Die Vorstellung des Whitepapers von Facebooks Krypto-Projekt Libra für eine globale digitale Kryptowährung hat nicht nur in der Krypto-Szene für viel Unruhe gesorgt. Während etwa die Kryptobörse Binance der geplanten Kryptowährung positiv gegenübersteht und sogar eine Teilnahme als Knotenpunkt plant, hagelt es vor allem seitens  Politik und von Aufsichtsbehörden Kritik und Warnungen Richtung Facebook. 

So hat in den USA der parlamentarische Ausschuss für Finanzdienstleistungen Facebook zu einem vorübergehenden Stopp von Libra aufgefordert, eine ähnliche Forderung hatten zuvor auch mehr als 30 US-Lobbyverbände formuliert. In anderen Ländern wie Frankreich, Deutschland, Russland und Singapur stößt Libra bislang ebenfalls auf wenig Gegenliebe.

Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir acht renommierte Krypto-Experten aus dem deutschsprachigen Raum nach ihrer Einschätzung zu Facebook Libra befragt. Im ersten Teil hat Cointelegraph mit Alexander Denzler von der Hochschule Luzern gesprochen. Im heutigen zweiten Teil erklärt der österreichische Blockchain-Influencer Robert Schwertner (CryptoRobby), warum Facebook mit dem Libra-Projekt nach einer “neuen Story” sucht und weshalb der geplante Stablecoin im Vergleich zu Bitcoin und Co. einen Rückschritt darstellt.

Robert Schwertner (CryptoRobby) über Facebooks Libra-Projekt

Libra ist überhaupt nicht innovativ

Eines vorneweg: Libra ist keine geniale Erfindung von Mark Zuckerberg und seinem Facebook-Konzern, sondern eine logische Entwicklung der Blockchain-Technologie und auch von Kryptowährungen wie Bitcoin. 

Im Prinzip ist jedes Krypto-Geld ein spezialisierter E-Mail- bzw. Messenger-Service. Ob man eine Information als Text sendet oder als Geld-Nachricht, macht kaum einen Unterschied. Daher liegt es für Facebook als weltweit größtem Messenger-Service-Konzern auf der Hand, eine Kryptowährung anzubieten und damit das Kerngeschäft als Social-Media-Plattform, Werbekonzern und Nachrichtenagentur zu unterstützen. Überhaupt scheint Facebook an seinem Zenit angekommen, die jüngere Generation nutzt Facebook kaum, Nutzerzahlen gehen zurück. Facebook brauchte dringend eine neue "Story". 

Allerdings ist Libra überhaupt nicht innovativ. Im Gegenteil, wenn man sich die technischen Beschreibungen durchliest, wird schnell klar: der zentral gesteuerte Libra-Coin ist ein Rückschritt im Vergleich zu Bitcoin, Ethereum und anderen wirklich dezentral ausgerichteten Kryptowährungen.

Libra hat viele Feinde

Und noch bevor Libra überhaupt in Umlauf ist, macht es sich jetzt schon viele Feinde. Als sogenannter Stablecoin wird Libra an einen Währungskorb gebunden. Damit sind Preissteigerungen und Kursanstiege von vornherein ausgeschlossen. Klingt gut, kann aber in der Praxis bedeuten, dass manche Währungen, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern, unter Druck kommen können, weil eine Alternativwährung zur Verfügung steht, die weniger flexibel reagiert.

In Europa haben wir gelernt, dass der Euro sich auf schwächere Volkswirtschaften nachteilig auswirken kann, weil ein Staat seine Geldpolitik nicht mehr steuern kann, was zum Beispiel zu sozialen Unruhen wie in Griechenland führte.

Es muss also festgestellt werden, dass der Zweikampf also gar nicht Libra gegen Bitcoin lautet, sondern dass Zentralbanken, Finanzaufsichten und andere Finanzinstituten dieser Welt dem neuen Libra-Coin gegenüberstehen.

Libra hat viele Feinde: Zentralbanken fühlen sich unwohl, weil ein Konzern plötzlich eigenes Geld druckt, was eine radikale Grenzüberschreitung sowie Macht- und Kontrollverlust bedeutet. Dem Staat könnte dadurch das Monopol des Gelddruckens und der Geldpolitik entzogen werden. Banken sehen Libra ebenfalls sehr kritisch, weil plötzlich Überweisungen an ihnen vorbei getätigt werden.

Unerträglich finde ich die Tatsache, dass Facebook mit Libra weiter unsagbare Mengen an Daten ansammelt. Wir werden noch transparenter. Der Überwachungskapitalismus wird hier auf die Spitze getrieben. Der Konzern beteuert zwar, dass die Transaktionsdaten nicht mit anderen Social-Media-Daten kombiniert werden, allerdings steht Mark Zuckerberg in den USA und Europa hinsichtlich des Missbrauchs von Daten stark unter Beschuss.

Klare Regeln notwendig

Derzeit helfen die hitzig geführten Diskussionen rund um Libra den anderen Kryptowährungen. Kurzfristig sind heftige Kursanstiege von Bitcoin zu beobachten, auch die nachhinkenden Altcoins werden möglicherweise bald nach oben korrigieren.

Eine weitere spannende Frage ist: Wenn ein privates Unternehmen plötzlich Geld drucken kann, was passiert, wenn das Unternehmen in Konkurs geht? Inwiefern wird die Währung besichert? Seit der Finanzkrise 2008 wissen wir, dass es ein "Too big to fail" gibt. Das Konzept von Libra sieht aber die Verwendung durch die breite Masse vor, wodurch die Kryptowährung zwangsläufig systemrelevant wird. Wenn der Service aber plötzlich durch den Konkurs der beteiligten Unternehmen eingestellt wird, können viele Menschen alles Hab und Gut verlieren. 

Man muss Libra also stark in die Schranken weisen und das geht nur, indem Staaten gemeinsam klare Regeln für das neue Kryptogeld finden.

In Indien, wo Facebook mehr User als in den USA hat, wird gerade ein Gesetz beschlossen, dass die Verwendung von Kryptowährungen verbietet und mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft. Dies dürfte eine erste Antwort auf Libra sein, weitere Staaten werden folgen.

Aufhorchen ließ eine Meldung, dass sich Mark Zuckerberg bereits mit dem Chef der Britischen Zentralbank getroffen hat. Obwohl der Inhalt des Gespräches offiziell nicht bekannt ist, stand Libra ziemlich sicher auf der Tagesordnung.

Erfreulich ist, dass Kryptowährungen durch die Diskussion um Libra wieder mehr ins Rampenlicht gerückt werden und sich Menschen damit vermehrt auseinandersetzen. 

Eines ist auch klar: es wird zukünftig digitale Währungen geben. Ob sie von Staaten in Umlauf gebracht werden oder von privaten Konzernen oder – wie im Falle von Bitcoin – von einem Computerprogramm, das nicht zentral gesteuert werden kann – das bleibt allerdings noch abzuwarten.