Die Vorstellung des Whitepapers von Facebooks Krypto-Projekt Libra für eine globale digitale Kryptowährung hat nicht nur in der Krypto-Szene für viel Unruhe gesorgt. Während etwa die Kryptobörse Binance der geplanten Kryptowährung positiv gegenübersteht und sogar eine Teilnahme als Knotenpunkt plant, hagelt es vor allem seitens  Politik und von Aufsichtsbehörden Kritik und Warnungen Richtung Facebook. 

So hat in den USA der parlamentarische Ausschuss für Finanzdienstleistungen Facebook zu einem vorübergehenden Stopp von Libra aufgefordert, eine ähnliche Forderung hatten zuvor auch mehr als 30 US-Lobbyverbände formuliert. In anderen Ländern wie Frankreich, Deutschland, Russland und Singapur stößt Libra bislang ebenfalls auf wenig Gegenliebe.

Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir acht renommierte Krypto-Experten aus dem deutschsprachigen Raum nach ihrer Einschätzung zu Facebook Libra befragt. Im letzten Teil verrät Monty C. M. Metzger, Fintech-Investor und CEO der Liechtenstein Cryptoassets Exchange (LCX), was er von Facebook Libra hält.

Cointelegraph auf Deutsch: Was halten Sie von Facebooks Libra?

Monty Metzger: Das Libra-Projekt von Facebook ist ein Meilenstein für die Blockchain-Industrie. Ich kenne David Marcus seit seiner Zeit bei Paypal. Die letzten Jahre hat er Facebook-Messenger geleitet und weltweit ausgerollt – nun hat er sein Wissen über Soziale Netzwerke und Zahlungssysteme vereint. Facebooks Libra-Projekt könnte größer werden als Facebook selbst. 

Wir stehen noch am Anfang für das “Internet of Value” und die Einführung der Blockchain und DLT in der Finanzwelt ähnelt der Einführung von E-Mail in den 90er Jahren. Ich sage oft: Blockchain verändert Geld und die Finanzindustrie, so wie E-Mail den Brief und die Postbranche verändert hat.

CT: Könnte das Projekt von Facebook langfristig möglicherweise mehr schaden als nützen?

MM: Aus meiner Sicht als Futurist, Investor und Unternehmer überwiegen die Chancen. Die Chance, das heutige Finanzsystem in das digitale Zeitalter zu führen, die Chance, Finanzdienstleistungen jedem Menschen zur Verfügung zu stellen, und die Chance, die Blockchain-Industrie und Kryptowährungen aus der Nische in einen Massenmarkt zu verwandeln. 

Zudem werden andere Unternehmen folgen, ich weiß von Projekten bei Amazon, Twitter und Google, aber auch von Projekten bei Goldman Sachs und Zentralbanken.

CT: Wie schätzen sie die Erfolgsaussichten des Libra-Projektes ein?

MM: In gewisser Weise ist das Projekt bereits ein Erfolg – für die Schweiz und für Europa. Denn Libra ist kein Silicon Valley-Unternehmen, die Stiftung hat Ihren Sitz in Genf. Es ist somit ein Erfolg für das digitale Europa – das nächste Paypal, Facebook oder Google wird aus Europa kommen. 

Libra ist zudem kein Alleingang von Facebook, das Konsortium umfasst bereits über 30 einflussreiche Unternehmen. Die Partner bringen nicht nur 10 Millionen US-Dollar als Backing für die Digitalwährung mit, sondern auch hunderte Millionen aktive Nutzer. David Marcus hat es geschafft, nicht nur einen Marktführer zu gewinnen, sondern jeweils mehrere führende Unternehmen aus einer Industrie – Visa und Mastercard, Lyft oder Uber.

CT: Welche Vorteile hat das Projekt und welche Implikationen für das Finanzsystem ergeben sich aus der Einführung einer solchen Digitalwährung?

MM: Wir arbeiten bei LCX mit dem Weltwirtschaftsforum WEF in einer Arbeitsgruppe mit über 15 Zentralbanken zusammen und kennen die Fragestellung rund um DLT und Blockchain gut. Facebooks Libra-Projekt bringt drei wichtige Bestandteile zusammen: 

Erstens ist die digitale Währung Libra als stabile Währung (Stablecoin) an einen festen Wechselkurs gekoppelt und durch einen Währungsfonds, die “Libra Reserve”, gesichert. 

Zweitens ist Calibra die benutzerfreundliche und einfach gestaltete Wallet des Libra-Projekts. Die Software ist somit das digitale Konto für alle Facebook-Plattformen: WhatsApp, Facebook und Instagram

Und schließlich geht es bei Libra um die Digitalen Identitäten der Nutzer. Nur in einem Nebensatz im Whitepaper wird erwähnt, was Facebook plant – die Implikationen sind aber enorm. Im Rahmen des Libra-Projekts plant Facebook, jeden Kunden eindeutig zu identifizieren, indem man die Lösung des Know-Your-Customer (KYC)-Prozesses für Compliance-Themen nutzt. Das eröffnet auch den Zugang zu professionellen Finanzprodukten wie Security-Token oder Darlehen.

CT: Welche gesellschaftlichen und politischen Folgen wird Libra haben?

MM: Wenn Facebook ein Land wäre, wäre es das größte Land der Erde. Führt dieses Land also eine Währung ein, kann man sich den Einfluss und Auswirkungen nur erahnen.

CT: Könnte Libra Bitcoin als wichtigste Kryptowährung ablösen?

MM: Nein, Libra ist eine reine Stablecoin und hat damit keinen Wertzuwachs wie Bitcoin. Libra bleibt also stabil im Preis und ist durch einen Pool von verschiedenen Fiat-Währungen gesichert.

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