Anfang Februar kam Bewegung in die Schweizer Stadt Zug. Die Crypto Valley Association (CVA) hat eine umfassende Reorganisation durchgeführt: Die Generalversammlung des Verbandes hat am Donnerstag, 31. Januar, den ehemaligen Swisscom-Manager Daniel Haudenschild zum Präsidenten der CVA und damit zum Nachfolger von Oliver Bussmann gewählt.

Der Ex-Präsident der CVA sowie die Vorstandsmitglieder Vasily Suvorov, René Hüsler und Nicolas Schobinger haben im letzten November bekanntgegeben, dass sie bei der nächsten Wahl der Generalversammlung nicht erneut kandidieren wollen. Oliver Bussman, der ehemalige SAP- und UBS-Manager, der ein Beratungsunternehmen in Zug leitet, war laut Medienberichten sehr umstritten. Wie finews.ch berichtete, wurden ihm und anderen Mitgliedern vorgeworfen, die Organisation für private Geschäfte genutzt zu haben. Haudenschild, der neue Präsident der CVA, war bis Ende Januar CEO der Blockchain-Beratungsabteilung des staatlichen Schweizer Telekommunikationsunternehmen Swisscom und verließ das Unternehmen unerwartet. Swisscom äußerte sich bis jetzt nicht zu den Gründen für seinen Weggang.

Unmittelbar nach Ende der Sitzung am 31. Januar traten auch die anderen Mitglieder Maria Gomez und Jenna Zenk zurück. Beide waren im September als weibliche Vertreterinnen in den Vorstand gewählt worden. In einem Twitter-Post gab Zenk, die technische Leiterin beim Zuger Blockchain-Startup Melonport, den Grund für ihren Austritt an: In einem kurzem Video von der Generalversammlung hatte ein CVA-Mitglied die einseitige Zusammensetzung des Vorstands aus Anwälten, Investoren und Beratern scharf kritisiert. 

Um diese Situation zu klären, hat “Cointelegraph auf Deutsch” mit Daniel Haudenschild über seine neue Arbeit als CVA-Präsident und Konflikte zwischen dem Management und der Entwickler-Community gesprochen sowie über die Position der Schweiz, insbesondere im Hinblick auf Zug, als globales Blockchain-Zentrum.

Konflikte im Zuger Blockchain-Verband

Cointelegraph auf Deutsch: Sie haben Swisscom Blockchain ziemlich unerwartet verlassen. Warum?

Daniel Haudenschild: Ich kann mich zu dieser Situation nicht äußern.

CT: In Ordnung, sprechen wir dann über die CVA. Die vier Gründungsmitglieder Oliver Bussmann, René Hüsler, Nicolas Schobinger und Vasily Suvorov haben ebenfalls ziemlich überraschend ihren Austritt aus der Organisation erklärt. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung?

DH: Die CVA ist ein wichtiger Aspekt für die Schweiz und eines der stärksten Blockchain-Ökosysteme weltweit. Sie ist auch ohne Unterbrechung sehr schnell gewachsen. Daher sind und waren einige der Grundbestände und Systeme, die andere Verbände haben, bei CVA nicht vorhanden. Das führte dazu, dass die Mechanismen, mit denen die CVA funktioniert, die Art, wie sie mit der Expansion umgeht und wie sie Mitglieder anwirbt, alle auf mangelhafte Weise ausgeführt und ausgearbeitet wurden. Der ehemalige Vorstand geriet in die Kritik und hielt es für das Beste, das Ruder für einen sauberen Start abzugeben.

CT: Zwei Vorstandsmitglieder sind zurückgetreten und haben gesagt, dass es zu viele Anwälte und Berater im Vorstand gebe. Was sagen Sie dazu?

DH: Die Arbeit, die wir zunächst erledigen müssen, ist grundlegend. Wir müssen die Instrumente der CVA mit einem geeigneten Verbandsmanagementsystem angehen. Wir müssen die regionalen Ableger stärken, wir müssen die Förderungspakete neu strukturieren und Klarheit und Transparenz in die Finanzen des Verbandes bringen. Der Vorstand hat daher beschlossen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine zusätzlichen zwei Mitglieder wählen werden. Wir machen einen großen Schritt beim Umgang mit den grundlegenden administrativen Bedürfnissen des Verbandes, indem wir einige der Instrumente zweckmäßig verwenden. Sobald die CVA reibungslos funktioniert, leiten wir den Prozess zur Wahl von zwei neuen Vorstandsmitglieder ein. Wer diese sein werden, hängt von den Bedürfnissen des Verbandes ab. Aber sie werden höchstwahrscheinlich aus der Startup-Community kommen.

Mögliche Lösungen und Pläne

CT: Laut netzwoche.ch gab es bei der CVA Konflikte zwischen dem Management und der Entwickler-Community. Könnten Sie uns erklären, was es da für Missverständnisse gab?

DH: Die allgemeine Auffassung war, dass die Anfragen, die an die CVA gingen, einigen wenigen Personen überlassen wurden und dass die meisten Mitglieder keinen Zugang zu den geschäftsfördernden Vorteilen der Mitgliedschaft hatten. Obwohl das in wenigen Fällen so gewesen sein mag, waren alle deshalb verärgert. Die Schuld lag bei den mangelhaften Systemen und Ressourcen, die bei der Bewältigung der Flut von Anfragen helfen. Mit der Investition in ein neues Instrumentensystem haben wir konkrete Schritte unternommen, um das zu lösen. Außerdem haben wir strategische Unternehmensförderungsmaßnahmen gestrichen. Diese haben sich als Trennwand für das Valley erwiesen. Unternehmen, die für diese bezahlt haben, hatten das Gefühl, keinen Gegenwert zu erhalten. Andere kleinere Mitglieder waren wiederum der Meinung, dass sie nicht mit den größeren Unternehmen konkurrieren könnten, wenn es um die Erregung von Aufmerksamkeit geht. Wir haben jetzt nur noch zwei Ebenen des Verbands-Sponsorings und zwei Preise: 5.000 und 10.000 [Schweizer Franken, rund 4.450 Euro bzw. 8.900 Euro]. Alle anderen Förderungsmaßnahmen sind auf Veranstaltungen ausgerichtet. Dadurch wird das Teilnehmerfeld ebener gestaltet.

CT: Wie wird die CVA solche Konflikte in Zukunft lösen? 

DH: Neben den oben genannten Maßnahmen haben wir einen Ethikbeauftragten und zwei Delegierte. Das ist ein starkes Team, das in der Lage sein sollte, Konflikte und andere Probleme, die jetzt oder in Zukunft entstehen könnten, zu lösen.

CT: Welche Projekte wollen Sie als neuer Präsident der CVA angehen?

DH: Wir müssen das Kapital wieder in das Valley zurückbringen. Der anhaltende Bärenmarkt bei den BTC-Kursen hat viele unsinnige Projekte, die mit dem ICO-Hype einhergingen, ausgemerzt. Allerdings sind auch die Risikokapital- und Angel-Fonds teilweise ausgestiegen. Das ist bedauerlich, weil wir hier einige brillante junge Teams und Gründer haben. Das ist ein absoluter Käufermarkt. Die nächsten Unternehmen, die Geschichte schreiben werden, wie es Google und Amazon getan haben, sind bereits da draußen. Wir müssen ihnen bei der Finanzierung helfen und ihnen Zugang zu den anderen Aspekten des Ökosystems verschaffen, die sie für einen erfolgreichen Start benötigen.

CT: Vor welchen Herausforderungen steht die CVA derzeit?

DH: Wir sind unterbesetzt und suchen Fachkräfte. Als gemeinnützige Organisation wird das bei uns wahrscheinlich ständig der Fall sein.

Crypto Valley nach dem ICO-Hype

CT: In welche Richtung entwickelt sich die Schweizer Blockchain-Branche, insbesondere im Hinblick auf das Crypto Valley?

DH: Der ICO-Hype hat ein Strohfeuer gelegt. Das hat viele unseriöse Akteure mit sich gebracht. Der anhaltende Bärenmarkt hat die meisten davon wieder ausgemerzt. Der Blockchain-Bereich hat sich weiterhin leise und durchgehend stark entwickelt. Es gibt mehr Registrierungen für Blockchain-Anwendungen, die nicht mit Kryptowährungen im Zusammenhang stehen. Unternehmen und Einzelpersonen machen erhebliche Investitionen in die Bildung, Banken und Hedgefonds investieren stark in Depots für digitale Vermögenswerte. Die Weiterentwicklung von Wertpapier-Token, durch Vermögenswerte gestützte Token und Stablecoins sind eine zu erwartende Folge dieser Entwicklungen.

CT: Wo liegen die größten Hürden?

DH: Die meisten Unternehmen müssen immer noch sehr viel lernen. Obwohl wir starke Fortschritte im Hinblick auf Verbrauchertechnologien im Bereich Digital Asset Management sehen (zum Beispiel das Samsung Smartphone mit einer integrierten Krypto-Wallet), müssen wir das gesamte Erlebnis noch viel benutzerfreundlicher gestalten. Der Mainstream ist bereit für diesen Wandel. Sie werden sich schnell anpassen und die Kreditkartengebühren, die derzeit anfallen, abschaffen.

CT: Welche Maßnahmen muss die Regierung ergreifen, um die Blockchain-Technologie im Crypto Valley zu fördern?

DH: Wir brauchen klare Gesetze, dass eine solche Vermögenswert-Aufbewahrung und einen solchen Vermögenswert-Handel unterstützt, die mit der Transformation aller Vermögenswertklassen im digitalen Raum einhergehen.

CT: IBM, PwC, UBS und auch Swisscom - viele große Unternehmen haben heute eine Blockchain-Abteilung. Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass die Crypto-Valley-Startups dabei auf der Strecke bleiben?

DH: Die Startup-Branche ist sehr schnelllebig. Die Blockchain bewegt sich sogar noch schneller. Die Dinge, die am Morgen noch wahr sind, werden am Mittag widerlegt und am Abend schon vergessen. Bei großen Unternehmen kostet alles eine Million und dauert ein Jahr. Um im Blockchain-Bereich erfolgreich zu sein, muss es einige Tausend kosten und eine Woche dauern. Die meisten dieser Unternehmen, die Sie erwähnt haben, waren bereits in der Dotcom-Blase dabei. Es sind daraus keine Unternehmen, wie Amazon und Google, hervorgetreten.

Schweiz als starkes Blockchain-Ökosystem

CT: Wo steht die Schweiz wirklich im Blockchain-Bereich? Ist das Crypto Valley der zentrale Standort der Welt oder nur einer unter vielen?

DH: Die Welt hat sich in letzter Zeit nach Osten verschoben. So war es auch schon vor ein paar Hundert Jahren. Die asiatischen Riesen schaffen eine Wohlstandsgleichheit und Millionen von Menschen kommen aus der Armut heraus. Dadurch wird der Wandel immer stärker. Wenn Sie die Weltkarte heute neu zeichnen würden, könnten Sie nach der Greenwich Mean Time in Istanbul suchen. Der amerikanische Kontinent wäre isolierter, während Eurasien seine eigene finanzielle und militärische Unabhängigkeit ausbaut. Die chinesische Seidenstraße ist mehr als nur ein Infrastrukturspiel – sie ist eine Denkweise und eine Philosophie. Diese Trends werden sich daher also fortsetzen. Bei all diesen Veränderungen und Instabilitäten wird die Welt sich ein Finanzzentrum suchen, das ihr Stabilität bieten kann. Sie wird auch nach Instrumenten suchen, die ohne Eingriffe durch Dritte funktionieren. Mit der Schweiz und Blockchain hat die Welt nun beides. Ich lehne mich daher aus dem Fenster und behaupte, dass die Schweiz und die CVA weiterhin ein starkes und herausragendes Ökosystem für die Blockchain-Akzeptanz sein werden.