Trotz der Turbulenzen auf dem Kryptomarkt zurzeit, gibt es wichtige langfristige Aspekte, die bei jeder komplexen Bewertung berücksichtigt werden sollten, nämlich die Kombination aus Akzeptanz und Regulierung. Im kürzlichen Bericht des Blockchain-Observatoriums der Europäischen Union mit dem Titel "EU Blockchain Ecosystem Developments" wurde diese Kombination innerhalb der Europäischen Union in Zahlen gemessen. Die Daten aller Mitgliedsländer wurden hierbei kombiniert. 

Da der ursprüngliche Bericht über 200 Seiten lang ist, fasst Cointelegraph hier die wichtigsten Informationen über den Stand der Krypto- und Blockchain-Branche in Europa zusammen. Die Gruppe der folgenden Länder wird üblicherweise als Westeuropa zeichnet. 

Österreich

Zahlen: 50 Anbieter von Blockchain-Lösungen, 50 Millionen Euro insgesamt aufgebrachte Mittel

Regulierung und Gesetzgebung: Im Jahr 2020 hat die Finanzmarktaufsicht ein Register für Anbieter virtueller Vermögensdienstleistungen eingerichtet. Die Regulierungsbehörden haben einen "insgesamt nicht restriktiven Ansatz" gegenüber Krypto und Blockchain gewählt. Krypto-Mining ist dabei weitgehend unreguliert.

Steuern: Wie in den meisten europäischen Ländern ist der Austausch digitaler Währungen von der Mehrwertsteuer befreit. Kapitalgewinne aus dem Verkauf von Kryptowährungen unterliegen einer progressiven Einkommenssteuer, die für natürliche Personen bis zu 55 Prozent und für Unternehmen bis zu 25 Prozent beträgt. Es kann aber auch eine digitale Steuer angewendet werden, wenn die digitale Währung Zinserträge generiert und somit als Anlagevermögen gilt.

Nennenswerte Initiativen: Im November 2019 wurde das Austrian Blockchain Centre (ABC) gegründet. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, Blockchain-Anwendungen in den Bereichen Finanzen, Energie, Logistik, öffentliche Verwaltung und Internet der Dinge zu erforschen. Das ABC hat sowohl private als auch börsennotierte Unternehmen als Partner. Derzeit beteiligten sich mehr als 21 Institutionen und 54 Unternehmen an dieser Initiative. Das Ziel ist es, das weltweit größte Blockchain-Forschungszentrum zu werden. Blockchain ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt bei den Initiativen Smart City Vienna und Open Government Data.

Lokale Akteure: Bitpanda, Handelsplattform aus Wien mit einem Marktwert von über 4 Milliarden US-Dollar, Blockpit, eine Investmentplattform für digitale Vermögenswerte, über die im Jahr 2017 über 500 Millionen US-Dollar abgewickelt wurden, und Conda, eine Crowdinvesting-Plattform für österreichische Startups.

Belgien

Zahlen: 47 Anbieter von Blockchain-Lösungen, 992 Blockchain-Experten. 

Regulierung und Gesetzgebung: Dem Bericht zufolge gibt es in Belgien derzeit "keine spezifischen Gesetze oder Vorschriften". Im Jahr 2017 veröffentlichte die belgische Finanzaufsicht eine Mitteilung mit einem Überblick über die Gesetze und Vorschriften, die in Bezug auf Initial Coin Offerings (ICOs) und Krypto-Assets Anwendung finden könnten.

Gleichzeitig führt die Aufsichtsbehörde eine rote Liste mit betrügerischen Krypto-Unternehmen. Dennoch werden Utility-Token-Offerings als "reguläre Option" zur Kapitalbeschaffung angesehen. Die belgische Aufsichtsbehörde betrachtet Krypto-Vermögenswerte als Anlageinstrumente, da sie Rechte auf Erträge oder Renditen bieten könnten, als Mittel zur Aufbewahrung und zum Austausch, da sie in andere Vermögenswerte konvertierbar sind, oder als Utility Token, wenn man mit diesen auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zugreifen kann.

Seit Mai 2022 müssen sich virtuelle Vermögenswertdienstleister und verwahrende Wallets registrieren. Die Anbieter müssen bestimmte Bedingungen erfüllen. Sie müssen etwa eine juristische Person sein und ein Mindestkapital von 50.000 Euro vorweisen können.

Steuern: Die Steuer liegt bei 33 Prozent auf alle Kryptowährungseinkünfte, je nachdem, wie die betreffende Person investiert. Eine bloße Wertsteigerung im Laufe der Zeit wird nicht versteuert, aber der Anleger muss seine Haltestrategie nachweisen. Es gibt keine Angaben dazu, wie lange der Anleger die Vermögenswerte halten muss.

Nennenswerte Initiativen: "Blockchain for Europe" vertritt internationale Akteure der Blockchain-Branche auf EU-Ebene. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Regulierung. HIVE Blockchain Society ist eine gemeinnützige Blockchain-Vereinigung, die das Verständnis für die Distributed-Ledger-Technologie fördern und die belgische und internationale Community über ihre Entwicklungen informieren will.

Lokale Akteure: Keyrock entwickelt mittels skalierbaren und selbstanpassenden Algorithmen eine Finanzinfrastruktur für Krypto-Vermögenswerte, Credix ist ein dezentraler Kreditmarktplatz, der auf der Solana-Blockchain-Technologie basiert, und Delta ist eine Bitcoin (BTC)- und Kryptowährungs-Portfolio-Tracker-App.

Frankreich

Zahlen: Über 160 Blockchain-Startups, 180 Millionen Euro aufgebrachte Mittel

Regulierung und Gesetzgebung: Frankreich hat im Jahr 2016 einen freundlichen Rechtsrahmen für ICOs geschaffen, durch den Emittenten Geldgutscheine direkt in der Blockchain registrieren können. Im Jahr 2017 hat die französische Finanzaufsicht das Programm UNICORN lanciert. Diese unterstützt und erforscht das aufbringen von Kapital in Bezug auf digitale Vermögenswerte. Frankreich erlaubt auch die Registrierung und Übertragung von nicht börsennotierten Wertpapieren, die die Blockchain-Technologie verwenden.

Steuern: Das oberste Verwaltungsgericht hat die Steuerlast auf Gewinne aus Kryptowährungen gesenkt und einen Pauschalsteuersatz von 30 Prozent festgelegt.

Nennenswerte Initiativen: Der öffentliche Einlagen- und Konsignationsfonds tätigt direkte Investitionen in Krypto-Projekte. Der Fonds hat im Rahmen des Investitionsprogramms der Europäischen Kommission für die Zukunft 300 Millionen Euro in Blockchain und KI investiert.

Community Selbstorganisation: Der französische Verband für digitale Vermögenswerte (ADAN) ist als professionelle Lobbygruppe im Namen der Branche tätig.

Lokale Akteure: Ledger ist ein weltweit führender Anbieter von Hardware-Wallets für Kryptowährungen, Coinhouse ist ein Krypto-Vermögensverwaltungsunternehmen, das Staking, Spar- und Verwahrungsdienste anbietet, und Sorare ist eine Fantasy-Fußballspielplattform, die auf der Blockchain-Technologie von Ethereum aufbaut.

Deutschland

Zahlen: 343 Blockchain-Startups 

Regulierung und Gesetzgebung: Seit 2013 sind virtuelle Währungen "Rechnungseinheiten". Im Jahr 2020 führte Deutschland die Begriffe "Krypto-Asset" und "Krypto-Verwahrung" ein. Für die Krypto-Verwahrung ist eine Zulassung der Aufsichtsbehörde BaFin notwendig. Virtuelle Währungen gelten in dem Land nicht als gesetzliches Zahlungsmittel und werden im Allgemeinen als Anlagevermögen oder so genannte "Ersatzwährungen" behandelt.

Steuern: Im Mai 2022 hat das deutsche Finanzministerium neue Steuerrichtlinien für Kryptowährungen veröffentlicht, denen zufolge auf Gewinne aus BTC und Ether (ETH), die 12 Monate nach Erwerb verkauft werden, keine Steuern anfallen.

Nennenswerte Initiativen: Im September 2020 lancierte die Deutsche Energie-Agentur das Future Energy Lab. In diesem Rahmen werden unter anderem Pilotprojekte zur Anwendung der Blockchain-Technologie im Energiesektor, wie etwa das Blockchain Machine Identity Ledger (BMIL) und das Smart Contract Registry, durchgeführt. Das BMIL ist ein digitales und dezentrales Verzeichnis für Geräteidentitäten.

Im selben Jahr kündigte einer der vier Stromnetzbetreiber in Deutschland eine mehrjährige strategische Partnerschaft mit Energy Web an, in deren Rahmen die technologischen Möglichkeiten von Blockchain-basierten Lösungen erprobt und validiert werden sollen.

Community Selbstorganisation: Im Jahr 2017 wurde der Blockchain Bundesverband gegründet. Das ist ein gemeinnütziger Verband mit über 60 Mitgliedern. Der Verband konzentriert sich auf die Aufklärung von Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit im allgemeinen. Die European Blockchain Association wurde in München gegründet und bietet eine unabhängige, neutrale Plattform für Blockchain-Communities und-Organisationen. Das Ziel ist es, die Zusammenarbeit zu fördern.

Lokale Startups: Die IOTA Foundation entwickelt ein Open-Source-Protokoll, das die Übertragung von Daten und Werten zwischen Geräten und Menschen unterstützt, und BitsCrunch ist ein Krypto-Analyseunternehmen.

Niederlande

Zahlen: Über 160 Blockchain-Startups, 370 Millionen Euro aufgebrachte Mittel.

Regulierung und Gesetzgebung: Die Zentralbank und die niederländische Finanzmarktaufsicht betreiben eine zentrale Anlaufstelle für Informationen zur Regulierung für Startups namens InnovationHub. Es gibt auch einen regulatorischen Sandkasten für aufkommende Technologien, wo eher Prinzipien als Regeln Anwendung finden. Die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften richtet sich nach deren Absicht und nicht nach deren Wortlaut. Teilgenehmigungen, bei der ein Startup nicht alle Kriterien für eine Banklizenz erfüllen muss, um eine Lizenz zu erhalten, sind durchaus üblich.

Nennenswerte Initiativen: Im Zuge der COVID-19-Pandemie startete Tymlez ein Projekt zur Unterstützung der Regierung bei der Transparenz medizinischer Lieferketten mittels Blockchain-Technologie. In der Landwirtschaft gibt es Projekte wie Blockchain for Agri-food, das vom niederländischen Ministerium für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität finanziert wird, um die Lieferketten zu verbessern.

Community Selbstorganisation: Im Bericht werden Gruppen wie Blockchain Talks, Blockchain Netherlands, Food Integrity Blockchained, Permissionless Society Blockchains und Bitcoin Wednesday Amsterdam, sowie Ethereum Dev NL und Hyperledger Netherlands genannt.

Lokale Akteure: Bitfury bietet mobile Bitcoin-Mining-Rechenzentren an, Aurus ist eine mit Gold besicherte Kryptowährung auf der Ethereum-Blockchain, und Finturi ist eine Blockchain-gestützte Handelsfinanzierungsplattform.

Schweiz

Zahlen: 254 Milliarden Euro der Gesamtbewertung der 50 größten Unternehmen im Jahr 2021, 877 Anbieter von Blockchain-Lösungen.

Regulierung und Gesetzgebung: Im Jahr 2019 hat der Bundesrat die Rahmenbedingungen in Bezug auf Blockchain und Krypto aktualisiert. Im Jahr 2020 verabschiedete das Schweizer Parlament das DLT-Gesetz, das 10 bestehende Bundesgesetze punktuell anpasst. Im Jahr 2021 wurde eine Lizenz für DLT-Handelseinrichtungen eingeführt.

Laut der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) werden digitale Währungen aufgrund ihrer Funktion und ihres Zwecks in Zahlungs-Token, Utility-Token und Asset-Token eingeteilt.

Steuern: Die Steuervorschriften sind in den einzelnen Kantonen unterschiedlich. Digitale Währungen werden im Hinblick auf die Vermögensbesteuerung im Allgemeinen als Fremdwährungen behandelt. Ihr Gegenwert wird von der Eidgenössischen Steuerverwaltung am Ende des Jahres festgelegt. Kapitalgewinne aus digitalen Währungen sind für Privatpersonen von der Einkommensteuer befreit. Käufe mit digitalen Währungen sind von der Mehrwertsteuer befreit.

Nennenswerte Initiativen: Blockchain wurde bereits für die Ausstellung digitaler, selbstverwalteter Identitäten und sogar bei Wahlen auf regionaler Ebene verwendet. Teilweise werden digitale Währungen für die Begleichung von Steuern und öffentlichen Dienstleistungen akzeptiert. Die Stadt Zug, das sogenannte "Crypto Valley", lancierte im Jahr 2017 ein Programm, bei dem es um digitale Blockchain-Identitäten geht. Im Jahr 2021 eröffnete die Schweizer Regierung eine öffentliche Diskussion über selbstbestimmte Identitäten auf nationaler Ebene. Im Jahr 2022 erkannte die Stadt Lugano Bitcoin und Tether (USDT) als gesetzliches Zahlungsmittel an.

Community Selbstorganisation: Die Crypto Valley Association und die Blockchain Federation sind die wichtigsten öffentlichen Einrichtungen für Blockchain-Enthusiasten und -Unternehmer. Es gibt auch beliebte Communities wie die Swiss Association of Crypto Investors und die Bitcoin Association.

Lokale Akteure: Die Schweiz übertrifft bei weitem alle anderen Länder im Hinblick auf anerkannte Krypto-Unternehmen. Wichtige Akteure wie Cardano, Polkadot, Cardano, Solana, Cosmos und Tezos haben ihren Sitz in diesem Land.

Die wichtigsten Erkenntnisse

Nikolaos Kostopoulos, leitender Blockchain-Berater bei Netcompany-Intrasoft und Mitglied des EU Blockchain Observatory and Forum, hat mit Cointelegraph über die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Bericht gesprochen. Dabei vergleicht er den europäischen Regulierungsansatz mit dem in den USA. Besonders die Rolle von Frankreich hebt er hervor: 

"Die französischen Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträger scheinen im Wettlauf um einen umfassenden, objektiven und ganzheitlichen Rahmen für eine wachsende Blockchain- und Digital-Asset-Branche zu gewinnen. Diese Bemühungen werden bereits durch die Entscheidung führender Akteure wie Binance und Crypto.com bestätigt, die stark in ihren französischen Hauptsitz investieren und diesen zu ihrer Basis in der EU machen. Aber auch durch die Tatsache, dass Frankreich die Heimat einiger der größten Blockchain-Startups der EU ist, bestätigt sich das."

Die Regulierung in Frankreich spielt zwar eine große Rolle im EU-Kontext, doch die Schweiz ist nach wie vor führend im Hinblick auf die Anziehung von Startups und bei der Schaffung eines möglichst freundlichen regulatorischen Umfeldes. Kostopoulos glaubt, dass man diese einzigartige Position nicht einfach damit erklären kann, dass das Land bereits seit Jahrhunderten als sicherer Hafen betrachtet wird.

"Es gibt mehrere Gründe, warum die Schweiz im Vergleich zu Ländern wie Belgien oder Frankreich deutlich fortschrittlicher ist. Das Land hat Verfahren, eine fortschrittliche Finanzgesetzgebung, Fachkräfte und Infrastrukturen geschaffen, die die Beschleunigung der Finanzinnovation möglich machen", erklärt Kostopoulos gegenüber Cointelegraph.