Einige globale Kryptowährungsbörsen weiten ihre Identitätsprüfungsmaßnahmen aus. Andere wiederum behaupten, dass Krypto-Plattformen überhaupt keine Identitätsprüfungen (KYC) benötigen würden.
Digitex, eine Börse für Krypto-Derivate auf den Seychellen, will diese Woche ihre KYC-Maßnahmen einstellen. Das ist eine Reaktion auf einen großen Benutzerdatenverlust, zu dem es letzten Monat kam.
Digitex: Ab April 2020 keine Identitätsprüfungen mehr
Adam Todd, der CEO von Digitex Futures Exchange, gab das in einer öffentlichen Videoerklärung am 4. März bekannt. In dieser erklärte er, dass Digitex ab April 2020 alle KYC-Identitätsprüfungsmaßnahmen auf seiner Plattform einstellen werde.
Der CEO von Digitex erläuterte, dass die Börse bereits diese Woche mit der Abschaffung von KYC-Maßnahmen beginnen werde:
"Ab Ende dieser Woche werden wir alle KYC-Identitätsprüfungen auf unserer Börse einstellen. Um Digitex-Token aus unserer Kasse zu kaufen, müssen Sie keine KYC-Maßnahmen durchführen. Und wenn wir im April das Mainnet lancieren, wird es keinerlei KYC-Anforderungen geben, um unsere Börse nutzen zu können."
Digitex läuft derzeit in der Beta-Version, so dass Benutzer nur den firmeneigenen Token DGTX kaufen können. Am 27. April wird das Mainnet lanciert. Digitex will den Benutzern dann den freien Handel mit DGTX und Ether sowie anderen Kryptowährungen ermöglichen, wie Todd gegenüber Cointelegraph erklärte. Er merkte an, dass die Börse Fiatwährungen nicht unterstützen werde.
Laut Todd sei die Einstellung der KYC-Maßnahmen die einzige Möglichkeit, um zu garantieren, dass Digitex keine persönlichen Dokumente mehr durchsickern lässt. Denn auf diese Weise habe die Plattform diese persönlichen Dokumente überhaupt nicht mehr.
Persönliche Daten von 8.000 Digitex-Benutzern gestohlen
Der Einstellung der KYC-Maßnahmen auf Digitex ging ein Diebstahl von Benutzerdaten bei der Börse voran. Dabei sickerten einige sensible Daten durch. Wie Cointelegraph am 29. Februar berichtete, wurde die undichte Stelle von einem Ex-Mitarbeiter von Digitex ausgenutzt. Dieser soll KYC-Dokumente, wie etwa Pass- und Führerschein-Scans von über 8.000 Digitex-Kunden gestohlen haben.
Es wurde berichtet, dass der sogenannte "Digileaker" behauptete, er sei "kein Ex-Angestellter oder Auftragnehmer oder jemand aus der Vergangenheit von Adam oder Digitex".
In einer öffentlichen Erklärung vom 2. März sagte Digitex, dass die Börse zunächst nur von einem Durchsickern von E-Mail-Daten gewusst habe. Es habe jedoch einen zweiten Angriff gegeben, bei dem schließlich sensible Daten durchgesickert seien, wie die Börse einräumte.
Ein Digitex-Sprecher erläuterte gegenüber Cointelegraph, dass persönliche Dokumente, wie etwa Passfotos und Identitätskarten, von mindestens fünf Personen durchgesickert seien. Der Täter behauptet, 8.000 Dokumente zu haben. Das konnte Digitex allerdings noch nicht feststellen, untersucht dies aber derzeit.
CEO von Digitex: Überwachung der einzig wahre Grund für KYC
Digitex deutete zuvor bereits eine mögliche Abschaffung der KYC-Maßnahmen an. Der CEO der Firma kritisierte in seiner neuen Erklärung das Konzept von KYC im Allgemeinen.
Laut Todd seien die Hauptargumente für KYC-Regeln, wie etwa Geldwäsche, "dumm" und "lächerlich". Der einzig wahre Grund für KYC-Maßnahmen sei, der "Große Bruder will wissen, was jeder ständig tut". Er sagte:
"Wir alle kennen den wahren Grund für KYC. Der wahre Grund für KYC ist: Der Große Bruder will wissen, was jeder ständig tut. Er möchte wissen, wie viel Sie haben und was Sie damit machen. Ich glaube nicht, dass sie das Recht haben, das mit jedem Menschen auf der Welt zu machen."
Digitex hatte aus zwei Gründen versucht, KYC-Maßnahmen zu implementieren. Zum einen, um Geldwäsche zu bekämpfen und zum anderen um Kunden aus den USA auf der Plattform haben zu können, wie der Digitex-CEO erklärte. Laut Todd sei jedoch keiner dieser Gründe für Digitex es wert, wenn Benutzerdaten dadurch durchsickern.
Todd argumentierte, dass Benutzer keine Kryptowährungen, wie den ETH auf Digitex waschen würden, um den internationalen Terrorismus zu finanzieren. Er erklärte, dass solche Behauptungen "offensichtlicher Schwachsinn" seien. Im Gespräch mit Cointelegraph betonte Todd, dass die Geldwäsche mit Krypto einem "winzigen Bruchteil eines Prozents im Vergleich zu Fiat" entspreche. Er erläuterte dazu:
"Jedes Jahr werden Fiatwährungen im Wert von zwei Billionen US-Dollar gewaschen. Das entspricht dem 10-fachen der Gesamtmarktkapitalisierung aller Kryptowährungen zusammen. Geldwäsche mit Krypto entspricht nur einem winzigen Bruchteil eines Prozents im Vergleich zu Fiat. Nach dieser Logik würde jedes Unternehmen, das Geld annimmt, ohne die Identität seiner Kunden zu prüfen, Terrorismus finanzieren. Wenn diese Person ein Konto bei einer anderen Kryptobörse, wie etwa Binance, hätte, würde es 5 Tage dauern, um etwa 100.000 US-Dollar abzuheben. Das heißt, wenn ein Terrorist noch mehr waschen wollte, kann er einfach ein neues Konto eröffnen.
"Alle unsere Kunden auf der ganzen Welt zu zwingen, zu beweisen, dass sie keine Amerikaner sind, ist unsinnig."
Da die US-Regierung nicht wolle, dass US-Bürger mit Krypto über Digitex handeln, blockiere die Plattform bereits US-amerikanische IPs. Sie fordere die Nutzer auf, zu bestätigen, dass sie gemäß den Nutzungsbedingungen von Digitex nicht in den USA wohnen, so der CEO.
Die US-amerikanische IP-Sperre in Verbindung mit den Nutzungsbedingungen würde ausreichen, um US-Benutzer fern zu halten. Strenge KYC-Regeln gingen weiter, als sie sollten, so der CEO von Digitex. Er sagte:
"Ich glaube, das ist ein vernünftiger Weg, um sie fern zu halten. Ich glaube nicht, dass die US-Behörden das Recht haben, mir zu sagen, dass ich eine Identitätsprüfung bei jeder einzelnen Person auf der Welt, die meine Plattform nutzen will, durchführen muss, nur damit wir keine US-Bürger darauf bekommen. Das ist unsinnig. Ich glaube nicht, dass sie einen rechtmäßigen Präsidenten haben, der mich dazu zwingen könnte. Und ich werde das nicht tun."
Im Gespräch mit Cointelegraph sagte Todd, wenn ein US-Nutzer entdeckt werde, der gegen diese Bedingungen verstößt, sperre die Börse sofort dessen Zugang zur Plattform und gebe diesem sieben Tage Zeit, sein Geld abzuheben.
Die Frage, ob Digitex erwarte, dass die Börse nach der Entfernung der KYC-Maßnahmen mehr Nutzer haben werde, bejahte Todd. Er erklärte, dass KYC-Maßnahmen für viele Menschen ein massives Hindernis für die Registrierung auf Kryptobörsen seien. Viele Menschen auf der ganzen Welt hätten nämlich überhaupt keine von der Regierung ausgestellten Ausweise. Er fuhr fort:
"KYC-Maßnahmen sind für viele Menschen eine riesige Barriere. Wir erwarten, dass Digitex durch die Beseitigung dieser Barriere viel mehr Nutzer anziehen wird. Wir stehen auch dazu, dass wir an das Recht auf Privatsphäre glauben. Wir öffnen unsere Börse allen Leuten auf der Welt. Damit hoffen wir, ein Produkt zu schaffen, das das Leben von Menschen verändern kann."
Dass Digitex gegen Überwachung kämpft, deckt sich mit der zunehmenden Besorgnis über die Privatsphäre der Benutzer weltweit. Viele wichtige Leute aus der Branche drängen auf den Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Internet. Ein leitender Angestellter der großen Blockchain- und Kryptoanalysefirma Chainalysis, die mit großen Bundesbehörden, wie der US-Steuerbehörde und dem FBI zusammenarbeitet, ist überzeugt, dass volle Transparenz nicht ideal für Krypto sei.
Melde dich bei unseren Sozialen Medien an, um nichts zu verpassen: X, YouTube, Instagram und Telegram – aktuelle Nachrichten, Analysen, Expertenmeinungen und Interviews mit Fokus auf die DACH-Region.