Das diesjährige Weltwirtschaftsforum (WEF) ist zu Ende gegangen. Zeit also, dass wir das Treffen — das vom 22. bis zum 25. Januar im schweizerischen Davos abgehalten wurde — Revüe passieren lassen.
Ähnlich wie im letzten Jahr, waren Kryptowährungen wieder eines der heißen Themen in Davos. Allgemein lässt sich dabei feststellen, dass das „Blockchain geht über Bitcoin“ Mantra die vorherrschende Meinung war. Der Zuspruch für die Technologie ging gleichsam mit Krypto-Kritik einher.
WEF gründet Welt-Blockchain-Rat, BitPesa Gründerin übernimmt Vize-Vorsitz
Eines der wohl wichtigsten Vorkommnisse auf dem Weltwirtschaftsforum war die Wahl von Elizabeth Rossiello, Geschäftsführerin und Gründerin von BitPesa, zur Vize-Vorsitzenden des Welt-Blockchain-Rates. BitPesa ist ein kenianisches Blockchain-Startup, das auf Rücküberweisungen von Migranten spezialisiert ist, und hauptsächlich in Großbritannien, Kenia und anderen afrikanischen bzw. europäischen Ländern operiert. Außerdem konnte die Firma die allererste Blockchain-Lizenz der britischen Finanzaufsicht FCA erhalten, wie es in der eigenen Pressemitteilung heißt.
Der neue Blockchain-Rat ist wiederum Teil des in San Francisco sitzenden Zentrums für Cybersicherheit und die Vierte Industrielle Revolution, das im Jahr 2017 auf dem Weltwirtschaftsforum ins Leben gerufen wurde. Schon im Jahr davor hatte das Forum Blockchain als wichtige Triebfeder für die Vierte Industrielle Revolution ausgemacht, als die Technologie 2016 zur „Pionier-Technologie“ der Veranstaltung ausgerufen wurde, eine Ehre die zuvor schon Google und Wikimedia zu Teil wurde.
Auf der jüngsten Konferenz in Davos soll Rossiello mit den Experten der Branche sowie den restlichen dreizehn Mitgliedern des Rates — darunter Repräsentanten von verschiedenen Aufsichtsbehörden und aus der Fintech-Branche — die Agenda des Rates skizziert haben.
Im Mai 2019 wird der Rat dann erstmals in San Francisco tagen, um seine beratende Rolle für das Weltwirtschaftsforum aufzunehmen. Die Messlatte scheint dabei, von Beginn an hoch gelegt zu sein, denn laut Rossiello „wird 2019 ein entscheidendes Jahr für die Blockchain-Branche“.
Sheila Warren, die Blockchain-Vorsitzende des Forums, erklärt, weshalb die Wahl auf Rossiello gefallen ist, und zwar „nicht nur, wegen ihrer vielschichtigen Kenntnisse über die Branche, was sowohl technische als auch rechtliche Expertise betrifft, sondern wegen ihrer Fähigkeit, die unterschiedlichen Fraktionen der Branche zusammenzubringen.“
Im Rahmen der Konferenz wurde Warren von ConsenSys interviewt und meinte, dass die breite Annahme von Blockchain bevorstehen könnte, falls Regierungen sich entschließen, die Technologie zu nutzen. So sagte sie im Wortlaut:
„Ob es uns gefällt oder nicht, Regierungen sind ein prima Verteiler mit großer Plattform. Wenn wir einen Weg finden, dass die Regierungen Blockchain tatsächlich einsetzen und nutzen, dann machen wir einen großen Schritt in Richtung Annahme.“
In diesem Kontext sieht Warren die asiatischen Ländern Singapur, Japan, China und Indien als zentrale Player, die Blockchain in der nahen Zukunft vorantreiben.
Blockchain-Handelsverband berichtet über großes Interesse der institutionellen Investoren
Der internationale Handelsverband Global Blockchain Business Council (GBBC) hat auf dem Forum Zahlen aus einer Meinungsumfrage unter Blockchain-Investoren vorgestellt. Dabei soll herausgekommen sein, dass ca. 40% der institutionellen Investoren Blockchain als die wichtigste Innovation seit dem Internet ansehen.
Die GBBC hat in den vergangen zwei Monaten 71 Investoren befragt, wovon 40% Blockchain als die Technologie mit der „größten Transformationskraft“ seit dem Internet sehen. Außerdem geht ein Drittel der Befragte davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren die Position des Blockchain-Vorsitzenden in Aufsichtsräten eingeführt werden wird. Des Weiteren meinten 38%, dass große Unternehmen zukünftig einen Blockchain-Plan erstellen müssen, um der Öffentlichkeit ihren Umgang mit der Technologie zu kommunizieren.
„Es gibt wenig Zweifel am möglichen Einfluss, den Blockchain auf verschiedene Branchen und das tägliche Leben haben kann“, wie GBBC Geschäftsführerin Sandra Ro auf dem Forum sagte. Ergänzend fügte sie hinzu:
„Immer mehr zeigt sich, dass in der Zukunft diejenigen Unternehmen erfolgreich sein werden, die eine ausgeklügelte Blockchain-Strategie aufweisen können […].“
Circle CEO Jeremy Allaire hält feuriges Plädoyer für Krypto
Jeremy Allaire, Geschäftsführer und Mitgründer des Krypto-Finanzdienstleisters Circle, hat an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Aufbau einer nachhaltigen Krypto-Landschaft“ teilgenommen, in der er sich der obligatorischen Krypto-Kritik (siehe unten) stellen musste. Dem entgegnete er, dass Virtuelle Währungen ein grundlegender Baustein des digitalen Zeitalters sein werden, allein schon wegen ihrer dezentralisierten Natur:
„Kryptowährungen sind grundlegender Bestandteil der Zukunft. […] Wir brauchen deren nicht-manipulierbare, widerstandsfähige und dezentralisierte Infrastruktur, wenn wir als Gesellschaft das digitale Zeitalter überleben wollen.“
Allaire wehrte sich ebenfalls gegen die Stigmatisierung von Kryptowährungen. „Die Leute schmeißen das Wort ‚Krypto‘ umher, als ob es etwas Böses ist“, erklärt er. „Aber wenn man mal drüber nachdenkt, dann ist die Kryptographie der Schutzmantel der modernen Gesellschaft, für die menschliche Privatsphäre. Sie ist das wichtigste Abwehrschild gegen Cyber-Kriminalität. Sie ist grundlegendes Mittel unserer täglichen Kommunikation und Kooperation.”
Des Weiteren denkt der Circle CEO, dass Krypto gemeinschaftlich mit zentralisierten Organisationen, wie zum Beispiel Zentralbanken, zusammenwirken kann. In diesem Kontext weist er auf den Circle Stablecoin hin, der im Oktober in Partnerschaft mit Coinbase auf den Markt gebracht wurde, um seinen Standpunkt zu unterstreichen. Im Wortlaut führt er aus:
„Wir sind große Befürworter der Zentralbank-gesteuerten Digitalwährungen. […] Wir gehen allerdings davon aus, dass Kryptowährungen, die auf Zentralbank-Geld beruhen, zunächst im Privatsektor etabliert werden. Vergangenen Herbst haben wir den USD Coin herausgebracht, der schnell wächst.“
Jamie Dimon nicht schadenfroh über Bitcoin-Krise, zeigt sich positiv gegenüber Blockchain
JP Morgan Chase Geschäftsführer Jamie Dimon, der wegen seines Ausspruchs, dass ihm Bitcoin (BTC) „scheißegal“ ist, als heftiger Kritiker bekannt geworden war, wurde gefragt, ob er Schadenfreude bezüglich der momentanen Bitcoin-Krise empfindet. Dies verneinte Dimon jedoch.
Vielmehr unterstrich der JP Morgan Chase Geschäftsführer, dass er positiv gegenüber Blockchain eingestellt sei und dass, trotz des übermäßigen Hypes um die Technologie. Er sieht Blockchain als eine bessere Alternative zu Online-Datenbanken.
„Blockchain ist eine richtige Technologie — sie ist eine Datenbank, auf die jeder zugreifen kann und die immer aktuell ist“, wie Dimon im CNBC Interview sagte.
Die amerikanische Investmentbank arbeitet schon seit längerem mit Blockchain. So hatte JP Morgan Chase schon im Oktober 2017 ein eigenes Blockchain-System für internationale Zahlungsvorgänge angekündigt, dass die Anzahl der in eine Transaktion eingebundenen Parteien „drastisch reduzieren“ soll, um die Dauer von Rücküberweisungen „von Wochen auf Stunden“ zu verringern. Im Mai 2018 hatte die Investmentbank dann ein Patent für ein Peer-To-Peer Netzwerk basierend auf Blockchain eingereicht.
Im Oktober 2018 hat die Forschungsgruppe ResearchAndMarkets.com (RM) eine Studie veröffentlicht, in der es heißt, dass Blockchain eine der Schlüsseltechnologien im Zukunftsplan von JP Morgan Chase ist, der eine Weiterentwicklung zur wichtigen Digitalbank vorsieht.
„Dr. Apokalypse” und der PayPal Geschäftsführer stimmen Tenor der Krypto-Kritiker an
Andere Figuren der Wirtschaftswelt zeigten sich weniger versöhnlich gegenüber den Kryptowährungen. Die deutlichste Kritik übte dabei der New Yorker Wirtschaftswissenschaftler Nouriel Roubini, der in der Branche auch als „Dr. Apokalypse“ bekannt ist. Roubini stellte sich selbst auf einer Podiumsdiskussion, die von der Kryptobörse LaToken veranstaltet wurde, als „größten öffentlichen Kritiker von Krypto und Blockchain“ vor.
Der Ökonom ging dabei zunächst auf seine Aussagen im Rahmen einer Anhörung vor dem US-Senat für Bankenwesen ein, die im Oktober 2018 öffentlich gemacht wurden. In diesen hatte er gesagt, dass Blockchain „nicht viel mehr als eine Excel-Tabelle“ sei. Allerdings merkte er auf dem Weltwirtschaftsforum an, dass diese Aussage bewusst „provokativ“ war. Des Weiteren hatte er Kryptowährungen damals als „die Mutter aller Spekulationsblasen“ bezeichnet, während er Blockchain „die am meisten überbewertete Technologie aller Zeiten“ nannte.
„Dr. Apokalypse“ sieht auch die Nutzung von privater Distributed-Ledger-Technologie (DLT) kritisch, da diese nicht wirklich dezentralisiert operieren würde und fälschlicherweise als Blockchain etikettiert ist. Außerdem ist er der Meinung, dass Zentralbank-gesteuerte Digitalwährungen (CBDCs) keinerlei Verbindung zu Blockchain und Kryptowährungen haben.
Weiterer Anlass zur Kritik ist für Roubini die „Tokenisierung von allem“, wie er es nennt. Seiner Ansicht nach führt die Tokenisierung – also die Verpackung von Vermögenswerten in digitale Tokens – zurück zum Zeitalter der Tauschgeschäfte. Für wie absurd er diese Vorstellung hält, unterstreicht er sinnbildlich mit der beliebten Zeichentrickserie Flintstones, in der die Steinzeitmenschen mit Muscheln als Tauschmittel bezahlen. Tokenisierung empfindet er sogar als noch schlimmer.
Der PayPal Geschäftsführer Dan Schulman zeigte sich ebenfalls kritisch gegenüber Bitcoin, konzentrierte sich dabei aber hauptsächlich auf dessen begrenzte Nutzbarkeit im Einzelhandel, weshalb auch die Annahme bei Händlern bisher noch gering ist. Der Blockchain-Technologie bescheinigt Schulman allerdings Potenzial.
„Derzeit gibt es noch nicht viele Händler, die Kryptowährungen als Zahlungsmittel akzeptieren, aber ich finde die darunterliegende Technologie interessant“, wie er in seinem CNBC Interview sagt. Dahingehend unterstrich er die Bedeutsamkeit der Blockchain gegenüber den darauf gestützten Kryptowährungen:
„Ich war schon immer davon überzeugt, dass Kryptos eher eine Art Belohnungsmechanismus für die Nutzung von Blockchain sind und keine richtige Währung.“
Schulman hatte schon in der Vergangenheit seine Krypto-Skepsis zum Ausdruck gebracht. So meinte er im Januar 2018, dass Venmo, der Smartphone Zahlungsdienst von PayPal, keine Einbindung der Kryptowährungen vorsehen würde:
„Die Volatilität der Kryptowährungen macht sie für Händler als echte Währung unbrauchbar.“
Huw van Steenis, oberster Berater von Mark Carney, dem Chef der englischen Zentralbank, meinte gegenüber Bloomberg, dass Kryptowährungen keinerlei Bedrohung für das Finanzsystem darstellen, da besonders deren Transaktionsgeschwindigkeit eine entscheidende Hürde ist:
„Ich mache mir keine Sorgen wegen den Kryptowährungen, da sie die grundlegenden Anforderungen eines Finanzmittels nicht erfüllen. Sie sind kein gutes Tauschmittel, kein gutes Wertaufbewahrungsmittel und obendrein sind sie langsam.“
Ripple Geschäftsführer greift Joseph Lubin scharf an
In Rahmen der Podiumsdiskussion „Wohin geht es mit Blockchain im Jahr 2019?“ waren sowohl Ripple Geschäftsführer Brad Garlinghouse als auch Ethereum Mitgründer bzw. ConsenSys Gründer Joseph Lubin geladen. Insgesamt verlief die Diskussionsrunde ruhig, an einer Stelle wurde es jedoch hitzig.
Als Moderator Robert Hackett Lubin fragte, wie er sein eigenes Vermögen verwaltet, wollte Lubin dies nicht kommentieren und widersprach lediglich der Behauptung, dass er einer der größten ETH Besitzer sei, was sich „durch keinerlei Daten“ stützen lasse.
Garlinghouse nutzte die Gelegenheit und warf ein, dass Ripple „für seine Transparenz angegriffen wird“, was sich auf den jüngsten XRP Geschäftsbericht bezog, der kurze Zeit später veröffentlicht wurde. So meinte Garlinghouse im Wortlaut:
„Wir veröffentlichen unsere Geschäftsberichte und werden dafür angegriffen, während andere Plattformen ihre Informationen erst gar nicht offenlegen. So kann man sich auch von Kritik abschotten. Das ist die Definition von Heuchlerei, ich bin mir zwar nicht 100% sicher, aber es ist ziemlich nahe dran.“
Der Moderator hakte darauf hin nach und fragte Lubin, ob ConsenSys zukünftig für mehr Transparenz sorgen wolle. Dieser entgegnete jedoch, dass sein Unternehmen eine Privatfirma sei, außerdem habe er sich um das Thema noch keine Gedanken gemacht. „Ripple ist doch auch eine Privatfirma“, schob Garlinghouse ein, um diese Erklärung nicht gelten zu lassen.
Blockchains Potenzial im Gesundheitswesen wird hervorgehoben
Eines der Diskussionspanele widmete sich dem Thema Blockchain im Gesundheitswesen. An der Runde namens „Blockchain im Gesundheitswesen” nahmen unter anderem Lata Verghese, Blockchain-Leiterin der amerikanischen IT-Firma Cognizant, und Zia Zaman, Leiter für Innovationen im asiatischen Raum beim Versicherungsunternehmen MetLife, teil.
Dabei war ausgegebenes Ziel der Runde, einen Fokus auf tatsächliche Anwendungsbereiche der Blockchain zu legen und „den sonstigen Hype wegzulassen“. Dementsprechend kam Vitana als stellvertretendes Beispiel ins Gespräch, ein Blockchain-gestütztes Versicherungsangebot für Diabetes-Patienten, das von der in Singapur sitzenden Firma Lumenlab entwickelt wird.
Außerdem wurden weitere potenzielle Vorteile besprochen, die Blockchain-Technologie im Gesundheitswesen haben könnte, darunter zum Beispiel ein schnellerer Zugriff auf Patientenakten oder eine schnellere Geltendmachung von gestellten Ansprüchen.
Börse von Hong Kong äußert sich zu vermeintlichem Bitmain Börsengang
Der Vorsitzende der Börse von Hong Kong (HKEX) ging auf die vertrackte Lage um den etwaigen Bitmain Börsengang (IPO) ein. Der chinesische Bitcoin-Mining-Konzern soll einen entsprechenden Antrag gestellt haben, allerdings herrscht in der Branche Unklarheit über dessen momentanen Stand.
Bitmain hat im vergangenen Jahr den Großteil seines Umsatzes mit dem Verkauf von Mining-Geräten erzielt. Im Mai 2018 wurde dann jedoch angekündigt, dass das Unternehmen auf Künstliche Intelligenz umsatteln wolle, da die chinesische Regierung zunehmend gegen die heimische Kryptobranche vorgeht.
Für das zweite Halbjahr 2018 hatte Bitmain einen etwaigen Börsengang geplant, nachdem die Geschäftszahlen allerdings vermuten ließen, dass das Unternehmen vor finanziellen Schwierigkeiten steht, kamen Gerüchte auf, dass die chinesische Börsenaufsicht wohl deshalb die Annahme des Antrags hinauszögern würde.
Auf dem Weltwirtschaftsforum meinte HKEX Geschäftsführer Charles Li Xiaojia nun, dass Antragsteller eine gewisse Konstanz in ihrem Geschäftsmodell aufweisen müssten.
„Wenn ein Unternehmen mehrere Milliarden US-Dollar mit Geschäftsmodell A einfährt, plötzlich aber auf Geschäftsmodell B umschwenken will, dann ist davon auszugehen, dass das im Antrag vorgestellte Geschäftsmodell A keine Nachhaltigkeit mehr besitzt“, wie er gegenüber dem englischsprachigen Nachrichtenmagazin South China Morning Post (SCMP) ausführte. Weiter meint Xiaojia:
„Außerdem, wenn die Aufsichtsbehörden zuvor Geschäftsmodell A unbeachtet gelassen haben, dieses in Zukunft allerdings regulieren wollen, kann man dann noch den gleichen Umsatz erzielen?“
Xiaojia erwähnte Bitmain aber nicht explizit mit Namen, obwohl die Journalisten direkt danach gefragt hatten.
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