristig dabei helfen, an Legitimität, Akzeptanz und Größe zu gewinnen, und sollte daher nicht als notwendiges Übel, sondern als unterstützender Partner verstanden werden.”