Am 27. März teilte die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) per Erklärung mit, ihr Untersuchungsverfahren gegen die mittlerweile in Auflösung befindliche Envion AG abgeschlossen zu haben.

Anlegern, die bei dem umgerechnet rund 100 Millionen US-Dollar schweren Initial Coin Offering (ICO) von Envion teilgenommen hatten, bringt die Finma-Entscheidung nur etwas mehr Aufklärung über die Geschehnisse. Ob sie etwas von ihrem investierten Kapital zurückerhalten werden, bleibt weiterhin unklar.

Kreative Geschäftsidee

Envion hatte mit einem zunächst vielversprechenden Geschäftsmodell bei seinem ICO nahe des bisherigen Allzeithoch des Krypto-Sektors Ende 2017 viele Anleger für sich gewinnen können. Mit in Containern untergebrachten und damit flexibel transportierbaren Mining-Anlagen wollte das Startup Strom aus nachhaltiger Produktion zur Erzeugung von Kryptowährung verwenden.

Die Idee, Ökostrom bei Überkapazitäten in das Mining zu stecken, fand bei vielen Teilnehmern Zuspruch, insbesondere wegen des häufig kritisierten hohen Strombedarfs großer Blockchains.

Eine Absage des europäischen Stromriesen Enel im Februar 2018 zu möglichen Energielieferungen an Envion hatten jedoch schnell erste Zweifel an der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells geweckt.

Betrugsskandal

Nur wenige Monate nach dem ICO sorgte Envion dann durch einen handfesten Skandal für enorme Verunsicherung unter seinen Anlegern. Envion Verwaltungsratschef Matthias Woestmann warf den durch die Trado GmbH an Envion beteiligten Gründern am 16. Mai die Hinterziehung von Millionenwerten des Unternehmens vor. Mitgründer Laurent Martin antwortete daraufhin am 17. Mai mit einer Videobotschaft, in welcher er Woestmann selbst des Betrugs bezichtigte.

Kern des Streits: Woestmann soll seine Vollmachten als Verwaltungsratschef zu einer versteckten Kapitalerhöhung benutzt haben, die den Anteil der Gründer von zuvor 81 Prozent auf nur noch 31 Prozent schmälerten.

Es begann ein immer noch andauernder Rechtsstreit zwischen den Parteien, die sich seitdem gegenseitig mit Schuldzuweisungen und Vorwürfen überziehen. Während die Kryptomärkte ihren Wertverfall im Frühjahr 2018 fortsetzen, zeichnete sich immer mehr ab, dass das investierte Geld der ICO-Teilnehmer verloren sein könnte.

An eine erfolgreiche Umsetzung der Geschäftsidee war aufgrund des Rechtsstreits nur noch wenig zu denken und zusätzlich schmolzen die möglichen Gewinnmargen durch Krypto-Mining mit dem Sinken der Kurse von Bitcoin und Co.

Finma startet Ermittlungen

Im Juli eröffnete dann die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma zum Überdruss der Anleger auch noch, Envion habe möglicherweise bei seinem ICO gegen geltendes Recht verstoßen. Das Unternehmen, welches Käufer des EVN-Tokens am künftigen Geschäftserfolg teilhaben lassen wollte, habe diesen unrechtmäßig in einer anleiheähnlichen Form lanciert.

Während die Finma weiter ermittelte, kam dann im November 2018 der Todesstoß für Envion. Das Kantonsgericht Zug ordnete die Schließung von Envion und die Auflösung des Unternehmens wegen eines unbefugten ICO an. Während einer Prüfung hatte sich zudem unter anderem das völlige Fehlen einer Finanzabteilung und eines Verwaltungsrates herausgestellt, erklärte das Gericht.

Für den Vollzug des angeordneten Konkurses ernannte das Gericht einen Bevollmächtigten, womit Verwaltungsratschef Woestmann und die Gründer ihren Einfluss auf die weiteren Geschehnisse komplett verloren.

Die späte Bestätigung der Finma, dass das ICO von Envion unrechtmäßig gewesen sei, ist damit für die betroffenen Anleger und früheren Geschäftspartner von Envion eher eine Randnotiz. Die Finma betonte dies auch selbst in ihrer Stellungnahme, in welcher es heißt:

“Aufgrund dieses Schritts erübrigen sich weitergehende aufsichtsrechtliche Massnahmen der FINMA gegen die Gesellschaft. Die FINMA kann keine Angaben zur finanziellen Situation der Gesellschaft machen und verweist diesbezüglich an das Konkursamt Zug, welches für den Konkurs der envion AG zuständig ist.”

Gründer und Ex-CEO streiten weiter

Die Envion Gründer und Ex-Verwaltungsratschef Matthias Woestmann interpretieren die Finma-Entscheidung unterdessen auf ihre jeweils eigene Weise. Während Woestmann sich laut einer von ihm lancierten Pressemitteilung vom 27. März durch einen Finma-Bericht umfassend entlastet sieht, widersprechen die Gründer in einer eigenen Medienmitteilung vom 1. April dieser Darstellung und kritisieren gleichzeitig die Finma selbst.

“Die Behauptung des Ex-Verwaltungsrates der envion AG Matthias Woestmann, er sei durch den Bericht vollumfänglich entlastet worden, bezeichnen die Gründer als “absurd und unwahr”, schreiben diese darin, und weiter:

“Die Gründer verweisen darauf, dass der Untersuchungsbericht nicht rechtskräftig ist und dagegen Rechtsmittel eingelegt werden können.”

Was dies alles für die Anleger bedeutet, und wie viel Geld von den ursprünglich rund 100 Millionen US-Dollar möglicherweise zurückerstattet werden kann, bleibt indes weiter unklar. Wie von der Finma erwähnt, dürfte dies einzig und alleine vom Konkursamt Zug abhängen. Mit weiteren Gerichtsverfahren darf allerdings gerechnet werden.